nuernberg„Jetzt noch irgendwie Nürnberg schlagen und dann in Ruhe Weihnachten feiern“. Diese Haltung legen in diesen Tagen viele Fans von Borussia Mönchengladbach an den Tag. Das Dienstags-Spiel gegen den Altmeister aus Franken gilt als letzte Chance, vor der Winterpause das eigene Punktekonto noch zu verbessern. Beim letzten Saisonspiel bei Herbstmeister Dortmund rechnet niemand mit Zählbarem. Das „irgendwie“ hat sich in den Satz geschlichen, weil die Personaldecke zum Ende der Hinrunde die in Gladbach gewohnte Stärke erreicht hat und weil die Mannschaft in Hoffenheim ein Spiel zum Vergessen abgeliefert hat. Dass es dafür dennoch einen Punkt gab, ist der womöglich größte Glücksfall einer bisher weitestgehend erfreulich verlaufenen Saison. Schließlich hält man damit auch einen direkten Konkurrenten um die Europapokal-Startplätze auf Distanz.

„Irgendwie Nürnberg schlagen“ – das scheint trotz aller Unbill ein durchaus aussichtsreiches Unterfangen. Alle Fakten vor dem Spiel sprechen für Borussia: Zuhause eine blütenweiße Weste, ein taumelnder Gegner, der gerade auswärts in dieser Saison schon allerlei echte Klatschen kassiert hat und ein Gegner, dessen Spielweise Borussia entgegenkommen müsste. Tatsächlich legt die Ausgangssituation nahe, dass es nur eine Mannschaft geben kann, die Borussia heute Abend in Schwierigkeiten bringen kann: Borussia.

Der 1.FC Nürnberg steht nach recht gelungenem Saisonstart nach dem 15. Spieltag erstmals dort, wo nicht wenige das Team ohnehin erwartet hatten: Auf einem direkten Abstiegsplatz. Bei einer Niederlage in Gladbach droht, je nachdem, wie Hannover spielt, sogar der Sturz ans Tabellenende. Zehn Spiele hintereinander hat der Club nicht mehr gewonnen. Auswärts hat das Team von Trainer Michael Köllner ohnehin erst zwei Punkte errungen: In Bremen und Augsburg. Gegen die Spitzenteams der Liga dagegen gab es mehrere deutliche Niederlagen: 0:7 in Dortmund, 0:6 in Leipzig, 0:3 in München. Dass die Niederlagen so hoch ausfielen, liegt auch daran, dass die Nürnberger kein destruktives Spiel pflegen. Abwehrschlachten, ein stumpfes „hinten Reinstellen“ sind bisher nicht die Art und Weise, mit der Nürnberg die Klasse zu erhalten versucht.

Letzter Gegner der Nürnberger war der VfL Wolfsburg. Im eigenen Stadion hielt der Club zunächst gut mit, verspielte einen möglichen Erfolg aber im zweiten Durchgang. Dass Trainer Köllner nach der Partie dennoch Grund zum Optimismus sah, zeigt, wie düster die Lage in Nürnberg zur Zeit ist. „Ruhe bewahren“ sei jetzt angezeigt, sagte Köllner vor der Fahrt nach Mönchengladbach. Der Job des Trainers steht dennoch nicht zur Diskussion. Dass der Nürnberger Kader nur mit sehr viel gutem Willen als erstligatauglich zu bewerten ist, wissen sie auch im Frankenland. Kritik an Köllner gab es allenfalls wegen der zahlreichen Startformationen, die er in dieser Saison schon aufs Feld geschickt hat. Das liegt zum einen daran, dass potenzielle Stammspieler verletzt sind oder waren, zum anderen aber auch daran, dass Köllner den Konkurrenzkampf nach eigenen Worten aufrecht erhalten will.

