freiburg„Kann Gladbach Meister werden?“ – diese Frage formulierte der Populisten-Kicker „Sport Bild“ in dieser Woche auf dem Titelblatt. „So viel Meister steckt in Gladbach“ sekundierte das Mutterblatt. Man möchte in diesen Tagen zurückfragen „Wie viel Stürmer steckt in BILD?“, aber dass der Boulevard unsere Borussia zumindest für einige Tage in Richtung Titelkampf hypt, sagt nicht nur etwas über mediale Hysterie, sondern spiegelt tatsächlich in etwa die Euphorie wider, die nach zwei Siegen mit 7:0 Toren in Gladbach herrscht. Dabei sind es wirklich „nur“ zwei Siege in Folge, die das Stimmungsbarometer auf ein Rekordhoch haben klettern lassen. Vorher gab es zwei Unentschieden – und zwar bei Teams, die traditionell als „Auswärts-Angstgegner“ gelten, in Augsburg und Wolfsburg. Warum das an diesem Freitag eine Rolle spielt? Nun, weil es zum Auswärts-Angstgegner aller Auswärts-Angstgegner geht. Borussia spielt beim SC Freiburg. Die Zahlen des Grauens sind hinreichend bekannt: Letzter Sieg im Jahr 2002 durch ein Tor von Arie van Lent, zuletzt sieben Niederlagen und ein Remis im Breisgau. Im Angesicht dieser Zahlen wäre ein Unentschieden fast schon ein Erfolg. Aber was bedeuten diese Zahlen? Die Serie kann ein Zufallsprodukt sein, die mäßigen Auftritte der Borussia in Freiburg sind womöglich auch zuletzt eine Art selbsterfüllende Prophezeiung gewesen. „Serien interessieren mich nicht“ sagt Trainer Dieter Hecking und es ist vermutlich die einzig richtige Haltung, um das heutige Spiel erfolgreich zu meistern. Eigentlich ist der SC Freiburg gar keiner von diesen Gegnern, gegen die sich Borussia schwer tut. Es waren zuletzt eher die klassischen unangenehmen Teams, Kämpfertruppen, Mannschaften mit „fiesem Spiel“, die den Gladbachern Probleme bereitet haben. Freiburg ist nichts davon. Freiburg spielt mit, ohne überzogene Nickeligkeiten, ohne Reklamierwut. So viel man überlegt, ein überzeugender Grund für die Uneinnehmbarkeit des Stadions an der Dreisam findet sich nicht, zumal andere Bundesligisten nicht solche Probleme haben, dort zu bestehen. Auch in dieser Saison hat Freiburg zu Hause erst einmal gewonnen, und das gegen Schalke, also einen Gegner, vor dem sich zur Zeit niemand fürchten muss.

Zuletzt hat der SC Freiburg in Berlin ordentlich gespielt. Der Punkt war ein wenig glücklich, aber nicht unverdient und dass man bei der Hertha nicht im Vorbeigehen punktet, hat Borussia in dieser Saison schon leidvoll erfahren. Im Vergleich zu Berlin hat Trainer Christian Streich heute Abend noch mehr Kaderoptionen. Mit Mike Franz steht ein Basisspieler wieder zur Verfügung, dazu ist der etatmäßige Rechtsverteidiger Pascal Stenzel wieder an Bord. Definitiv fehlen werden aus der ersten Garnitur des SCF Jerome Gondorf und Florian Niederlechner – zwei durchaus torgefährliche Spieler. Dafür ist Kurzzeit-Nationalspieler Nils Petersen, dessen Elfmetertor Borussia in der vergangenen Saison eine Niederlage beschert hat, seit dem Berlin-Spiel wieder dabei.

Bei Borussia ist keiner verletzt. Hätten wir gerne geschrieben, weil es sich so unwirklich anhört, stimmt aber leider gar nicht. Julio Villalba steht nicht zur Verfügung, weil er sich beim Testspiel der jungen Fohlen gegen Genk unter der Woche die Schulter geprellt hat. So schade das für den Spieler ist, ins Gewicht fällt diese Verletzung tatsächlich nur, weil sie uns den Satz „Bei Borussia ist keiner verletzt“ kaputt gemacht hat. Freilich wird wohl auch Raffael in Freiburg noch keine Rolle spielen. Zwar ist Borussias „Superstar im Karriereherbst“ wieder voll im Training, aber wenn Dieter Hecking nicht seinen Stunt vom Bayernspiel kopiert, als er Lars Stindl zum Edeljoker erklärte, dann aber von Beginn an aufbot, macht Raffael die Reise in den Sonnenzipfel nicht mit.

So hat Hecking auch heute Abend die Qual der Wahl. Wer rotiert ins Team, wer muss zu Hause bleiben? Die Optionen sind zahlreich und die Erfahrung aus der Saison bis heute zeigt, dass sich kein Spieler seines Platzes sicher sein kann, auch dann nicht, wenn der zuletzt „Sofa vor der Glotze im Wohnzimmer“ hieß. Eine Rückkehr von Christoph Kramer ist genauso denkbar, wie ein Startelfeinsatz für den nach seiner Einwechslung gegen Mainz auffälligen Zakaria. Selbst das Offensivquintett, das am vergangenen Sonntag so unwiderstehlich wirbelte, hat keine Garantie, zusammenzubleiben. Dass Hecking beispielsweise Florian Neuhaus eine Pause gönnt, ist nicht auszuschließen. Auch das macht ist nur für Leute wie uns ein Problem, die wir versuchen, die Aufstellung möglichst exakt vorherzusagen. Von daher ist alles, was jetzt noch kommt, mehr denn je ohne Gewähr:

Freiburg: Schwolow – Kübler, Gulde, Heintz, Günter – Koch, Höfler – Haberer, Frantz – Waldschmidt, Petersen

Borussia: Sommer – Lang, Ginter, Elvedi, Wendt – Kramer – Zakaria, Hofmann – Hazard, Stindl, Pléa

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Es gibt Dinge, die sind nicht zu erklären. Dazu gehört das Fortbestehen der Serie in Freiburg. Borussia spielt nicht mies, aber nicht annähernd mit der Überzeugung, wie gegen Mainz. Am Ende können alle Beteiligten mit dem 1:1 ganz gut leben.

Claus-Dieter Mayer: Freiburg ist unangenehm, Freiburg ist ein Angstgegner, gegen Freiburg war es immer schwer, Freiburg darf man nicht unterschätzen, …aber was nützt das alles den Breisgauern, wenn wir Jonas Hofmann haben? Ein souveränes 3:0 hlt die Borussia weiterhin auf Kurs.

Uwe Pirl: Wird das Gerede von Borussia als Dortmund-Jäger in gewohnter Weise in Freiburg sein Ende finden? Eigentlich erscheint die Mannschaft momentan zu stabil für eine Niederlage. Borussia gewinnt in einem zähen Spiel 2:1.

Michael Heinen: Borussia hat einen Lauf, der vom Angstgegner aus Freiburg zur zum Teil aufgehalten wird. Am Ende können beide Seiten mit dem 1:1 leben.