Fortuna Düsseldorf

Wo kommen sie her?

Von Platz 10, was gemessen am Anspruch, am Personal und der Performanz zu Saisonstart einem kleinen Wunder gleichkommt. Der Star der Mannschaft in dieser Aufstiegssaison war erstaunlicherweise der Trainer. Erstaunlich, weil Friedhelm Funkel einer der allürenfreisten Vertreter seiner Gattung ist. Mit seiner unaufgeregten Art hat er in Düsseldorf viele Anhänger gefunden, denn unaufgeregt war in der Vergangenheit ein Attribut, das zur Fortuna nur bedingt passte. Auch Funkel hätten sie in der Winterpause fast rausaufgeregt, über die Pläne, den Neusser loszuwerden, stürzte stattdessen die Vereinsführung. Ein Gegenbeispiel für die in diesem Sommer häufig, viele Grüße an Dieter Hecking, beweinte Position der Trainer als schwächste Glieder in der Kette.

Was passiert gerade?

Fortuna war und ist in diesem Sommer zwangsläufig sehr aktiv auf dem Transfermarkt. Mit Raman und Lukebakio sind die beiden wohl begabtesten Spieler des Kaders nicht mehr da. Raman war nicht zu halten, für ihn kassierte Düsseldorf aber eine ordentliche Ablösesumme. Lukebakio war ohnehin nur geliehen. Die 21 Millionen Euro, die Hertha BSC nun für den Außenstürmer an den FC Watford bezahlt, hätte Fortuna nie und nimmer stemmen können – und wollen. Mit den beiden Belgiern verliert Fortuna die beiden schnellsten Spieler. Tempo war demzufolge auch ein Kriterium bei der Suche nach Ersatz. Mit den Ghanaern Ampomah und Tekpetey und den Deutschen Thommy und Pledl wurden gleich vier Spieler für die Außenpositionen gekauft bzw. geliehen, die flott unterwegs sind. Außer dem Ex-Stuttgarter Erik Thommy hat jedoch keiner von ihnen bisher seine Bundesligatauglichkeit unter Beweis stellen können.
Das wichtigste Geschäft der Sommerpause ist die Weiterverpflichtung des bisher geliehenen Stürmers Dawid Kownacki. Der hatte in der Rückrunde großen Anteil am Hoch bei Fortuna. Mit Kenan Karaman konnte ein weiterer Offensivspieler gehalten werden, an dem mehrere Konkurrenten Interesse hatten. Gehalten werden sollte auch Kevin Stöger, ob das gelungen wäre, hätte der Österreicher sich nicht das Kreuzband gerissen, weiß niemand. Die schwere Verletzung dieses Basisspielers machte allerdings einen weiteren Transfer nötig. Fortuna ging dafür ein Leihgeschäft mit dem FC Chelsea ein:. Für den zentralen Mittelfeldspieler Lewis Baker, der bisher vor allem in der zweiten englischen Liga aktiv war, sicherte sich Düsseldorf eine Kaufoption. Mit Kevin Ofori ist ein weiterer talentierter Offensivmann zur Fortuna gestoßen. Der 18-jährige Ghanaer kommt aus einer Fußballakademie in seiner Heimat und konnte im Trainingslager der Düsseldorfer überzeugen.
Auch in der Defensive hat sich in Düsseldorf einiges getan. US-Nationaltorwart Zack Steffen sollte Michael Rensing Konkurrenz machen, hat nach dessen Verletzung in der Vorbereitung nun gar den Stammplatz zum Saisonstart sicher. Eingestielt, aber noch nicht vollzogen, ist der Wechsel von Simon Falette. Der Verteidiger, der gemeinsam mit Ibo Traoré beim Afrika-Cup für Guinea aktiv war, soll den nach Stuttgart zurückgekehrten Marcin Kaminski ersetzen. Die Besetzung der Abwehrzentrale ist gleichwohl immer noch eher dünn, weswegen Düsseldorf trotz dem Vernehmen nach lukrativer Angebote Kaan Ayhan und Robin Bormuth unbedingt halten will. Gehalten werden konnte auch der österreichische Linksverteidiger Markus Suttner. Der Routinier, der bisher von Brighton&Hove geliehen war, bleibt mindestens ein weiteres Jahr.