In Gladbach muss Nürnberg auf vier potenzielle Startelfkandidaten verzichten: Kapitän Hanno Behrens fällt mit einer Bauchmuskelzerrung aus, auch Stammtorwart Mathenia, Mittelfeld-Allrounder Löwen und Rechtsverteidiger Valentini sind nicht dabei. Rotieren wird Köllner wohl dennoch: Die Denkpause für den schwedischen Stürmer Mikael Ishak dürfte sich auf die ersten 70 Minuten des Wolfsburg-Spiels beschränken.

Bei Borussia gibt es vor dem Spiel noch viele offene Personalfragen. Erst im Lauf des Tages werde sich klären, ob einer oder gar mehrere der zuletzt in Hoffenheim verletzten Spieler zur Verfügung stehen. Potenziell dabei sind immerhin laut Trainer Dieter Hecking sowohl Lars Stindl als auch Christoph Kramer und Jonas Hofmann. Sicher nicht dabei ist dagegen Tony Jantschke, wodurch sich die Abwehr fast von selbst aufstellt. Der in Hoffenheim erstmals aufgebotene „Kinderriegel“ mit den jungen Innenverteidigern Elvedi und Beyer dürfte auch gegen Nürnberg wieder von Beginn an ran. Einzig denkbare Alternative wäre es, Tobias Strobl in die Innenverteidigung zurückzuziehen, den Job vor der Abwehr würde dann Denis Zakaria oder gegebenenfalls gar Christoph Kramer übernehmen.

In der Offensive muss Hecking sich wegen des wahrscheinlichen Ausfalls von Kapitän Lars Stindl etwas einfallen lassen. Harzard und Plea sind gesetzt. Offen ist, ob Patrick Herrmann eine letzte Chance erhält, den Trainer doch noch von einer Unverzichtbarkeit zu überzeugen, ob Ibrahima Traoré trotz seines vogelwilden Auftritts im letzten Heimspiel wieder für Unruhe sorgen soll oder ob auf links Fabian Johnson ran darf. Wer bei Borussia im letzten Heimspiel 2018 auf jeden Fall mit an Bord sein sollte, ist der heilige Ernst. Die Ausgangssituation verführt dazu, das Spiel gegen den Abstiegskandidaten Nürnberg als Formsache abzutun. So etwas kann nach hinten losgehen. Jeder Spieler bei Borussia sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Mannschaft in diesem Jahr Großes erreichen kann. Dazu aber muss man auch gegen Mannschaften wie Nürnberg 90 Minuten lang seriös auftreten.

Mögliche Aufstellung

Borussia: Sommer – Lang, Elvedi, Beyer, Wendt – Strobl – Neuhaus, Zakaria – Johnson, Plea, Hazard

Nürnberg: Bredlow – Bauer, Margreitter, Eweron, Leibold – Petrak, Rhein – Kerk, Matheus Pereira, Misidjan – Ishak

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Irgendwie Nürnberg schlagen. Das gelingt, wenn auch mit mehr Mühe als eigentlich nötig. Borussia reicht ein Treffer um die Position in der Spitzengruppe der Bundesliga zu verteidigen.

Thomas Häcki: Trotz Verletzungspech hat Borussias Kader noch genügend Alternativen, um Nürnberg vor Probleme zu stellen. Am Ende wird die Heimbilanz nach dem 3:0 sauber bleiben.

Uwe Pirl: Nürnberg geht es genauso wie Düsseldorf: Für eine wenig verstärkte Zweitligamannschaft reicht es weiter oben nur mit großer Mühe, wenn überhaupt. Borussia ist Favorit, tut sich zwar ein wenig schwer, gewinnt am Ende aber souverän mit 2:0.

Michael Heinen: Die heimstärkste trifft auf die auswärtsschwächste Mannschaft der Liga. Klare Sache, sollte man meinen. Und zwar zurecht: Borussia gewinnt mit 2:0.

Claus-Dieter Mayer: Auch auf dem Zahnfleisch gehend reicht die individuelle Klasse der Borussia um die Clubberer glanzlos 2:0 zu besiegen.