seitenwahl 20211016 AJ7X5917Die gedanklich formulierte Überschrift dieses Beitrages wechselte gestern während des Spiels mehrfach. Nach dem Führungstor zum 1:0 stand da „Ein geiles Tor!“. Nach dem 2:0 „Effizienz schlägt Aufwand“. Nach dem Anschlusstreffer wechselte ich auf „Zittersieg“ um nach dem Ausgleich zwischen „Ein verschenkter Sieg“ und „Zwei verlorene Punkte“ zu schwanken. Am Ende steht, dass das Team von Borussia Mönchengladbach gestern Abend eine brutale Lektion darüber erhalten hat, mit welcher Mentalität man ein Bundesligaspiel angehen muss und was möglich ist, wenn man trotz eines frühen und deutlichen Rückstandes entschlossen bleibt, das eigene Spiel durchzuziehen und sich gegen die Niederlage (und den damit einhergehenden Verlust des Kontakts zu den Nichtabstiegsplätzen) zu stemmen.

Dieser Stuttgarter Mannschaft stand ein Gladbacher Team gegenüber, dass einmal mehr versuchte, sich auf die unbestreitbar vorhandene fußballerische Klasse zu verlassen und ansonsten so ökonomisch wie möglich agierte. Tatsächlich schien anfangs der Plan, gegen Stuttgart tiefer zu stehen und Nadelstiche nach vorn zu setzen, brillant aufzugehen. Beide Tore resultierten aus schönen Spielzügen, insbesondere der Führungstreffer von Plea war – wenn auch nicht ganz unhaltbar – in der Entstehung ein Augenschmaus. Aber schon in dieser Phase war deutlich sichtbar, dass es ein Spiel mit dem Feuer sein würde, sich auf eine Verwaltung des Vorsprungs zu beschränken, was mich in einer Whatsapp-Gruppe zu dem Statement veranlasste, dass ich erst dann an einen Sieg glaube, wenn Gladbach 6:0 führt. Dazu kam es bekanntlich nicht. Dies insbesondere deshalb, weil beide Außenverteidiger, sowohl Bensebaini als auch Scally einen rabenschwarzen Tag erwischt hatten und auf ihren Seiten wieder und wieder überrannt wurden. Unerklärlich in diesem Punkt die Passivität des Trainers, der eigentlich spätestens in den Minuten vor der Halbzeitpause hätte sehen müssen, dass Joe Scally an diesem Tag komplett überfordert war. Klar, es gab keinen weiteren Rechtsverteidiger im Kader. Andererseits wäre es wohl durchaus eine Option gewesen, Herrmann oder Embolo einzuwechseln und Hofmann auf die Position zurückzuziehen, die dieser in der Nationalmannschaft durchaus nicht unerfolgreich spielt. Und auch unter der Prämisse, dass es der Plan gewesen sein soll, ein bisschen tiefer zu stehen – es kann nicht der Plan gewesen sein, bei eigenem Ballbesitz so tief zu stehen, dass Sommer, Ginter und Elvedi schon vor dem eigenen Fünfmeterraum kaum noch Platz haben, sich den Ball zuzuschieben, andererseits dann aber aus heiterem Himmel so weit aufzurücken, dass die eigene Viererkette plötzlich an der Mittellinie steht und in diesen Situationen immer wieder mit einem einfachen langen Ball überspielt und überlaufen wird. So nahm das Unheil in der zweiten Halbzeit in einer Form seinen Lauf, die an Frontzecks vorletztes Spiel als Trainer von Borussia Mönchengladbach erinnerte, eine 2:3 Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart.

Beunruhigend schließlich die Analysen des Kapitäns Yann Sommer und des „Pressesprechers“ (ich meine die Titulierung absolut positiv, weil es nicht einfach ist, nach solchen Spielen unangenehme Fragen schlüssig zu beantworten, Kramer macht das ohne Zweifel gut) Christoph Kramer nach dem Spiel. Unklar, ob Kramers Hinweis darauf, dass man in Zukunft besser vor dem Spiel Dinge bespricht, statt nach dem Spiel die Fehler zu erklären, eine Spitze gegen den Trainer und ein Hinweis auf eine mangelhafte Spielvorbereitung sein sollte. Verstehen konnte man es so und wenn das zuträfe, wäre Hütter eigentlich nur noch schwer haltbar. Klar ist aber auch, dass es hier nicht zwingend nur ein Trainerproblem gibt, sondern dass es – so Kramer – auch 1000 Baustellen in der Mannschaft gibt, Kramer benannte ausdrücklich „fehlende Leidenschaft und Grüppchenbildung“ als zutreffende Vorwürfe. Angesichts dessen muss man sich für den Rest der Saison echte Sorgen machen.

 

Korrekturhinweis: Ursprünglich war am Ende des vorletzten Absatzes von Frontzecks letztem Spiel die Rede. Da habe ich die Reihenfolge der Niederlagen gegen Stuttgart und St. Pauli anno 2011 verwechselt. Gemeint war das Spiel gegen Stuttgart und entsprechend wurde der Absatz korrigiert.