Wo gehen sie hin?

Die Länge des vorhergehenden Abschnittes macht deutlich, dass es große Unwägbarkeiten bei Fortuna Düsseldorf gibt. Zwangsläufig verändert sich der Kader stark. Mit Leihgeschäften und Transfers der Marke „gute Hoffnung“ muss Sportdirektor Pfannenstiel versuchen, den Kader konkurrenzfähig zu halten. Wenn die Neuen den Verlust von Raman und Lukebakio tatsächlich halbwegs kompensieren können und wenn die ruhige Art von Friedhelm Funkel gefragt bleibt, auch wenn es sportlich mal ein paar Wochen nicht läuft, sollte der Klassenerhalt abermals möglich sein.

Christian Spoo

 

"1899" Hoffenheim

Wo kommen sie her?

Aus der vermutlich besten, konstantesten und stringentesten Phase ihrer Vereinsgeschichte (sollte es in der Zeit zwischen 1899 und 2000 eine bessere Zeit gegeben haben, entzieht sich das allerdings der Kenntnis des Verfassers). In den drei Jahren unter Julian Nagelsmann zählte „1899“ Hoffenheim mit den Platzierungen 4, 3 und 9 zum oberen Mittelfeld der Bundesliga, also zu den Mannschaften, die hinter Bayern und Dortmund um die Qualifikation für die internationalen Wettbewerbe kämpfen. Dass in der letzten Saison nur Platz 9 heraussprang und die Qualifikation für den Europapokal knapp verpasst wurde, mag manchen enttäuschen, entsprach aber letztlich den – durch die Abgänge der Vorsaison limitierten – Möglichkeiten. In der letzten Zeit stimmten jedoch nicht nur die Resultate. Auch das, was man auf und neben dem Platz im Kraichgau zu sehen bekam, war relativ erfreulich, sodass beim Verfasser dieses Textes fast schon so etwas wie eine versöhnliche Stimmung gegenüber einem der an sich überflüssigen Konstrukte aufkam. Regelmäßig wurde den Hoffenheimern bescheinigt, neben den Bayern, Dortmund und Gladbach das letzte Team der Bundesliga zu sein, das sich der Fixierung auf das totale Pressing widersetzt und versucht, konstruktiven, offensiven Fußball zu spielen. Die Entwicklung talentierter Spieler wie Firminho, Süle, Demirbay und Amiri – um nur einige zu nennen – zu Stars der Liga und zu begehrten Einkaufsobjekten dies- und jenseits des Ämelkanals spricht ebenfalls für das glückliche Händchen, das die Verantwortlichen in Hoffenheim in den letzten Jahren hatten.

Was passiert gerade?

Vorbei das alles … Statt „Was passiert gerade?“ sollte man eher fragen: „Wer ist eigentlich noch da?“. Nagelsmann weg, Demirbay weg, Schulz weg, Joelinton weg, Amiri weg. Das ist ein gewaltiger Aderlass an Personen, die in den vergangenen Jahren so etwas wie das Gesicht der Mannschaft waren.
Neben dem neuen Trainer Alfred Schreuder, den man in Hoffenheim zwar als Co-Trainer von Huub Stevens und Julian Nagelsmann kennt, der aber mit Ausnahme eines Jahres bei Twente Enschede ohne jede Erfahrung als Cheftrainer ist, soll der Aderlass naturgemäß durch eine Vielzahl von Nezugängen aufgefangen werden. Deren prominentester ist mit Sebastian Rudy ein alter Bekannter, dessen Wechsel nach München und später Schalke erwartungsgemäß kein Riesenerfolg waren. Der teuerste Neuzugang ist wohl Robert Skov, ein 23jähriger dänischer Stürmer, der beim FC Kopenhagen mit 31 Toren in 56 Spielen notiert ist. Weiter zu nennen sind Konstantinos Stafylidis vom FC Augsburg, Ihlas Bebou aus Hannover, Sargis Aydaman und Philipp Pentke aus Regensburg. Hinzu kommen zurückkehrende Leihspieler wie u.a. Akpoguma, Grifo, Nordtveit, Ochs und Zuber.

