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Nach dem Sieg in Hamburg war die Erleichterung um den Borussiapark dermaßen greifbar, dass man sie in Streifen schneiden und auf dem Rasen hätte auslegen können. Die so unerwartet dazugekommenen Punkte eröffneten die Möglichkeit, den dicksten Abstiegskampf für ein paar Wochen von oben zu betrachten, sofern man gegen Stuttgart nachlegen konnte. Angesichts der Bilanz gegen den prominent besetzten Euro League-Teilnehmers wäre das in den letzten Jahren eine vermessene Hoffnung gewesen; ein Sieg aus 22 Spielen ist nicht gerade berühmt. Dieses Jahr war es aber der gomezlose Tabellenvierzehnte und vorsichtige Siegeserwartungen nicht völlig überzogen.

 

 

Seit der Bekanntgabe von Bobadillas Verletzung im Training galten die Diskussionen noch mehr als in letzter Zeit dem Sturm. Friend hatte mit dem Siegtreffer in Hamburg seinen vorherigen Äußerungen Nachdruck verliehen und sein Auflaufen in der Startelf war damit nicht überraschend; die Anwesenheit von Matmour im Sturm dafür schon. Möglich, dass Frontzeck die läuferischen Vorteile des Algeriers nutzen wollte, jedenfalls geht die Rolle des Unzufriedenen damit für eine Woche an Colautti. Aber wer auch immer in vorderster Linie für Borussia antritt, am Samstag hätte man sich dort den „Knipser“ gewünscht, der die Chancen einfach und regelmäßig in Tore umsetzt. Chancen gab es nämlich so reichlich, dass man damit der Hälfte dieser letzten 22 Spiele einen anderen Ausgang hätte verleihen können.

Die Borussia erfreute ihre Anhängerschaft gleich zu Anfang mit einer Fortsetzung der letzten halben Stunde in Hamburg. Sie spielte druckvoll und direkt nach vorne und setzte die ersatzgeschwächte Stuttgarter Hintermannschaft gehörig unter Druck. In der 8. Minute gab es innerhalb von 60 Sekunden 3 klare Chancen, bei deren Entstehung und Abwehr die Männer des Spiels sich direkt in Szene setzen konnten. Auf Stuttgarter Seite war es dabei – ein „leider“ sei hier aus Sicht der Borussen eingeschoben – Jens Lehmann, der reichlich Gelegenheit bekam, seine schlechte Presse der letzten Wochen vergessen zu machen. Im Gegensatz zu seinen Kontrahenten nutzte er diese Möglichkeiten vollständig und ließ die Gladbacher sich fragen, ob es statt einer Neubesetzung im Sturm einiger Rotznasen als Balljungen bedurft hätte um dieses Spiel für sich zu entscheiden.

Statt so unverdienter Berühmtheiten trat auf Seiten der Gladbacher jemand anderes in den Vordergrund; Marco Reus demonstrierte nämlich alle seine Anlagen auf das beste. Als da wären, feine Technik, Schnelligkeit, der Mut zu überraschenden Aktionen und Alleingängen und ein beherztes Spiel zu jedem Zeitpunkt. Dabei sah es in der 18. Minute so aus, als müsste er nach einem Umknicken im Knöchel das Spiel verlassen. Der bereits umgezogene Colautti musste aber frustriert wieder auf der Bank Platz nehmen, von wo aus er nur fünf Minuten später beobachen konnte, wie Reus alleine 5 Stuttgarter durcheinander wirbelte. Von da an spielte der erst 20jährige eine prächtige Partie und wurde auf beiden Flügeln zum Alptraum der Schwaben. Im Gefolge dessen blühte auch Arango wieder auf, spielte zwar nicht so spektakulär aber wesentlich produktiver als bis vor zwei Wochen. Die Folge war das erwähnte chancenträchtige Spiel nach vorne, das nur eben nicht die dringend gewünschten Tore brachte. Man kann dabei über Friends technische Schwächen diskutieren, darf dann aber nicht übersehen, dass der fussballerisch stärkere Matmour viel weniger an den Möglichkeiten beteiligt war. Und bei den besten Möglichkeiten, wie Friends Kopfball nach Arangos Doppelpass mit sich selber, war wieder Lehmann zur Stelle.

Gegen Ende der ersten Halbzeit und nach der Gladbacher Anfangsoffensive der zweiten kam dann auch gelegentlich der VfB Stuttgart ins Spiel. Mit einem Stürmer und drei offensiven Mittelfeldlern dahinter versuchten es die Schwaben meist direkt durch die Mitte, wo sie regelmäßig auf das andere Highlight der Borussen an diesem Tag trafen. Wer schwungvolle Balleroberungen und präzise Tacklings liebt, für den spielte Dante an diesem Tag eine ebenso spektakuläre Partie wie Reus. Die Stuttgarter Angriffe prallten an ihm ab wie die Flut an einem Felsen.  Seine eindrucksvolle Leistung verlieh der ganzen Abwehr halt; so durfte sich Levels gefahrlos an Flankenläufen versuchen, während die Würdigung von Jaurès´ Auftritt  an Schiedsrichterleistungen erinnert: Wenn er kein Thema ist, war er gut.

Neuvilles Einwechslung in der zweiten Halbzeit ist ja bereits traditionell. Er kam für Matmour und brachte auch wieder konkretere Torgefahr mit. So kam er in der 86. Minute zu einer Riesenchance als, wer sonst, Reus auf dem Flügel durchgegangen war und Neuville wenige Meter vor dem Tor völlig frei bedienen wollte. Eine kleine Ungenauigkeit von Reus ließ den Ball einen halben Schritt zu weit nach hinten in den Lauf von Neuville gehen, der diese Chance nicht mehr nutzen konnte. Trotzdem wünscht man sich nach den letzten 20 Minuten einen Stürmer mit der Torgefahr von Neuville und der Physis von Matmour.

Nach dem Schlusspfiff blieben gemischte Gefühle. Die Frage nach „Punkt gewonnen oder zwei verloren“ lässt sich nach so einem Spielverlauf eindeutig beantworten. Bei so einem Verhältnis klarer Chancen ist ein Punkt zuwenig, daraus muss man einen Sieg machen. Natürlich kann es auch anders herum laufen, wenn der Tag ganz dumm endet und Kuzmanovics Pfostenschuss sich in den Winkel dreht; aber die grundsätzliche Unberechenbarkeit des Fußballs ändert nichts daran, dass aktiveres Spiel und klarere Chancen üblicherweise mit Siegen belohnt werden. Dies gesagt und den Punkt verbucht, kann man das Spiel dafür auch abhaken, und sich über die positiven Dinge freuen. Die Fähigkeit zum beschwingten Spiel nach vorne ist der Mannschaft nicht abhanden gekommen; die Einstellung war in jeder Hinsicht ausgezeichnet. Und weil sich solche Dinge im Gegensatz zu Glücksschüssen wiederholen lassen, kann man die nächsten Spiele zwar nicht beruhigt aber hoffnungsvoll erwarten.