Spätestens nach der unglücklichen Derbyniederlage kann niemand mehr die Krise in Mönchengladbach leugnen. Die Mannschaft zeigt sich zwar stets bemüht und ist beileibe nicht tot. Sie ist aber auch weit von der Hochform entfernt, die sie zuletzt zumindest in Heimspielen regelmäßig abrufen konnte. Zuhause mittelmäßig, auswärts katastrophal - so präsentiert sich die Fohlenelf in diesen Wochen und muss in der Konsequenz der allzu dürftigen Punktausbeute langsam anfangen, sich mit dem Thema Abstiegskampf zu beschäftigen.

Trotz einer ordentlichen ersten Halbzeit, in der die Fohlenelf verdient in Führung gegangen war, konnte der Gast aus Köln mit einer Durchschnittleistung die Partie noch drehen. Das unglückselige 1:2 kurz vor Schluss war dabei für die Bewertung des Spiels nicht entscheidend. Selbst wenn es beim 1:1 geblieben wäre, hätte man ein allzu biederes Auftreten im zweiten Spielabschnitt konstatieren müssen. Der absolute Wille, dieses nicht nur für die Fans so wichtige Derby unbedingt gewinnen zu wollen, war nicht zu erkennen.

Nach der zweiwöchigen Pause möchte man hoffen, dass dies nicht an der fehlenden Kraft gelegen hat – was sonst nämlich Übles erwarten ließe für die kommenden englischen Wochen. Auch das Argument der Verletzungen greift nur noch bedingt, denn mit Raffael und Hazard waren die beiden Topangreifer wieder auf dem Feld vereint. Der Mannschaft, die in ähnlicher Besetzung in den vergangenen Jahren konstant Höchstleistungen abgerufen hat, jetzt auf einmal die Qualität absprechen zu wollen, ist absurd. Einzelne Spieler, wie z. B. Wendt, Johnson oder Dahoud, sind derzeit vielmehr nicht in der Lage, ihre nachgewiesenen Fähigkeiten abzurufen. Sicher darf hinterfragt werden, warum Borussia für potentielle Alternativen wie Hofmann oder N. Schulz so viel Geld ausgegeben hat, obwohl diese auf ihren vergangenen Stationen jahrelang über passable Ansätze nicht hinausgekommen waren und auch jetzt offensichtlich nicht als brauchbare Optionen angesehen werden. Die Spieler, die am Samstag auf dem Platz standen, haben aber zigfach unter Beweis gestellt, dass sie es deutlich besser können.

Borussias Fans, die älter sind als fünf Jahre, bringen aus den vergangenen Jahrzehnten genügend Erfahrung mit, was den Umgang mit derlei Krisensituationen angeht. Es geht auch gar nicht darum, jetzt gleich all jene zu verdammen, denen in den letzten Jahren zurecht zugejubelt wurde, weil sie in dieser Zeit Herausragendes geschaffen haben. Selbstverständlich werden Fans und Verein in diesen schweren Zeiten zusammenstehen. Wenn sich Borussia zu jedem Zeitpunkt auf eines verlassen konnte, dann auf den Zuspruch ihrer Fans.

Dies darf aber nicht bedeuten, jede Entwicklung kritik- und kommentarlos zu begleiten. Schönrederei ist in Krisenzeiten mindestens genauso gefährlich wie Schwarzmalerei. Konstruktive Analysen sind das gesunde Mittelmaß, mit dem sich auch der Verein intern beschäftigen wird, um aus den gemachten Fehlern zu lernen, die auf dem Weg zur aktuellen Situation gemacht worden sein müssen.

Neben der Frage, auf welchen Positionen ggf. im Winter Qualität hinzugekauft werden sollte, kann es dabei z. B. auch um die Frage der Belastungssteuerung gehen. Wie erklärt es sich, dass die Mannschaft in den letzten 1 ½ Jahren auf einmal deutlich mehr Verletzungen hat als in den Jahren zuvor als man über 4 Jahre hinweg jeweils die mit Abstand wenigsten Ausfälle aller Bundesligisten zu verzeichnen hatte? Auch dass Teile der Mannschaft schon in solch einem frühen Stadium der Saison auf dem Zahnfleisch zu gehen scheinen, stimmt bedenklich und bedarf einer sorgsamen Aufklärung.

Zu guter letzt – und so sehr es einige Fans wie auch der Sportdirektor beklagen mögen – wird nach dem neuerlichen Misserfolg über den Trainer weiter zu diskutieren sein. Die zentrale Frage, der sich am langen Ende auch Max Eberl nicht wird entziehen können, lautet: Was spricht dafür, dass André Schubert ein Top-Trainer ist, der das Zeug hat, einen europäisch ambitionierten Bundesligisten weiterzubringen? Seine arg überschaubaren Ergebnisse auf den Vorstationen Paderborn und St. Pauli tun es nicht. Daher wird von seinen Befürwortern die auf den ersten Blick zweifelsohne imposante Aufholjagd aus der Vorsaison ins Feld geführt, als er den am Boden liegenden Verein von Platz 18 auf 4 und damit in die Champions League führte. Schaut man aber etwas genauer auf die Zahlen, dann wird die Bilanz nahezu ausnahmslos durch die wundersame Startphase bestimmt.