Wo gehen sie hin?

Ins Ungewisse. Hoffenheim ist eine der Wundertüten der Liga. Findet sich unter dem neuen Trainer alles schnell zusammen, schlagen die Neuzugänge ein, haben die Rückkehrer einen besseren Stand als vor ihrer Leihe, dann, aber eben auch nur dann ist erneut eine Saison im oberen Mittelfeld der Liga möglich.
In diesem Fall könnte der Aderlass des Sommers 2019 rückblickend einfach nur als eine unvermeidbare Konsequenz aus dem Erfolg der letzten Jahre gesehen werden, vielleicht sogar als sinnvoller Schritt auf dem Weg, „1899“ Hoffenheim unabhängig von Zuwendungen der Familie Hopp zu machen.
Wahrscheinlicher ist aber, dass ein eher geschwächtes Team in die Saison 2019/20 geht, das weit weg von den Ambitionen der vergangenen drei Jahre agiert, andererseits jedoch für Abstiegskampf deutlich zu stark ist. Fraglich ist in dem Fall, wie das eher uninspiriert-anspruchsvolle Publikum, das in erster Linie unterhalten werden will, auf eine Saison der Bedeutungslosigkeit im Mittelfeld reagieren wird.

Uwe Pirl

 

Hertha BSC Berlin

Wo kommen sie her?

Trainer Pal Dardai ist in der vergangenen Saison zum Verhängnis geworden, dass er in der immer leicht hyperventilierenden Stadt zum wiederholten Male das Bestmögliche aus dem guten, aber nicht überragenden Kader geholt hat. Klingt komisch, ist es auch. Die Parallelen zu Dieter Heckings Schicksal sind nicht von der Hand zu weisen, wenngleich Dardai nicht in die etwas heuchlerischen Klagelieder seines Gladbacher und nun Hamburger Kollegen einstimmen wollte. Hertha begann die Saison überraschend stark, schlug zu Hause unter anderem die Bayern und eben auch Borussia nicht glücklich, sondern spielerisch überzeugend und verdient. In Berlin entfacht so etwas schnell Illusorisches, denn an der Spree kursiert schon länger die krude Vorstellung, dass die Hauptstadt doch gefälligst auch im Fußball einen Spitzenklub zu stellen habe – was im Basketball, Handball und im Eishockey schließlich auch funktioniere. Diese wirre Verbindung von Größe der Stadt und sportlichem Erfolg konnte schon mit gewissem Amüsement in Hamburg, Köln oder nun Stuttgart beobachtet werden.

Gehen musste Dardai auch, weil er bei jeder Gelegenheit dann auch noch offen aussprach, wo Hertha in der Bundesliga hingehöre. Diese offen zur Schau gestellte Akzeptanz des Mittelmaßes, wenngleich realistisch, übertrug sich auch auf die Mannschaft, die in der Rückrunde viele lustlose Kicks darbot. Das biss sich mit den Ideen von Herthas Marketingabteilung, die, getrieben von einer namhaften Agentur im Hintergrund, teils lächerliche Kampagnen rund um den Verein inszenierte.

Aber: Hertha ist ein Klub aus Berlin, aber Hertha ist eben nicht Berlin. Aus Markensicht ist es verständlich, dass der Klub von der vibrierenden, internationalen und immer teureren Stadt und deren „coolen“ Glanz profitieren möchte. Am Verein hängt jedoch bis heute ein wenig der 80er-Mief des reinen West-Klubs aus Charlottenburg, der in der Bundesliga-Geschichte weder national noch international Glanzlichter gesetzt hat. Oder haben Sie schon einmal einen Hertha-Fan außerhalb Berlins getroffen? Das wird der Verein durch den Aufstieg des Stadtrivalen Union nun noch mehr spüren, der wiederum mit seiner ganzen DNA die Zielgruppen qua natura anspricht, die Hertha trotz Agenturhilfe im Hintergrund und Kniefall im Mittelkreis nicht erreichen wird.

