bayernFahrten nach München sind für die meisten Bundesligaclubs typischerweise eher unerfreulich. In den 7 Jahren seit dem Sommer 2011 verloren die Bayern in 122 Spielen daheim gerade 7 mal, wobei 2 dieser Niederlagen gegen die Borussia waren, die sich in den letzten Jahren den Ruf eines “Bayern-Schrecks” erarbeitet hat. Bei den letzten beiden Auftritten in der Allianz-Arena konnten die Fohlen allerdings herzlich wenig Schrecken verbreiten. Im Herbst 2016 verlor man unter Andre Schubert zwar “nur” mit 0:2, aber das Ergebnis täuscht über die komplette Kläglichkeit des Gladbacher Spiels an jenem Abend hinweg. Abgesehen von einer guten Anfangsphase trat man bei der  1:5-Klatsche im Frühjahr 2018 ähnlich willen- und hilflos auf.

Wenn die Fohlenelf jetzt trotzdem mit gewisser Hoffnng nach München fährt, hat dies also weniger mit den Aufeinandertreffen in der jüngeren Vergangenheit zu tun als mit der Situation beider Teams im Moment. Nachdem die Verpflichtung von Niko Kovac als Bayerntrainer zum Teil skeptisch wahrgenommen wurde, schien der Saisonstart alle Zweifel zu vertreiben. Souverän gewann der Rekordmeister die ersten 4 Ligaspiele, wobei sich unter den Gegnern gleich 3 der ersten 5 der Vorsaison befanden.  Auch der Start in die Champions League gelang mit einem Sieg in Lissabon. Dann aber gab es innerhalb einer Woche einen verschenkten Sieg gegen Augsburg, eine Niederlage in Berlin gegen taktisch hervorragende Berliner und trotz früher Führung nur ein 1:1 gegen ein mutig aufspielendes Ajax Amsterdam. Bezeichnender als die Ergebnisse selbst ist vielleicht die Reaktion von Spielern und Trainer, die eine gewisse Ratlosigkeit offenbart. Wenn Manuel Neuer Sätze mit “Ich weiss auch nicht…” einleitet oder Niko Kovac ein “Ich muss das erstmal verarbeiten” hervordruckst, wird klar dass die letzte Woche Wirkung bei den Bayern zeigt. Auch Dieter Hecking ist dies nicht entgangen. “Man merkt, dass sie im Augenblick etwas nachdenken…” bemerkte er auf Borussias Pressekonferenz vor dem Spiel und schien dies eher als ein positives Zeichen für die Borussia zu werten.

In Mönchengladbach ist man von solcher Nabelschau zur Zeit weit entfernt. Zwar hat sich in der Vorwoche in Wolfsburg die sieglose Auswärtsserie weiter fortgesetzt, aber es war mit Abstand der beste Auftritt auf fremden Platz seit geraumer Zeit. Zweimal ging man durch sehr sehenswerte Treffer in Führung, die Abwehr stand erheblich fester als noch 2 Wochen zuvor in Berlin, Michael Lang konnte ein gelungene Debüt auf der rechten Verteidigerposition feiern…nur zwei dumme individuelle Patzer verhinderten einen Sieg. Der resultierende Platz 4 mit 11 Punkten ist nach 6 Spielen so ziemlich genau das, was man sich in Mönchengladbach realistisch hat erhoffen können. Besonders befriedigend sind zur Zeit die Darbietungen der Offensive. Die 13 Tore, die Hazard und Plea in nur 7 Pflichtspielen erzielten sind natürlich etwas durch das Schützenfest im DFB-Pokal verschönt, aber die Tatsache, dass beide in den letzten 3 Ligaspielen jeweils einen Treffer beisteuerten zeigt, dass nicht nur Plea bei der Borussia voll angekommen ist, sondern  auch Hazard spielt endlich mal wieder in der Verfassung auf, die man ihm immer zugetraut hat, die er aber zu selten auf den Platz bringen konnte.

