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Die neue Saison ist jetzt 4 Spiele alt und doch sieht es so aus, als sei die Rückrunde der Vorsaison einfach um ein paar Monate verlängert worden. Die Spieler, die zum Start eines Borussen-Spiels auflaufen, sind immer noch unverändert dieselben aus dem Vorjahresfinale. Die entsprechend eingespielte Mannschaft wird von ihrem inzwischen gottgleich verehrten Trainer weiterhin in jeder Partie hervorragend eingestellt, so dass es keine negativen Ausreißer mehr gibt, wie sie früher fast mehr Regel als Ausnahme waren. Und trotz des unglücklichen 0:1 in Gelsenkirchen knüpft Borussia auch punktemäßig an die erfolgreiche Rückrunde an.


7 Punkte aus den ersten 4 Spielen sind angesichts der bewältigten Gegner mehr als sich selbst Optimisten erträumt hatten. Das System Favre gilt bereits als wegweisend und wird von sämtlichen Taktikexperten zu erklären versucht. Lange Zeit gab es wenig Aktuelles, worauf man als Borussen-Fan hätte stolz sein können. Umso dankbarer sollte die jetzige Situation wahrgenommen werden, die erstmals seit Jahren wieder eine echte Perspektive aufzeigt. Borussia hat einen absoluten Top-Trainer, eine funktionierende Einheit auf dem Platz sowie einen Haufen talentierter Jungspieler, von denen zwei sogar jetzt schon nationalmannschaftsreif wirken.

 

Bei all diesen Tatsachen verwundert es nicht, dass insgeheim bereits Wünsche von internationalen Spielen wachgerüttelt worden sind. Spätestens seit der Tabellenführung aus der Vorwoche gibt es nicht wenige, die guter Hoffnung sind, in dieser Saison dem Exempel von Hannover oder Mainz folgen zu können. Doch Vorsicht: Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass erst vier Partien gespielt worden sind. Wer Favre dermaßen schätzt und ihn als Fachmann lobpreist, der sollte auch seine Warnungen nicht nur als billiges Understatement abtun. Für ihn wird diese Saison weiterhin „sehr schwierig“, wie er nicht müde wird zu betonen. Im Fußball sind es oft Kleinigkeiten, die eine Mannschaft in die eine oder andere Richtung kippen lassen. Dies mag ein Trainerwechsel sein, eine Systemumstellung, eine Verletzung wichtiger Akteure oder aber einfach nur das eine oder andere (un)glücklich gefallene Tor. Momentan läuft alles sehr rund bei Borussia, was natürlich in allererster Linie der akribischen und hochwertigen Arbeit des Monsieur Favre zu verdanken ist. Doch auch der Schweizer ist kein Messias, der alleine durch Hand auflegen die Punkte einstreicht. Auch unter ihm werden Krisenzeiten möglich sein und gerade in diesen euphorisierten Tagen ist es wichtig, sich auf diese bereits mental vorzubereiten.

 

In Gelsenkirchen gab es schon einen kleinen Vorgeschmack, wie so ein kleiner Unterschied aussehen kann. Zweifelsohne bot Borussia bei den rechtzeitig in Form geratenen Schalkern eine sehr ordentliche Partie. Den Gastgebern wurde aus dem Spiel heraus so gut wie keine Torchance gewährt. Der von den Medien teils hochgelobte Jefferson Farfan konnte sich in 90 Minuten nur ein einziges Mal nennenswert gegen Filip Daems durchsetzen und eine gelungene Flanke aus dem Spiel heraus anbringen. In der Zentrale wurde Lewis Holtby völlig aus der Partie genommen. Gleichzeitig hatte Borussia einige Chancen, selbst zum Torerfolg zu kommen. Dass es soweit nicht kam, hatte aber seine Gründe.

 

Anders als noch gegen Wolfsburg fehlte dem Spiel der Borussen nämlich ein wenig an Präzision. Teilweise waren es nur Zentimeter, um die Pässe und Flanken nicht so gezielt an den Mann gebracht wurden wie in der Woche zuvor. Exemplarisch seien zwei der besten Konter aus Halbzeit 2 genannt. Zum einen, als Raul Bobadilla sich in seiner besten Szene gut von Höwedes löste und sich bullig in Richtung Ralf Fährmann tankte. Wäre sein letzter Pass auf Marco Reus nur wenige Zentimeter kürzer ausgefallen, so hätte es mit ziemlicher Sicherheit zum Torerfolg gereicht. Und auch bei der 2. Szene war es der Fast-Nationalspieler, der vergeblich auf eine echte Torchance wartete. Über Leckie und de Camargo wurde das Spiel schnell überbrückt und ein wenig erinnerte die Szene an das 4:1 gegen die Wölfe. Doch wo Juan Arango noch haargenau den Fuß von Reus angespielt hatte, blieb de Camargos Pass in den Beinen von Uchida hängen. Ein paar Zentimeter weiter nach vorne und Reus hätte wenig Mühe gehabt, den Ausgleich zu bewerkstelligen.

 

Dies setzte sich in der Defensive in ähnlicher Weise fort, wo man z. B. beim schnell ausgeführten Freistoß vor dem 0:1 für einige Momente unsortiert war und zu weit vom Gegner weg stand. Einem Weltstar wie Raul darf für keine Sekunde derart viel Raum gelassen werden – schon gar nicht darf sich ihm die Gelegenheit bieten, dreimal hintereinander auf das Tor zu schießen.

