Was war das beste Saisonspiel Borussias im Jahr 2019? Die Antwort fällt schwer. War es tatsächlich der Auftritt beim 0:3 gegen Wolfsburg, das laut Trainer nur wegen der mangelnden Chancenverwertung verloren ging? Oder war es das Spiel gegen Eintracht Frankfurt, bei dem Borussia trotz Überlegenheit zwei mögliche Punkte verschenkte? Ganz sicher war es nicht der 1:0 Sieg vom vergangenen Samstag. Trotzdem misst man diesem Auswärtssieg in Gladbach größte Bedeutung bei, hofft auf eine Trendwende nach der Gruselserie mit drei Heimniederlagen in Folge. Zufrieden mit dem Spiel seiner Mannschaft sei er nicht gewesen, aber doch. Ungefähr so hörten sich die Einlassungen von Dieter Hecking nach der Partie in Mainz an. „Aber doch“ bezieht sich auf die Stabilität der Defensive. In der Tat ließ Borussia hinten nicht viel anbrennen, was angesichts von 12 Gegentoren in den vorausgegangenen vier Spielen tatsächlich bemerkenswert war. Ob die Abwehr tatsächlich an Stabilität gewonnen hat oder ob es eher die Zahnärme des Gegners war, könnte heute Abend beantwortet werden, wenn der SC Freiburg im Borussia-Park vorstellig wird.

Vor allem ein Ergebnis lässt aufmerken: Gleich fünf Treffer schenkte Freiburg unlängst dem FC Augsburg ein. Am vergangenen Wochenende beim Sieg gegen Hertha BSC ging der SCF fast borussisch mit seinen Chancen um, traf aber ausreichende zwei Mal. Jedes Mal zu den Torschützen gehörte Nils Petersen, aber auch die anderen Offensivkräfte haben sich zuletzt in guter Verfassung gezeigt. Neben Luca Waldschmidt und Janik Haberer triff das vor allem auf Vincenzo Grifo zu. Der Italiener zeigt in Freiburg wieder das, was man einst in Mönchengladbach von ihm sehen wollte aber selten zu sehen bekam: elegantes Spiel, brandgefährliche Standards, Vorlagen und Tore. In Berlin bereitete Grifo beide Treffer vor, einen davon mit einem Eckball. Borussia sollte gewarnt sein: Die Freiburger Ecken und Freistöße bedeuten fast immer Gefahr.

Hoffnung machen kann heimschwachen Borussen eventuell die relative Auswärtsschwäche des Gegners: Die Badener haben erst zwei Spiele in der Fremde gewonnen, zu Saisonbeginn bei da noch schwächelnden Wolfsburgern und zum Hinrundenabschluss in Nürnberg. Zuletzt gab es eine 0:2-Niederlage in Leverkusen. Außerdem hat Freiburg ein Personalproblem in der Defensive. Mit Kübler und Lienhart haben sich im letzten Spiel zwei Spieler aus der ersten Elf verletzt, für Rechtsverteidiger Kübler ist die Saison vorbei; Lienhart kann nach einer Gehirnerschütterung zumindest heute Abend noch nicht mitspielen. Mit Manuel Gulde und Robin Koch fallen zwei weitere Abwehrspieler schon länger aus. Wie er darauf reagieren könnte, hat Trainer Christian Streich vorab recht offen kommuniziert: Die Lösung heißt Schlotterbeck, einfach oder doppelt. Die Brüder Nico und Keven (sic) gehören eigentlich zum Kader der Freiburger U23, durften aber zuletzt jeweils einmal als Einwechselspieler ihre Bundesligatauglichkeit unter Beweis stellen, jeweils mit Erfolg. Nico Schlotterbeck war es zudem, der Vedad Ibisevic nach Grifo-Ecke mit beherztem Einsatz zum Eigentor und damit zum Siegtreffer für den SC „zwang“. Einer von beiden Schlotterbecks wird in Gladbach beginnen, legte sich Streich fest, womöglich sogar beide. Offen ließ der Trainer lediglich, ob er die gewohnte Viererformation aufbietet oder mit einer Dreierkette experimentiert.

