Samstagabend, Halbzeit in Leipzig, Borussia Mönchengladbach führt 2:0 gegen die Mannschaft, deren Namen ich nicht ausspreche und die nichts mit der Stadt zu tun hat, in der sie spielt. Schon zu diesem Zeitpunkt fühlte sich das an, wie ein vorzeitiges, aber extrem unverdientes Ostergeschenk. Bestenfalls konnte man der Elf vom Niederrhein eine herausragende Effizienz bescheinigen. Aber schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass es – blieben die Spielanteile in etwa gleich – nicht gut gehen konnte mit der Verteidigung des Vorsprungs. Zu überlegen war die Vertriebsabteilung des Brauseherstellers schon in der ersten Halbzeit, zu untauglich die Versuche von Borussia Mönchengladbach, sich aus dem aggressiven Pressing des Gegners – meist mit drei Mann auf den Ballführenden – spielerisch zu befreien. Signifikant einige sich wiederholende, mir im Gedächtnis gebliebene Szenen von Thuram und Embolo, in denen diese sich nach einer Gladbacher Balleroberung anstelle eines für einen kurzen Moment möglichen, raumöffnenden Quer- oder Diagonalpasses in einen Infight mit drei „Rasenballsportlern“ verwickeln ließen und diesen – natürlich – verloren. Gerade in diesen Szenen wurde deutlich, was der Mannschaft im Moment fehlt: Selbstvertrauen, Handlungsschnelligkeit und Passgenauigkeit. Zudem wirkt die Mannschaft – salopp ausgedrückt – platt. Insbesondere in Sachen Handlungsschnelligkeit und Passgenauigkeit waren wir schon mal weiter, sowohl im letzten Jahr unter Rose, insbesondere aber – man verzeihe mir den Quasi-Dortmunder Reflex, alles mit einem nicht mehr anwesenden Erfolgstrainer zu vergleichen – in den Jahren unter Lucien Favre. Genau das hätte es aber gebraucht, um Saurons Heer am Samstag in Verlegenheit zu bringen. Eine Mannschaft, die mit drei Spielern den jeweils ballführenden Gegner attackiert, öffnet zwangsläufig Räume, die man – entsprechende Präzision vorausgesetzt – bespielen könnte (auch das ein Grund, warum ich den RedBull-Stil auf internationaler Ebene für eine kraftraubende Sackgasse halte, denn beispielsweise in der Champions League gibt es genug Mannschaften, die hierfür die spielerischen Mittel haben). Borussia Mönchengladbach jedoch ist das am Samstag zu keinem Zeitpunkt gelungen.

So stand am Ende – auch wenn es schwerfällt das zu schreiben – ein hochverdienter Sieg für Mordor, da half auch das – unberechtigte – Reklamieren nach dem späten Tor zum 3:2 nichts mehr.

Gibt es Positives, was man aus dem Spiel mitnehmen kann? Nicht viel. Jordan Beyer hat sich für erneute Einsätze empfohlen. Gleiches gilt für Lazaro. Wolf hat eines seiner besseren Spiele für Gladbach gemacht (wobei dazu jedenfalls bisher nicht allzu viel gehört). Sommer hat gehalten, was zu halten war, eine seiner stärksten Leistungen in dieser Saison.

Ein Aufbauprogramm für das Pokalspiel sieht dennoch anders aus. Deshalb darf dem Dienstagabend durchaus mit Bangen entgegengesehen werden. Ein Selbstläufer wäre dieses Spiel natürlich zu keiner Zeit, aber es gab auch schon deutlich bessere Ausgangslagen für ein Spiel gegen Dortmund.

Dortmund kommt gerade wieder in Fahrt und hat die letzten drei Spiele gewonnen (auch wenn das dieser Tage erneut ein absurdes Theater aufführende Schalke und Bielefeld möglicherweise kein Maßstab sind). Lob heimste in den letzten Spielen insbesondere Mo Dahoud ein, der wahlweise als alleiniger Sechser oder auf einer Doppelsechs neben Delaney für belebende spielerische Momente sorgen konnte.  

Borussia Mönchengladbach hingegen ist unübersehbar in der Krise. Was in diesen Tagen verbal aus Mönchengladbach kommt – siehe die Interviews nach den Spielen – klingt stark nach Durchhalteparolen, weckt jedoch nicht gerade die Hoffnung, dass der Bock demnächst umgestoßen werden könnte (um mal bei den gängigen Floskeln zu bleiben). Für das Pokalspiel dürfte wieder nach Kräften rotiert werden, in Richtung der nominellen Bestbesetzung, also mit Kramer, Neuhaus, Stindl und Plea in der Startelf, ggf. auch Lainer, wenn er wieder fit sein sollte. Taktisch stehen eine Dreier- bzw. Fünferkette aus Ginter, Zakaria und Elvedi sowie Lazaro und Bensebaini auf den Außenpositionen oder etwas offensiver die gängige Viererkette mit Bensebaini, Elvedi, Ginter und Lainer zur Auswahl. Im ersten Fall müsste einer der Offensivspieler (Thuram oder Plea?) weichen, im zweiten Fall vermutlich Zakaria.  

Wie auch immer die Aufstellung am Dienstag lautet: Soll die Hoffnung auf etwas „Blechernes“ weiterleben, braucht es eine erhebliche Leistungssteigerung im Vergleich zum Samstag.

Der SEITENWAHL-Tipp:

Uwe Pirl: Sich auf die Pokalwettbewerbe zu konzentrieren und die Bundesliga quasi nebenherlaufen zu lassen, erweist sich spätestens am Dienstag als falsche Strategie: Es wird eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe, die mit maximalem Drama im Elfmeterschießen endet. Wer dort gewinnt? Borussia wäre nicht Borussia, wenn das gelänge: 9:8 für die Falschen ...

Mike Lukanz: Es ist eine Win-Win-Situation für Trainer Marco Rose. Er ist aber der Einzige auf Seiten der Gastgeber, der gewinnen wird. Dortmund gewinnt recht mühelos 2:0.    

Christian Spoo: Marco Rose sichert sich die Euro-League-Teilnahme und die Saison für Borussia ist nach dem 1:3 endgültig im A.

Thomas Häcki: Nachdem die Borussia sang- und klanglos mit 1:4 aus dem Pokal ausscheidet, wird es immer offensichtlicher das ein Festhalten an Rose zwar ehrenvoll ist, aber das Mindestziel massiv gefährdet. Marco Rose erscheint zunehmend überfordert.  

Christian Grünewald: Kaninchen vor der Schlange, dritter Teil. 1:4