 

Doch es wäre ein kaum zu erklärendes Wunder, wenn der Tabellen-16. der Vorsaison von heute auf morgen zu einer fehlerlosen Taktikmaschine mutiert wäre. Unter Favre werden die Fehler in erstaunlicher Weise minimiert – um sie noch weiter abzustellen wird über kurz oder lang eine höhere Qualität der Spieler vonnöten sein. Für diese Saison hat der Verein entschieden, keine weiteren Verstärkungen zu benötigen. Während die halbe Liga in den letzten Stunden vor Ende der Transferperiode noch bemüht war, letzte Lücken im Kader zu schließen, beschränkte sich Borussia darauf, die ohnehin aussortierten Spieler noch irgendwie an den Mann zu bringen. Finanziell dürfte damit gesichert sein, dass Herr Schippers auch auf der kommenden JHV wieder ein positives Bilanzergebnis verkünden darf. Ob sich dieses Risiko sportlich auszahlt, wird sich zeigen.

 

In jedem Fall geht man im defensiven Mittelfeld ein gewisses Risiko, wo das Duo Neustädter und Nordtveit fürs erste unumstritten gesetzt sein wird. In den letzten Spielen der Vorsaison ließen sie mit eher durchschnittlichen Leistungen Zweifel daran aufkommen, dass sie für die so wichtige Zentrumsposition eines ambitionierten Erstligisten ausreichend stark sind. In dieser Saison bislang ist ihnen aber wenig vorzuwerfen. Gerade Neustädter zeigt sich in den letzten Wochen enorm verbessert und macht damit Hoffnung, angesichts seines jungen Alters vielleicht doch noch vor einer richtig großen Zukunft zu stehen.

 

Aber selbst wenn man dem N&N-Team vertrauen möchte. Dahinter warten allesamt Lösungen mit eher zweifelhaften Qualitäten. Es bleibt zu hoffen, dass Borussia auf dieser Position eine Verletztenseuche erspart bleibt, wie sie im Vorjahr in der Innenverteidigung ausgebrochen war.

 

Nicht minder stark muss man darauf hoffen, dass die beiden neuen Stars der Borussia von Verletzungen verschont bleiben. Ausgerechnet Marc-André ter Stegen und Marco Reus mussten ihre Länderspielaufgaben absagen, weil sie sich gegen Schalke Blessuren zugezogen haben. Beide sind bereits jetzt für die Mannschaft unverzichtbar. Ter Stegen hat nach nur 10 Bundesligaspielen sämtliche Kritiker überzeugt. Man braucht nicht zu übertreiben, um nüchtern festzuhalten, dass er einen gehörigen Anteil an der einzigartigen Serie von 14 Partien mit maximal einem Gegentor für sich verbuchen kann. Marco Reus wiederum hatte auf Schalke auch ein paar unglückliche Szenen, zumal Schalke über seine Seite offensiv deutlich aktiver war. Nichtsdestotrotz war der Ex-Ahlener mal wieder an jeder Offensivaktion beteiligt. Ähnlich war es schon gegen den VfB Stuttgart gelaufen, wo Reus keinen guten Tag erwischte, wo er aber die beiden größten Chancen der Borussia auf dem Fuß hatte und später den Elfmeter herausholte. Es ist zu hoffen, dass sich nicht so bald herausstellen muss, wie viel Borussias Offensivspiel ohne Reus wert wäre. Dann erst wird sich nämlich wirklich zeigen, was die Transferpolitik von Max Eberl und seinem Team in diesem Sommer wert gewesen ist.

 

Favre ist es innerhalb kurzer Zeit gelungen, einen ganzen Haufen von Baustellen zuzuschütten. Dies sollte aber nicht die Augen davor verschließen lassen, dass die eine oder andere irgendwann doch wieder aufbrechen könnte – sei es durch eine Verletzung oder den Formeinbruch eines aktuellen Leistungsträgers. Doch bei aller Notwendigkeit, die Eventualitäten des Fußballgeschäfts einzukalkulieren. Es sei mehr als nur gestattet, sich in diesen Tagen und Wochen an der aktuellen Wirklichkeit zu erfreuen. Baustellen hat nahezu jeder Bundesligist und sehr viele Mannschaften beneiden die Borussia momentan um ihre Ausgangslage. Dies gilt insbesondere für unsere kommenden Gegner aus Kaiserslautern und Hamburg. Gerade der Heimauftritt gegen die Roten Teufel wird wegweisend sein, da die Mannschaft dort mehr tun muss als sich taktisch klug gegen Ball und Gegner zu verhalten. Nicht viele Abwehrreihen in der 1. Bundesliga werden es Borussia so leicht machen wie die der Wolfsburger. Vielmehr ist zu befürchten, dass der eine oder andere vermeintlich schwächere Gegner genau die Taktik gegen Favre einsetzen wird, die dieser seinen Mannen in den Spielen als Außenseiter eintrichtert. Es wird interessant sein zu sehen, ob sich die Erfolgssträhne der Borussia auch unter diesen Vorzeichen in den vermeintlich leichten Spielen der kommenden Wochen fortsetzen wird.