Borussia Mönchengladbach gegen die Vertriebsabteilung eines österreichischen Getränkeherstellers: Auf der einen Seite taktisch durchkomponierter Fußball, geprägt von technisch hoher Qualität, geprägt von Effizienz, angeleitet von einem überaus fähigen Übungsleiter – auf der anderen Seite Borussia Mönchengladbach. Das waren nicht nur meine Erwartungen an das gestrige Spiel. Dass der Gegner am Donnerstag in der Europa League tätig war? Geschenkt. Dass Borussia an guten Tagen auch Bayern oder Dortmund schlägt? Geschenkt. Die Mannschaft, die zuletzt nicht mehr als eine gute Halbzeit zu spielen in der Lage war, würde gegen die von Tedesco wieder um Ballbesitz ergänzte Pressingmaschine aus Fuschl unweigerlich einem solchen Druck auf die eigene Abwehr ausgesetzt sein, dass die momentan regelmäßigen Aussetzer nur eine Frage der Zeit wären.seitenwahl-20220502-BC8T7118.jpg

Aber Borussia wäre nicht Borussia, wenn sie nicht in schöner Regelmäßigkeit alle Erwartungen enttäuschen würde. So auch gestern. Zunächst dadurch, dass man sich nicht dazu verleiten ließ, in der im Lauf der Saison leider oft gepflegten Manier unkoordiniert offensiv zu pressen. Stattdessen stand Gladbach defensiv eher tief und strukturiert (fast als hätte Lucien Favre unter der Woche Kettenverschieben trainieren lassen), schaffte es auch, die Räume für die Österreicher eng zu halten und diese damit nicht in ihr schnelles Kombinationsspiel kommen zu lassen. Zur Wahrheit gehört auch, dass Getränkevertriebler es in der ersten Halbzeit – aus welchen Gründen auch immer – nicht ernsthaft versuchten, die Fohlenelf unter Druck zu setzen. So entwickelte sich zunächst ein eher ereignisarmes Spiel, in es allerdings Borussia Mönchengladbach – ähnlich wie in den letzten Wochen schon öfter - schaffte, zwei recht ordentliche Kombinationen in Ziel zu bringen und zwei Tore zu schießen. Unterbrochen wurde das von einem der unvermeidlichen Aussetzer, einem der leider nicht wenigen vermeidbaren Ballverluste des im Kombinationsspiel eher schwachen Neuhaus, der vom Gegner mit einem schnellen Angriff zum zwischenzeitlichen Ausgleich ausgenutzt wurde.

Für die zweite Hälfte konnte man nun einen Sturmlauf der Gäste erwarten. Tatsächlich geriet Borussia ziemlich unter Druck, phasenweise wurde minutenlang der eigene Strafraum mutig gegen Belagerer verteidigt, ohne sich allerdings so richtig befreien zu können. Als dann auch noch Nico Elvedi gerechtfertigter Weise des Feldes verwiesen wurde, schien es nur eine Frage der Zeit, bis das Spiel kippt und am Ende eine Niederlage steht. Aber an diesem Punkt überraschte uns Borussia erneut. Nicht nur, dass die Defensive zunehmend wieder konsequenter agierte – nein, der an diesem Tag überragende Hofmann und Beyer – defensiv eigentlich schon länger überzeugend, jetzt aber auch mit dem Selbstvertrauen für Vorstöße ausgestattet – nutzten einen der wenigen Entlastungsangriffe zum 3:1, das auch dem Endstand entsprach. Natürlich gab es auch danach Angriffe und Chancen für die Gegner – im Gegensatz zu den letzten Auftritten geriet der Gladbacher Abwehrverbund aber nie mehr so ins Schwimmen, dass man förmlich um das Gegentor zu betteln schien. So reichte ein regelkonform agierender VAR (bei zwei Szenen im Gladbacher Strafraum gab es Berührungen, aber keine klare Fehlentscheidung) und der gewohnt formstarke Yann Sommer zur Sicherung des Sieges. 

Nach dem Spiel war die erste von Journalisten gestellte Frage an die Protagonisten, was wohl in dieser Saison möglich gewesen wäre, hätte man immer so gespielt wie an diesem Tag. Wir fragen uns das auch.