Fantastischer Einstieg oder Aufgabe zur Unzeit – wie die Ansetzung des Rheinischen Derbys direkt am ersten Spieltag der neuen Saison zu werten ist, wird sich wohl erst in der Rückschau erweisen. Klar ist: Am Sonntag Abend treffen im Borussia-Park zwei Mannschaften aufeinander, bei denen vor dem Saisonstart relativ schwer zu prognostizieren ist, welche Rolle sie spielen werden. Bei Borussia sind es der emotionale und leistungsmäßig Abschwung zum Ende der vergangenen Saison verbunden mit dem Abgang zweier Leistungsträger, die für Unsicherheit sorgen. Beim 1.FC Köln ist die große Frage, wie der Verein den Verlust von Torjäger Modeste verkraftet und wie er die Mehrfachbelastung durch den Einzug in die Europa-League wegsteckt. All das wird sich auch am Sonntag natürlich nicht abschließend klären lassen. Bundesligaspiele zum Saisonauftakt sind nicht immer Indiz für die tatsächliche dauerhafte Leistungsfähigkeit einer Mannschaft. Klar ist im Grunde genommen nur eins: Keine der beiden Mannschaften will mit einer Niederlage gegen den Erzrivalen in die Spielzeit starten.

Wo steht Borussia vor der Saison? Das Pokalspiel in Essen überzubewerten verbietet sich, dennoch stimmt das dort Gezeigte nicht unbedingt hyperoptimistisch. Gegen Köln wird ein strukturierterer Auftritt nötig sein, mit weniger als 100% zu Werk zu gehen, geht nicht. In Essen war beim einen oder anderen Spieler die Handbremse noch leicht angezogen. System und Aufstellung dürften sich im Vergleich zum vergangenen Freitag nicht groß ändern. Rechts hinten ist Tony Jantschke noch immer leicht angeschlagen, in den Kader könnte er es schaffen, spielen wird wohl Nico Elvedi. Im defensiven Mittelfeld wird Dieter Hecking vermutlich dem in Essen engagiert aber häufig glücklos und noch etwas irrlichternd agierenden Denis Zakaria das Vertrauen schenken. Das Offensivquartett wird vermutlich unverändert bleiben. Ibrahima Traoré betrieb Werbung für sich, so dass Vincenzo Grifo auf sein Pflichtspieldebüt im neuen Trikot wird warten müssen. Thorgan Hazard ist eher ein Austauschkandidat, zumal Patrick Herrmann eine gute Vorbereitung hatte, aber aller Voraussicht nach bleibt der Belgier in der Startelf. Eine „Alternative für Köln“ ist laut Hecking auch Raúl Bobadilla. Er wird damit aber sicher keinen Einsatz von Beginn an gemeint haben, sondern eher, dass Bobadilla am Sonntag schon auf der Bank wird sitzen können, wenn seine Fitness das erlaubt.

Beim 1.FC Köln ist der Mann wieder an Bord, der Borussia das letzte Derby im eigenen Stadion verdorben hat. Marcel Risse ist von seinem Kreuzbandriss genesen und in der Offensive eine Option. Trainer Peter Stöger hat allerdings angedeutet, dass der Rechtsaußen erst einmal draußen sitzen könnte. Simon Zoller hofft nach guter Vorbereitung darauf, seine Position zu besetzen. Gesetzt ist Modeste-Ersatz Jhon Cordoba. Allerdings trat der Kolumbianer unter der Woche wegen einer offenbar leichten Knieverletzung kürzer, ein kleines Fragezeichen steht also hinter dem Mann, für den der 1.FC Köln 17 Millionen Euro an Mainz 05 überwiesen hat. Definitiv weiter fehlen wird Yuya Osako, der japanische Nationalspieler erholt sich noch von den Folgen einer Bänderverletzung. Angeschlagen sind auch die offensiven Leonardo Bittencourt und Milos Jojic. Letzterer hat sich trotz Individualtrainings aber schon wieder für einsatzfähig erklärt. In der Abwehr hat Neuzugang Jannes Horn zur Zeit offenbar die besseren Karten als Konstantin Rausch.

Aus dem Pokal Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Teams zu ziehen, ist beim 1.FC Köln noch weniger geboten, als bei Borussia. Der fünftklassige Leher TS war kein wirklicher Prüfstein, dass der FC sich im ersten Durchgang schwertat, sollte niemanden dazu verleiten, eine Formschwäche anzunehmen. Köln wird wie Borussia im 4-4-2 antreten. Neu ist dabei die Rolle von Nationalspieler Jonas Hector, den Stöger eher im Mittelfeld als in der Viererkette sieht.

Schiedsrichter der Partie ist Deniz Aytekin, was für die Abergläubischen unter den Borussenfans vermutlich ein gutes Omen ist. Aytekin war auch Referee beim schon fast legendären 1:0-Sieg mit Last-Minute-Tor durch Granit Xhaka und dem anschließenden Platzstürmchen fehlgeleiter Kölner im Maleranzug.

Aufstellungen:

Borussia: Sommer – Elvedi, Ginter, Vestergaard, Wendt – Kramer, Zakaria – Traoré, Hazard – Stindl, Raffael

Köln: Timo Horn – Klünter, Sörensen, Heintz, Jannes Horn – Hector, Lehmann – Zoller, Bittencourt – Jojic – Cordoba

SEITENWAHL-Tipp

Christian Spoo: Fast untippbar, so ein Derby am ersten Spieltag. Köln ist selbstbewusster, Borussia hat auf dem Papier das bessere Team. Es wird kein gutes Spiel und nach dem 1:1 sind wir nicht viel schlauer, was den Blick nach vorne angeht.

Thomas Häcki: Die Borussia spielt solide aber offensiv auch bieder und leicht ausrechenbar. Den Geißen reicht ein ebenfalls biederer Auftritt zum 0:0.

Michael Heinen: Wie kann eine Saison schöner starten, als mit einem Derbysieg. Ausgerechnet Raúl Bobadilla trifft in einer über weite Strecken zähen Partie zum 1:0-Endstand für Borussia.

Claus-Dieter Mayer: Durchwachsene Vorbereitung, umstrittene Transfers, mühseliger Pokalsieg…am Sonntag alles vergessen, mit 4:1 wird der Erzrivale überraschend deutlich besiegt und unsinnige Abstiegsängste werden vorübergehend von ebenso meschuggenen Meisterschaftsträumen verdrängt.