Was passiert gerade?

Der ehemalige Nachwuchstrainer Ante Covic soll nun als Dardais Nachfolger die erwünschte Entwicklung auf den Rasen bringen. Finanzinvestor Lars Windhorst, in der Vergangenheit nicht unbedingt ein Sinnbild für seriöses Wirtschaften, steigt mit satten 125 Millionen Euro ein. Was nur die halbe Wahrheit ist, denn zuvor hatte Hertha vom vorherigen Investor KKR dessen Anteile für knapp 71 Millionen zurückgekauft. Michael Preetz hofft demnach, dass die Millionen von Windhorst nun mehr Erfolg bringen als die Summen von KKR. Nun denn. Ach ja, ein neues Stadion soll noch her. Der Streit des Klubs mit dem Berliner Senat ist in der Lokalpresse seit Monaten im Wochentakt zu verfolgen. Mit großen Bauvorhaben haben es die Berliner ohnehin nicht so.

Sportlich wird die Hertha auch in dieser Saison einen mehr als soliden Kader besitzen, der durchaus das Zeug hat, positiv zu überraschen. Signifikante Abgänge sind bis auf Rechtsverteidiger Valentino Lazaro (zu Inter Mailand) nicht zu verzeichnen, auch wenn Innenverteidiger Niklas Stark in der Hauptstadt stets als erster Verkaufskandidat gilt. Auch Mittelfeldspieler und Liverpools Leihgabe Marko Grujic konnte gehalten werden. Zudem hatte Dardai in der Vergangenheit oft Erfolg mit dem Einbau junger Talente aus Herthas zugegebenermaßen hervorragenden Nachwuchsschmiede. Der Kader ist relativ jung, viele Stammspieler sind unter 25. Das ist in Sachen Erfahrung und Abgebrühtheit oft ein Nachteil, kann jedoch auch zum Vorteil werden, wenn die Jungs den berühmten nächsten Schritt schaffen. In den vergangenen Jahren mussten es vorne stets die alten Herren Ibisevic (34) und Kalou (33) richten. Michael Preetz ist es jedoch gelungen, nach dem international begehrten Talent Daishwan Redan (19, FC Chelsea) auch noch Ex-Fortune Dodi Lukebakio (21, FC Watford) an die Spree zu holen, den Windhorst-Millionen sei Dank. Da kann die Transferperiode im Sommer durchaus als Erfolg bewertet werden.

Wo gehen sie hin?

Wie jede Saison träumen Herthas Fans vor allem von einem: dem Pokalfinale im eigenen Stadion. Okay, dieses Jahr auch von Derbysiegen gegen Union Berlin. Das mit dem Pokalfinale wird auch in dieser Saison nichts, in der Bundesliga bleibt Hertha unter dem neuen Trainer Covic ein bisschen eine Wundertüte. Es fällt auf dem ersten Blick schwer, die Mannschaft unter die ersten 6 der Liga zu tippen, was letztlich aber keine Sache der Unmöglichkeit ist. Hertha gehört ohne Zweifel nach den Top 4 der Liga (Bayern, BVB, Leipzig & Leverkusen) zum Kreis der Mannschaften, die sich um die Plätze 5-10 balgen können – mit dem immer notwendigen Quäntchen Glück verbunden. Die Mannschaft ist weitestgehend eingespielt und mit viel Perspektive verstärkt worden. Dennoch bleiben viele Konjunktive und Unbekannte.

Bleibt es im Klub trotz ambitionierter Finanzinvestoren („Die Hertha kann wie andere Klubs in London oder Madrid zu einem echten 'Big City Club' werden“) ruhig, winkt tatsächlich die Qualifikation für Europa – was auch Platz 7 beinhaltet.

Mike Lukanz