„Wir spielen um unser Leben, denn wir haben ein Derby“. Wäre diese Ansage vor einer Woche gekommen, hätte sich niemand gewundert. Patrick Herrmann oder sogar ein in Sachen Gladbacher Befindlichkeiten gebriefter Marco Rose hätte so etwas sagen können und alle hätten anerkennend genickt. Derby. Wichtig. Samstag gilt’s. Die obenstehende Aussage ist allerdings erst in dieser Woche gefallen, getan hat sie der neue Trainer von Fortuna Düsseldorf, Uwe Rösler. Und in diesem Fall ist die Reaktion in Gladbacher Fankreisen weniger anerkennendes Nicken als ein leicht überhebliches Schulterzucken. Niedlich, diese Düsseldorfer. Wo doch jeder weiß, dass es nur ein rheinisches Derby gibt – nur sabinebedingt nicht am vergangenen Samstag sondern am 11. März.

Genau hier aber liegt das große Risiko. Dass vor dem Spiel eine gewisse emotionale Unwucht besteht, dass das Nachbarschaftsduell von Fortuna Düsseldorf als echtes Derby mit allem drum und dran, von Borussia dagegen wenn überhaupt als „kleines Derby“ mit dem Bonus der kürzesten Anfahrt betrachtet wird, hat eine gewisse Tradition, genau wie das, was dann kommt. In Düsseldorf hat Borussia zuletzt immer schlecht ausgesehen. In der Bundesliga ist der letzte Sieg 30 Jahre her, was allerdings dadurch begünstigt wird, dass Fortuna danach die meiste Zeit in anderen Ligen unterwegs war, als Borussia. Exemplarisch für die unterschiedliche Herangehensweise ist eher die Partie in der vergangenen Saison, als die vermeintliche Spitzenmannschaft von den Düsseldorfern geradezu überrannt wurde. 3:0 stand es nach 16 Minuten. Und auch in den folgenden 74 hatte Borussia nicht sonderlich viel zu bieten, zu mehr als einem späten Ehrentreffer langte es damals nicht. Borussia dürfte also gewarnt sein. Dennoch: Derbyfeeling mit Interruptus war letzte Woche. Ob es Marco Rose gelingt, sein Team auf die zu erwartende Leidenschaft und Aggressivität der Fortuna einzustellen, auch wenn die Stimmung im Umfeld lauwarm statt heiß ist, kann am Samstag Abend entscheidend sein.

Dass Fortunas neuer Trainer Uwe Rösler sein Team vor allem über Kampf und Leidenschaft zum Erfolg führen will, gilt unabhängig von der Frage Derby oder nicht. Vor allem zuhause müsse die Fortuna mutig spielen, wenn sie die Klasse halten will, sagte Rösler schon zum Auftakt seiner Tätigkeit als Nachfolger von Friedhelm Funkel vor knapp drei Wochen. Den Worten folgen durchaus auch Taten. Eintracht Frankfurt hatten die Düsseldorfer im einzigen Heimspiel unter Rösler am Rande einer Niederlage, kassierten eher unglücklich den Ausgleich. Es folgten ein schwer einzuordnender Erfolg im Pokal beim 1.FC Kaiserslautern und ein Unentschieden in Wolfsburg, wo andere, nominell bessere Bundesligisten in dieser Saison auch schon verloren haben. Wenn Borussia sich auf eins verlassen kann, dann also wohl darauf, dass sie auf einen galligen Gegner treffen wird.

Als Garanten für einen Düsseldorfer Aufschwung und den möglichen Klassenerhalt gelten die Mittelfeldspieler Kevin Stöger und Valon Berisha. Der österreichische Nationalspieler Stöger ist nach langer Verletzung zurück, der norwegische und kosovarische Berisha wurde in der Winterpause von Lazio Rom ausgeliehen. Beide sollen das Offensivspiel der Fortuna ankurbeln. Definitiv nicht dabei ist Torwart Zack Steffen. Der Amerikaner fällt wegen Knieproblemen möglicherweise sogar bis zum Saisonende aus. Ersetzt wird er aber nicht vom erfahrenen Michael Rensing sondern von Florian Kastenmeier. Für den spricht neben dem wohl perfekten Torhüternamen, dass er sich, nachdem er im ersten Rückrundenspiel ins kalte Wasser geworfen wurde, gut entwickelt hat. Bei seinem Debüt gegen Werder Bremen fabrizierte Kastenmeier ein Eigentor – es war das spielentscheidende. In den Spielen danach blieb er fehlerfrei. Ein kleines Fragezeichen steht vor dem Spiel gegen Gladbach noch hier Kaan Ayhan. Der Verteidiger musste wegen einer Muskelverletzung in Wolfsburg raus, konnte zuletzt aber wieder voll trainieren. Schon festgelegt hat sich Rösler zudem, dass Neuzugang Mathias Jörgensen in der Innenverteidigung beginnen wird. Der Norweger war gegen Wolfsburg für Ayhan eingewechselt worden und hatte ein ordentliches Debüt gegeben. Nicht dabei ist definitiv David Kownacki. Der polnische Stürmer fällt wegen einer Innenbandverletzung noch für längere Zeit aus.