Es gibt Studien, die nachgewiesen haben, dass ein Trainerwechsel in der Anfangszeit regelmäßig positive Wirkungen entfaltet. Fußballsprachlich ist dies der „Neue-Besen-Effekt“, der bei Schubert extrem stark ausfiel. Die Mannschaft war durch den Rücktritt des zuvor unantastbar scheinenden Favre ebenso geschockt wie die Fans und wurde dadurch ganz offensichtlich aufgeweckt. Schubert gab ihnen – nach der etwas schrulligen und autoritären Art seines Vorgängers – die nötigen Freiheiten und ließ sie von der Leine, was ihm die Mannschaft mit einem Positivlauf von 6 Bundesligasiegen in Folge dankte. Nach einer gewissen Zeit pendeln sich die Leistungen aber bei fast allen neuen Trainern wieder im Normalmaß ein. Und erst dann zeigen sich dessen wahre Qualitäten.

Seit dem 12. Spieltag der Vorsaison, als es mit dem 0:0 gegen Ingolstadt das erste dürftige Bundesliga-Spiel unter Schubert gab, ist jetzt genau eine Saison mit 34 Spielen vergangen. Mal abgesehen von den mittelmäßigen Ergebnissen und Leistungen in dieser Zeit (14 Siege, 13 Niederlagen) ist es dem Trainer nicht gelungen, seiner Mannschaft die von ihm präferierte Spielidee zu vermitteln. Außer Elvedi und Hazard hat sich kein Spieler nennenswert weiterentwickelt – bei einigen ist eher das Gegenteil zu beobachten. Schubert versucht zweifelsohne viel und hat dabei einige spannende Ideen. Aber unabhängig davon, dass er in einigen Punkten fachlich angegriffen werden kann (verwiesen sei hierzu u. a. auf unsere Ausführungen aus der vergangenen Woche). Wenn die Mannschaft nicht das umsetzt, was sich ihr Trainer vorstellt, dann hat der Verein ein Problem. Und genau das visualisiert sich gerade auf dem Platz und in der Tabelle.

Lucien Favre war für den Verein ein Glücksfall, der ihm vier glorreiche Jahre beschert hat, von der noch in Jahrzehnten die Rede sein wird. Der Schweizer kam 2011 mit einer beachtlichen Vita an den Niederrhein, denn er hatte auf all seinen vorherigen Stationen zum Teil beachtliche Erfolge vorzuweisen. Es ist nicht leicht, solch einen Erfolgstrainer adäquat zu ersetzen. Es macht aber Sinn, wenn man sich nach einem Mann umschaut, der sich ebenfalls bereits bei anderen Vereinen oder aber z. B. auf Jugendebene bewährt hat und dem man zutraut, dies auch bei Borussia fortzusetzen.

Es ist ein schwaches Argument, einen Trainerwechsel allein mit dem Argument abzulehnen, man wolle nicht wie Schalke 04 oder der HSV werden. Werder Bremen z. B. steht nun wirklich nicht im Verdacht einer übermäßigen Hire&Fire-Mentalität. Die Hanseaten standen in den 1990er Jahren vor einem ähnlichen Problem als Otto Rehhagel den Verein Richtung München verließ. Es dauerte damals vier Jahre ehe mit Thomas Schaaf ein ähnlich starker Trainer verpflichtet werden konnte, der eine weitere Ära einleitete. In der Zwischenzeit durften sich gleich vier Trainer versuchen. Niemand würde dem Verein im Nachhinein vorwerfen, Leute wie Aad de Mos, Dixie Dörner oder Wolfgang Sidka entlassen zu haben, weil sie sich nach einiger Zeit als zu klein für den einstigen Spitzenklub von der Weser erwiesen hatten.

Die Anzeichen verdichten sich immer mehr, dass auch André Schubert leider nicht das Format für einen ambitionierten Bundesligisten hat. Wenn der Verein zu demselben Ergebnis kommt, dann stellt sich ganz automatisch die Frage nach einer potentiellen Nachfolge und dem geeigneten Zeitpunkt. Mitten in einer Saison ist es zweifelsohne schwierig, einen geeigneten Kandidat zu finden, der entweder verfügbar ist oder sich von seinem Verein loseisen lässt. Allein deshalb ist es absolut richtig, dem Trainer zum jetzigen Zeitpunkt nach außen bedingungslos den Rücken zu stärken, um seine Autorität in der Mannschaft nicht vollends zu untergraben. Spätestens im Winter sollte dieses Argument aber nur noch bedingt greifen, denn europaweit sollte sich dann jemand finden lassen – ggf. mit einer Ablösezahlung verbunden. Die vor der Saison verfügbaren Ralph Hasenhüttl oder Markus Weinzierl sind es jetzt leider nicht mehr. Beide weisen bei ihren neuen Vereinen gerade nach, dass sie einen Plan haben und in der Lage sind, diesen ihren Mannschaften zu vermitteln. Ähnliches darf man auch von Borussias Trainer verlangen und wenn André Schubert ganz offensichtlich nicht in der Lage ist, genau dies zu liefern, dann wird sich eher früher als später selbst der so sehr auf Kontinuität bedachte Max Eberl ein Stück weit der perversen Diskussion um seinen Coach stellen müssen.