„It’s better to burn out, than to fade away“, so beschrieb einst der große Jammerlappen des Rock’n’Roll, Neil Young, den vermeintlich perfekten Weg, zu gehen. Bei Borussia endet die Ära Max Eberl aber eher so wie wie T.S. Eliot einst das Ende der Welt imaginierte: „Not with a bang but a whimper“. Der „Eberl-Knall“, den auf Knalleffekte abonnierte Medien vernommen haben wollen, ist bei naher Betrachtung keiner. Es ist nicht wie ein Ballon, der laut platzt, sondern eher wie einer, der mit hässlichen Furzgeräuschen noch eine Weile unkontrolliert herumeiert – und am Ende schlaff auf dem Boden liegen bleibt.

Es war etwas im Busch, das spürte man als interessierter Beobachter Borussias seit langem. Max Eberl wirkte nicht erst in den letzten Tagen verändert. Einen kämpferischen Max Eberl hatten wir zuletzt nach der bereits missratenen vergangenen Saison erlebt, als er sich in der Sache Rose doch noch zu einem „mea culpa“ durchringen konnte und die bereits aufgekommenen Irritationen für eine Weile in den Hintergrund traten. Den „neuen“ Eberl lernten wir schon kennen, nachdem Marco Rose seinen vielzitierten Haufen auf Eberls Baby Borussia machte. Der neue Eberl war oft dünnhäutig, trotzig, wenig souverän. Nachdem der Turnaround unter Adi Hütter, dessen Verpflichtung schon ein unborussisches Geschmäckle hatte, nicht gelang, mehrte sich die Kritik von außen und es wurde offensichtlich, dass Kritik nichts ist, mit dem der neue Max Eberl umzugehen verstand. Neben der Kritik von außen gab es erstmals überhaupt auch Kritik von innen. Auch wenn es boulevardesk anmutet: Eberls Verstoß gegen die guten innerbetrieblichen Sitten oder Neudeutsch Compliance und dessen Konsequenzen spielten eine gewichtige Rolle bei seiner Demission. Spätestens ab dem 12. Januar war es ganz vorbei mit der Tätigkeit Max Eberls. Es folgte noch der „Seht her, ich bin fertig mit Borussia“-Auftritt vor dem Hannover-Spiel. Dann dämmerte auch dem Letzten: Das hier geht nicht gut aus.

Die Entscheidung, dass Max Eberl Borussia Mönchengladbach verlässt, soll schon länger festgestanden haben. Es gerüchtelte in der Tat schon seit Monaten. Wann nun wer was entschieden hat, ist im Nachgang fast egal. Die Huhn-Ei-Frage dürfte sich nicht klären lassen: Ist Borussia abgestürzt, weil Max Eberl seinen Job nicht mehr richtig gemacht hat, oder konnte Max Eberl seinen Job nicht mehr richtig machen, weil Borussia aufgrund der äußeren Umstände abgestürzt ist? Corona und die große Enttäuschung aus Probstheida sind da zu nennen. Der Weg des Sportdirektors war allerdings schon länger nicht mehr der, den er einst eingeschlagen hatte und auf dem Verein und Anhängerschaft ihm lange begeistert gefolgt waren. Das Verlassen der Leitplanken und den Unwillen, wieder dazwischenzufinden, hatten wir hier zuletzt schon thematisiert. Hatte Eberl erkannt, dass der Weg zwischen den Planken eine Sackgasse war? Zuletzt hatte er auffällig oft die fehlenden finanziellen Möglichkeiten nicht nur beschrieben, sondern beklagt. Das alte Grashoff-Prinzip, dem sich auch der aktuelle Geschäftsführer verpflichtet fühlt, passt nicht in die Fußballwelt des 21. Jahrhunderts. Nun gefällt auch uns bei SEITENWAHL die Fußballwelt des 21. Jahrhunderts nicht übermäßig, aber in der bewegt sich Borussia nun mal und in der hatte Max Eberl vor, eine andere Rolle zu spielen, als die des teilnehmenden Beobachters. Mit seiner Demission gilt: Die Rolle, die Borussia spielen kann und will, muss neu definiert werden. Es stellt sich eine Grundsatzfrage, die zurzeit auch gesamtgesellschaftlich diskutiert wird: Lohnt sich solides Haushalten in Coronazeiten? Ist konservatives Finanzgebaren im Turbokapitalismus noch zeitgemäß? Oder, auf Fußball bezogen: Bedeutet mehr Grashoff automatisch weniger sportlichen Erfolg? Stoff Genug für zwanzig weitere Artikel. Und die kommen: Mehr Rückschau, Würdigung und Analyse folgen bei SEITENWAHL zeitnah.

Schauen wir kurz nach vorne: Das Auszucken der Ära Eberl erfolgt zum ungünstigst denkbaren Zeitpunkt. Borussia steht vor einem Umbruch. Und genau zu dieser Zeit ist der Verein ohne Führung. Denn hinter Max Eberl kommt ganz lange nichts. Das haben wir hier erst am Morgen vor Eberls Demission dargelegt. Die aktuelle Transferperiode hätte schon wichtig sein können, um überhaupt sicherzustellen, dass man im Sommer die Chance zum Neuaufbau hat und nicht aus dem Nichts ein Zweitligateam zusammenpuzzeln muss. Nun ist sie fast vorbei und selbst wenn noch Geld für einen oder zwei Spieler reinkommen sollte, gibt es kaum Möglichkeiten, das auch erfolgversprechend und umgehend zu reinvestieren. Dass die Verantwortung für den Umbau jetzt in den Händen von Männern liegt, die sich um diesen Job nicht gerissen haben und die nie in die vorderste Reihe gedrängt haben, ist unschön, aber nicht zu ändern. Können Steffen Korell und Roland Virkus potenziellen Neuzugängen oder Spielern, die bleiben sollen, das vermitteln, was Max Eberl so gut konnte? Sein Bemühen, Amballbleiben, seine Überzeugungskraft haben bei fast allen Transfers, viele davon sehr erfolgreich, eine entscheidende Rolle gespielt. Wie aber soll man Spieler von etwas überzeugen, von dem im Moment niemand weiß, was es sein wird? Die Aussichten sind nicht rosig.

Für die kommenden vier Monate gilt jetzt. Augen zu und durch. Irgendwie die noch nötigen Punkte holen. Auch wenn Fußball, im Sinne eines Spiels von 22 Menschen, die einen Ball ins Tor schießen wollen, in den vergangenen Tagen bei Borussia nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat: Wirklich wichtig ist tatsächlich jetzt erst einmal aufm Platz.