Wo steht Borussia im Moment? Nach der zweiwöchigen vom Sturm erzwungenen Pause ist das naturgemäß schwer zu sagen. Gegen Leipzig gab es 60 Minuten lang mit die beste Saisonleistung, die Partie aber endete mit Tiefschlägen, die Spuren hinterlassen haben könnten. Die Möglichkeit, sich mit einem Sieg gegen Köln Sicherheit zu holen, gab es nicht. Jetzt wartet ein aus erwähnten Gründen unangenehmer Gegner. Positiv ist, dass sich die Personalsituation entspannt hat. Christoph Kramer und Tony Jantschke, die gegen Köln noch hätten passen müssen, sind dabei. Kramer ist dabei definitiv ein Kandidat für die erste Elf. Noch zu früh kommt ein Einsatz vermutlich für Ramy Bensebaini. Der Ausfall des Linksverteidigers erwies sich beim Spiel auf Schalke als fatal, weil Ersatzmann Oscar Wendt einen rabenschwarzen Tag hatte. Gegen Leipzig allerdings machte Wendt ein Riesenspiel, freilich war er wegen der Umstellung auf Dreierkette defensiv weniger gefordert als in den Spielen davor. Gegen Düsseldorf ist die „traditionelle“ Taktik mit Viererkette zunächst die wahrscheinlichere Variante, davon abgesehen wird es aber tatsächlich vor allem darauf ankommen, das Spiel von Beginn an mit dem nötigen Ernst und einer guten Portion Grundaggressivität anzugehen. So ein bisschen, als wäre es ein Derby.

Mögliche Aufstellungen

Düsseldorf: Kastenmeier – Ayhan, Jörgensen, Suttner – Zimmermann, Morales, Thommy – Stöger, Berisha – Ampomah, Hennings

Borussia: Sommer – Lainer, Elvedi, Ginter, Wendt – Zakaria, Kramer – Hofmann, Herrmann – Embolo, Thuram

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz kommt Borussia mit dem Düsseldorfer Spiel nicht zurecht. Am Ende ist man froh, beim 1:1 wenigstens ein Pünktchen mitgenommen zu haben.

Mike Lukanz: Spitzenteam trifft Abstiegskandidaten, Spitzenteam spielt nicht gut, Abstiegskandidat kratzt und beißt. Spitzenteam gewinnt 2:0

Claus-Dieter Mayer: Auswärts bei der Fortuna gewann Borussia zuletzt in den frühen 90er Jahren ein Bundesligaspiel. Irgendwie schafft es Marco Rose dem Team aber einzutrichtern, das sei hier ein Europapokalspiel und der Gegner wäre gar nicht Düsseldorf sondern Dynamo Kiew, Roter Stern Belgrad oder Real Madrid. Mit dieser Psychofinte langt es letztendlich zu seinem 3:1 Auswärtssieg.

Uwe Pirl: Borussia ist Favorit und wird dieser Rolle gerecht. Zäh wird es trotzdem, der 2:1 Auswärtssieg ist durchaus schwer erkämpft.

Michael Heinen: Aus den letzten fünf Bundesligaspielen in Düsseldorf hat Borussia nur zwei Punkte geholt. Auch an diesem Samstag wird es wieder schwer und es reicht leider nur zu einem 1:1 Unentschieden.

Thomas Häcki: Die letzten Spiele gegen die Fortuna waren unangenehm und auch dieses wird nicht leicht. Am Ende nehmen die Borussen mit einem 2:1 dennoch die Punkte mit.