Beide Spieler sollten zur Zeit vorne auf jeden Fall gesetzt sein und die Frage ist eher, ob der in Wolfsburg gut aufgelegte Patrick Herrmann der dritte im Bunde sein wird oder ob Hecking in München eher auf den defensivstärkeren Fabian Johnson als dritten Stürmer baut. Die Abwehr stellt sich nach Langs guter Premiere in Wolfsburg und dem simultanen Ausfall Beyers wegen Hüftproblemen von selbst auf. Nur das überbevölkerte Mittelfeld gibt so richtig Anlass zur Spekulation auf Gladbacher Seite. Nach seinen guten Leistungen zuletzt wird wohl Christoph Kramer wieder den defensiven Part übernehmen, während für den in Wolfsburg geschonten Hofmann eine Startelfrückkehr wahrscheinlich scheint. Wie genau Dieter Hecking in dieses Spiel gehen will, wird wohl die Besetzung der dritten Mittelfeldposition zeigen. Der Einsatz von Florian Neuhaus wäre ein Signal für eine offensive Ausrichtung, wohingegen Zakaria oder Strobl eher ein konservativen Ansatz andeuten würden. Eine Startelfnominierung von Lars Stindl kann man wohl ausschliessen, da Hecking mehrfach betonte, mit dem Kapitän erst nach der Länderspielpause ernsthaft zu planen.

Auf Münchener Seite wäre eine BL-Heimspiel nach CL-Woche traditionell Anlass zur Rotation zumal sich Kovac zuletzt als sehr wechselfreudig zeigte (ermutigender Kommentar von Uli Hoeneβ: “"Am Ende muss er den Kopf dafür hinhalten"), aber angesichts der Misserfolge der letzten Tage, ist es auch sehr gut vorstellbar, dass der Bayerntrainer dem Spiel erhöhte Priorität einräumt und die erste Elf (bzw. was auch immer er dafür hält) antreten lässt. Egal welcher Elf sich die Borussen am Samstagabend zu stellen haben und wie nachdenklich diese Bayernspieler auch sein mögen, bleibt Bayern angesichts der hohen Qualität natürlich der klare Favorit in dieser Partie. Ganz Fuβball-Deutschland wird jedoch gespannt darauf schauen, ob das über Jahre so solide bayrische Gerüst weitere Risse offenbart oder ob das Gerede von einer Krise mit einem überzeugendem Sieg vorerst beendet warden kann.

Mögliche Aufstellungen:

Bayern: Neuer - Kimmich, Süle, Hummels, Alaba - Thiago - Müller, James - Gnabry, Ribery, Lewandowski

Borussia: Sommer – Lang, Elvedi, Ginter, Wendt – Kramer, Zakaria, Hofmann – Hazard, Plea, Johnson

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Da Hazard und Plea sowieso immer treffen und die Abwehr endlich in Bestbesetzung ist und gegen Bayern besonders konzentriert spielt, kann die Borussia mit einem 2:1 Sieg tabellarisch an den Bayern vorbeiziehen.

Michael Heinen: So schön es wäre, die Bayern mit einer weiteren Pleite endgültig in die Krise zu katapultieren: wenn alles normal läuft ist deren zusammengekaufte Qualität einfach zu hoch. Borussia müht sich redlich und hält lange gut mit, muss sich am langen Ende aber doch mit  1:3 geschlagen geben.

Thomas Häcki: Gegen gereizte Bayern besteht man mit einer festen Defensive. Die hat die Borussia nicht. Man verliert letztlich sang- und klanglos mit 0:3

Christian Spoo: So viel hat sich gar nicht verändert: Borussia kommt in Augs- und Wolfsburg nicht klar und Borussia ist ein prima Aufbaugegner für kriselnde Spitzenteams. Mit einem 6:0-Sieg machen die Bayern ein Ausrufezeichen hinter diesen Satz.