Bei Borussia gibt es nach dem Mainz-Spiel in der Defensive keinen Grund, personell etwas zu ändern – zumal Matthias Ginter weiter ausfällt und auch Jordan Beyer nicht zur Verfügung steht. Tony Jantschke hat den nominellen Abwehrchef Ginter gut vertreten. Fabian Johnson hat rechts hinten zumindest besser ausgesehen, als Michael Lang gegen die Bayern, was allerdings auch nicht sonderlich schwierig war. Beim Deutsch-Amerikaner hängt viel davon ab, wer vor ihm spielt. Johnson neigt dazu, sich ohne allzugroße Rücksicht auf Absicherung nach vorne einzuschalten. Je nach Disziplin seines Vordermannes können so auf der rechte Seite große Lücken entstehen. Das Zusammenspiel mit Ibo Traoré zum Beispiel funktionierte überhaupt nicht. Mit Thorgan Hazard klappte es in Mainz besser. Der stets fleißig nach hinten arbeitende Patrick Herrmann böte sich als Konterpart für Johnson an, angesichts des großen Angebots in der Offensive ist der Einsatz von Herrmann, der offenkundig vergleichsweise schlechte Aktien beim Trainer hat, eher unwahrscheinlich. Die Dauerbrenner-Frage Strobl oder Kramer ließ Dieter Hecking vor dem heutigen Spiel unbeantwortet, vermutlich eher aus Höflichkeit gegenüber Christoph Kramer. Strobls Hereinnahme ist als Schlüssel für die gewonnene Kompaktheit zu sehen. SEITENWAHL wird nicht müde zu fragen, ob man den eifrigen Kramer nicht auch auf anderen Positionen bringen könnte, um sich seiner Qualitäten nicht zu berauben ohne die Positionstreue, mit der Strobl die Rolle vor der Abwehr interpretiert, aufzugeben.

In der Offensive hat Dieter Hecking weitgehend die freie Auswahl aber es drängt sich keine der möglichen Lösungen wirklich auf. Wirklich gut war zuletzt keiner. Raffael sei eine Option für die Startelf, ließ der Trainer verlauten. Alassane Plea wurde für seine leicht ansteigende Form gelobt. Dass Hecking auf Hazard oder Stindl verzichten würde, ist kaum vorzustellen. Auch die Zakaria-Frage bleibt unbeantwortet. Etwas wild aber doch unter dem Strich recht ordentlich spielte der Schweizer in Mainz, zwei anständige Spiele am Stück hat man von ihm in dieser Saison aber noch nicht gesehen. Könnte womöglich Lars Stindl ins Mittelfeld rücken, um vorne Platz für Raffael zu machen? Bleibt Jonas Hofmann gesetzt? Die Aufstellung für heute Abend vorherzusagen, ist bis 19:30 ein Ratespiel.

 

Geratene Aufstellung

Borussia: Sommer – Johnson, Elvedi, Jantschke, Wendt – Strobl – Hofmann, Zakaria – Hazard, Stindl, Plea.

Freiburg: Schwolow – Stenzel, N. Schlotterbeck, Heintz, Günter – Frantz, Abrashi – Haberer, Waldschmidt, Grifo - Petersen

 

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Ein Grottenkick, der seinen Reiz allein aus der Frage zieht, ob bzw. wann Borussia sich aus den Champions-League-Plätzen verabschiedet. Das 1:1 stellt am Ende die Gäste deutlich zufriedender als die Gastgeber, auch wenn die Niederlagenserie vor eigenem Publikum beendet wurde.

Thomas Häcki: Die Leichtigkeit ist weg aber die Defensive steht. So gelingt der Borussia ein 1:0

Claus-Dieter Mayer: Weil der Gegner mal wieder ein schwächerer ist, macht die Borussia mal wieder ein besseres Heimspiel und gewinnt 3:0

Michael Heinen: Borussia tut sich schwer, kommt aber endlich mal wieder zu einem Heimsieg - 2:1.