leverkusen neu

Das zehnte Jahr in Folge spielt die Borussia nun in der oberen Hälfte der Bundesligatabelle mit sicherem Abstand vor den Abstiegsplätzen. Was in den Nuller Jahren noch als paradiesischer Zustand angesehen worden wäre, ist allerdings heute nicht mehr genug für die Elf vom Niederrhein: Selbst der zumindest extern gern tiefstapelnde Max Eberl hat schon lange nicht mehr von „Einstelligkeit“ geschwärmt; die Ansprüche sind – völlig zu Recht – gestiegen in Mönchengladbach. Umso ernüchternder wirken die Ereignisse im und um den Verein in den letzten Wochen: Rein sportlich ist man dabei die Saisonziele zu verpassen: In der Liga heißen die Tabellennachbarn auf einmal Freiburg und Stuttgart, im Pokal schied man aus und in der Champions-League wird man das demnächst auch tun. Schlimmer allerdings – und schwer vom sportlichen Misserfolg zu trennen – ist die Unruhe, die der angekündigte Abgang von Trainer Rose nach Dortmund erzeugt hat. Das Umfeld ist höchst angespannt: Ein eigentlich harmloses Bild von Co-Trainer Maric Arm im Arm mit Dortmund-Stürmer Haaland reicht für einen Shit-Tsunami in den asozialen Netzwerken; im Moment macht es nicht so richtig Spaß Gladbach-Fan zu sein.

Aber auch wenn Redaktionskollege Christian Spoo die Saison für sich persönlich in seinem Artikel zum Pokal-Aus die Saison für beendet erklärt hat, zeigt sich die DFL mal wieder stur, ignoriert die Seitenwahl-Direktiven und zeigt auf seinem Spielplan an, dass Borussia gefälligst am Samstag gegen Bayer Leverkusen zu spielen habe. Ausgerechnet Leverkusen! Jenes Team, das in den vergangenen 10 Jahren der nächste Konkurrent der Borussia war. 1.69 lautet der Punkteschnitt der Werkself in den Spielzeiten seit 2011, 1.6 der von Borussia. Besser waren nur Bayern und der BVB, als Nächstes dahinter kommt Wolfsburg mit schon etwas Abstand (1.46). Immer wieder kämpften beide Teams im direkten Vergleich um Champions-League Plätze: mal hatte die Borussia die Nase vorn (11/12,14/15,19/20), mal die Leverkusener (13/14, 18/19). Vor nur 5 Spieltagen sah es noch ganz so aus, als sollte sich dieser Zweikampf auch dieses Jahr fortsetzen: Leverkusen lag auf Platz 3 der Tabelle, Borussia nur einen Punkt dahinter auf Rang 5. Nun rangeln sich am Samstag der sechste und neunte der Tabelle um einen Platz in der Europa-Conference League, so schnell kann es gehen.

Ein Nachteil aufseiten der Leverkusener ist, dass sie im Gegensatz zu den Gladbachern gar nicht so genau wissen, warum sie jetzt in einer Krise stecken. Während man bei der Borussia bequem jedes schlechte Ergebnis, jede Formschwäche eines Spielers und zur Not auch das Wetter auf den bösen Trainer schieben kann, wirkt man in Leverkusen etwas ratlos. Noch im Dezember stand man nach dem 12. Spieltag ohne Niederlage auf dem ersten Platz, wurde Peter Bosz von der Presse gefeiert, seitdem gab es in 11 Spielen nur noch 9 Punkte (Borussia holte im gleichen Zeitraum immerhin 15 Zähler). Die Gründe sind nicht einfach zu erkennen (Toby Escher hat sich jüngst bei 11 Freunde ein paar Gedanken dazu gemacht: https://11freunde.de/artikel/pillenknick/3387920?utm_source=in_article&utm_medium=web&utm_campaign=related), ein Faktor ist mit Sicherheit eine hohe Anzahl von Ausfällen. Auch am Samstag werden die längerfristig verletzten Arias,Baumgartlinger, Hradecky, Paulinho und Lars Bender fehlen. Dazu kommt noch eine Gelbsperre bei Bailey, die Covid-Erkrankung von Wirtz und nun auch noch ein Muskelfaserriss Sinkgravens. Zwar ist auch das letzte Aufgebot Bayers vor allem im Mittelfeld mit Araguiz Amiri und Demirbay gut besetzt, aber insgesamt sind Peter Boszs Möglichkeiten momentan eingeschränkt.

Auf Gladbacher Seite fallen Lars Stindl (Gelbsperre) und Christoph Kramer (Bänderverletzung im Training) aus, aber es bleibt abzuwarten, ob Rose nach dem Pokalspiel unter der Woche noch mehr rotiert, wobei sich die formschwachen Neuhaus und Plea vielleicht am ehesten anbieten. Es ist unklar, was man im Moment von der Mannschaft erwarten kann oder darf. Die Unruhe im und um den Verein gepaart mit der Ergebniskrise gehen nicht spurlos am Team vorbei, auf der anderen Seite trifft man auf einen ebenfalls angeschlagenen Gegner. Die Wichtigkeit der Partie muss man kaum betonen: Ein Sieg würde nicht nur tabellarisch zumindest die EL-Qualifikation wieder näherbringen, sondern könnte auch die Wogen rund um den Borussia-Park etwas glätten. Bei ausbleibendem Erfolg hingegen könnte es für die verbleibenden 10 Spieltag dann aber tatsächlich nur noch um die goldene Ananas (Einstelligkeit!) für den Verein gehen. Aber selbst dann wird die DFL wohl kaum ein Einsehen haben, denn ein rascher Blick auf den Terminkalender zeigt, dass am Freitagabend schon wieder ein Ligaspiel ansteht. Ausgerechnet in Augsburg!

 

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Totgesagte leben länger. Eine gallige Borussia schafft es frühzeitig, verunsicherte Leverkusener unter Druck zu setzen und gewinnt am Ende verdient mit 3:1.

Christian Spoo: Zwei Mannschaften in der Krise treffen sich, eine Mannschaft ist auch danach in der nämlichen. Leider handelt es sich dabei um Borussia. Die verliert das Spiel mit 0:2.

Uwe Pirl: Zwei Mannschaften in der Krise treffen sich. Das 3:3 ist für den neutralen Beobachter toll, beendet aber keine der beiden Krisen wirklich.

Mike Lukanz: Gleichwohl beide Klubs kriseln, so schafft es Leverkusen, das besser zu verstecken als Borussia. Das 2:0 der Gäste wird der vorläufige Schlusspunkt einer Phase, die sämtliche Saisonziele Borussias binnen weniger Wochen pulverisiert. Es ist ein hoher Preis, den der Verein für seine Nibelungentreue bezahlt.

Michael Heinen: Wenn zwei Krisenklubs sich streiten, freut sich am Ende keiner. Das 2:2 ist für beide Klubs zu wenig. Es hält aber immerhin noch die Hoffnung auf ein Treffen mit dem FC Liverpool in der einzig wahren CL am Leben.

Thomas Häcki:Zwei Krisenclubs treffen aufeinander. Wenn die Mannschaft auch nur ansatzweise aus der Situation seit Dienstag gelernt hat, wird sie nun alles daran setzen in der Liga den Schaden zu begrenzen und Bayer mit 2:1 schlagen. Ansonsten gibt es keinen Grund mehr, den Trainer nicht sofort freizustellen.