leverkusen neuÜber dem Wechsel von Marvin Friedrich zu Borussia Mönchengladbach und die damit einhergehenden kommunikativen Nebengeräusche ist der Sieg in München in der öffentlichen Wahrnehmung rund um die Fohlenelf fast schon ein bisschen in den Hintergrund getreten. Gut so! Denn nichts ist wertloser als der Sieg vom vergangenen Wochenende (ausgenommen natürlich die Erinnerung an die Gesichter von Müller und Nagelsmann nach dem Spiel). 

Morgen Abend steht ein neues Spiel gegen Bayer Leverkusen an, in dem Borussia etwas gutzumachen hat. Denn das Hinspiel in Leverkusen war eines der (zahlreichen) Spiele in dieser Saison, mit denen man als Anhänger des Vereins überhaupt nicht zufrieden sein durfte. Das keine leichte Aufgabe auf die Borussia aus Mönchengladbach zukommt, dürfte jedem klar sein. Bayer Leverkusen belegt mit 29 Punkten momentan Platz 5 und rangiert damit ungefähr im Rahmen der Erwartungen, vermutlich zuversichtlich, die Überraschungsteams aus Hoffenheim und Freiburg noch von den Champions-League-Plätzen verdrängen zu können. Leverkusen fällt in dieser Saison – wie eigentlich immer in den letzten Jahren – durch einen schnell nach vorn getragenen Offensivfußball auf, der allerdings durch den neuen Trainer um ein paar neue Elemente – vor allem mehr Aggressivität – bereichert wurde. In manchen Spielen, z.B. auch im Hinspiel gegen Gladbach , artete das zu einer unangenehmen Überhärte aus. Wie auch immer – auch diese neuen Elemente haben nicht unbedingt zu mehr Konstanz geführt: Spektakulären Siegen wie dem Hinspiel gegen Gladbach oder dem 7:1 gegen Fürth stehen Einbrüche wie beim 2:5 gegen Eintracht Frankfurt, weitere verspielte Führungen sowie eine traditionell hohe Niederlage gegen den FC Bayern gegenüber. So wird man in Leverkusen mit dem Status Quo zufriedener sein als in Gladbach, aber nicht uneingeschränkt zufrieden.

Personell hat man in Leverkusen derzeit keine größeren Sorgen, auch wenn mit Aranguiz und Baumgartlinger zwei Langzeitverletzte nach wie vor und mit Paulinho ein Corona-Erkrankter ausfallen. Man wird ungeachtet dessen eine namhafte Elf auf den Platz schicken, in der vor allem auf die schnellen und variablen Offensivspieler Demirbay, Diaby, Bellarabi, Wirtz und Schick zu achten sein wird.

Für Borussia Mönchengladbach wird es wichtig sein, dieser Offensivpower geordnet zu begegnen und Leverkusen nicht ins offene Messer zu laufen. Hurrafußball ist gegen diesen Gegner fehl am Platze, kontrollierte Offensive wahrscheinlich die richtige Variante. Zu vermeiden sind in jedem Fall fahrlässige Ballverluste im Vorwärtsgang. Aus diesem Grund ist die Entscheidung von Adi Hütter zu begrüßen, Florian Neuhaus eine Reihe weiter nach vorne zu ziehen und aus diesem Grund wäre es auch hilfreich, wenn Christoph Kramer einsatzbereit wäre, der zwar nicht so spektakulär spielt wie Denis Zakaria, dessen Fehlerquote aber deutlich geringer ist und der auch sichtbar mehr Struktur ins Gladbacher Spiel bringt. Spannend ist natürlich, wie die Abwehrkette aussehen wird: Im Grunde wäre alles andere als das sofortige Debüt von Marvin Friedrich eine Überraschung, sodass wir vermutlich Friedrich, Ginter und Elvedi in einer Dreierkette zu sehen bekommen. Lainer und Netz haben auf den Außenpositionen gegen die Bayern überzeugt, ebenso Neuhaus, Stindl. Bleibt die Frage nach der Besetzung der vorderen Front. Hier stehen Plea, Embolo und Thuram zur Auswahl. Diese Entscheidung ist schwierig. Embolo pendelt zwischen Weltklasse und Kreisklasse und provozierte Stefan Kuntz im Spiel gegen die Bayern zu der – zutreffenden – Bemerkung, dass ein Stürmer nicht nur viel laufen solle, sondern auch intelligente Laufwege brauche. Das ist bei Embolo eher seltener der Fall. Allerdings stimmt bei Embolo der Einsatz, wohingegen die deutlich spielintelligenteren Thuram und mit Abstrichen auch Plea in den letzten Wochen eher durch Lustlosigkeit und negative Körpersprache auf dem Platz aufgefallen sind. Wenn es die glaubhafte Aussicht gibt, dass alle gleichermaßen mit nach hinten arbeiten und die Kollegen nicht hängen lassen, ist Borussia wahrscheinlich mit Thuram oder Plea stärker. Wenn nicht, sollte Embolo den Vorzug erhalten und versuchen, durch seine körperliche Präsenz mehr die Gegner zu ärgern als seine Mitspieler durch seine manchmal wirren Laufwege.

Schafft die Mannschaft den Tournaround und siegt auch gegen Leverkusen, könnte das so etwas wie die Wende in der bisher so enttäuschenden Saison sein. 

Der SEITENWAHL-Tipp:

Uwe Pirl: Soll man wirklich hoffen, dass  die Mannschaft endlich begriffen hat, dass es ohne hundertprozentigen Einsatz und Teamplay nicht geht? Wenn ja, dann schlagen sie Leverkusen 3:1. Wenn nein, gilt der Tipp von Christian Spoo.

Thomas Häcki: Wir wissen doch, wie es nach Siegen gegen die Bayern generell und gegen Bayer zu Hause speziell läuft. Nach dem 1:2 sind die Probleme allgegenwärtig.

Christian Spoo: Nach einem Erfolg gegen Bayern folgt immer die Ernüchterung. Aber es ist nicht allein diese Regel, die mich an eine Niederlage glauben lässt. Für eine nachhaltige Erholung spricht einfach zu wenig. Und die Einlassungen von Eberl und Hütter wirken nach wie vor wie Durchhalteparolen, wie das Pfeifen im Walde. Leverkusen muss nicht viel aufwenden, um mit 2:0 zu gewinnen.

Michael Heinen: Früher war die Partie Gladbach - Bayer eine sichere Bank für ein Unentschieden. In den letzten 9 Jahren gab es aber stets einen Sieger. Es wird Zeit, dass die gute, alte Tradition wiederbelebt wird. Borussia und Leverkusen trennen sich daher 2:2.