Es grenzt an ein Wunder, dass der 1. FC Nürnberg zwei Spieltage vor Saisonende mit unfassbar schlechten 19 Punkten immer noch auf den Klassenerhalt hoffen darf. Zum Vergleich: Borussia hatte bei ihren beiden Abstiegen zum Saisonende 21 (1999) bzw. 26 (2007) Zähler gesammelt und schon das fühlte sich damals erbärmlich an. Die Schwäche der Konkurrenz aus Hannover und Stuttgart bietet dem Club aber weiterhin die Gelegenheit, von einem weiteren Jahr in Liga 1 zu träumen, wozu er jedoch zwingend einen Sieg am kommenden Samstag benötigt.

Nachdem die Mannschaft über weite Strecken der Saison desolat auftrat und beinahe jedem Gegner hoffnungslos unterlegen war, hat sie sich zuletzt unter Interimstrainer Boris Schommers etwas stabilisiert. In den letzten sechs Partien gab es nur noch zwei Niederlagen, u. a. aber ein beachtliches 1:1 im letzten Heimspiel gegen Bayern München. Mit dem Siegen tut sich die Mannschaft weiterhin schwer. Das 3:0 über den FC Augsburg Ende März war der erste Erfolg seit dem 6. Spieltag, und ist mittlerweile auch schon wieder sechs Spiele entfernt. In der gesamten Bundesliga-Saison gelang es den Franken ansonsten nur noch gegen Düsseldorf und Hannover, dreifach zu punkten. Da macht immerhin die Statistik im direkten Vergleich Mut: 6 der letzten 9 Heimspiele konnte der 1. FC Nürnberg gegen Borussia gewinnen.

Doch wie wenig solche Statistik bedeutet, wenn eine Mannschaft ihre Form vollständig verloren hat, konnte Borussia zuletzt mehrfach unter Beweis stellen. Die Niederlage in Stuttgart kam statistisch unerwartet, war aber eine logische Konsequenz des Auftretens der vergangenen Monate. Mit dem 0:3 gegen Hertha BSC vor genau drei Monaten fing der Niedergang an, der sich mit 10 Punkten aus 12 Spielen inzwischen nachhaltig auf die Tabelle auswirkt. Zwar behauptet Borussia hier weiterhin einen respektablen 6. Platz, der aber voraussichtlich nur durch zwei Siege zum Saisonabschluss gehalten werden könnte. Die Träumerei von der Champions League, die Trainerente Dieter Hecking in der Pressekonferenz offenbarte, klingt da eher wie ein verzweifeltes Pfeifen im Walde.

Was macht Hoffnung? Selbst in dieser schwachen Phase gab es in Mainz und Hannover trotz höchst überschaubarer Leistung jeweils einen 1:0-Erfolg. Es spricht aber wenig dafür, dass sich die Nürnberger am Samstag beim Kampf um ihre allerletzte Chance ähnlich schwach präsentieren werden wie die damaligen Gegner. Vielmehr ist mit einer ähnlichen Einsatzbereitschaft zu rechnen, mit der bereits der VfB Stuttgart den Fohlen gehörig zusetzte und mit der die wacklige Defensive nicht zurecht kam. Das 3-5-2-System, das nach dem Düsseldorf-Desaster im anschließenden Spiel gegen Werder Bremen vermeintlich Besserung brachte, hat sich alles in allem nicht bewährt, weshalb Dieter Hecking in der 2. Halbzeit des Hoffenheim-Spiels wieder auf das altbewährte 4-3-3 umstellte, das angesichts der drückenden Überlegenheit des Gegners eher einem 4-5-1 entsprach.

In Nürnberg dürfte es der Coach ambitionierter und somit offensiver angehen, wodurch Thorgan Hazard wieder weiter vorne seine wahren Stärken ins Spiel einbringen kann, die er zuletzt sehr erfolgreich zu verstecken verstand. Da Patrick Herrmann verletzungsbedingt ausfällt, ist Ibrahima Traoré ein Kandidat für das rechte Mittelfeld. Oder aber Hecking vertraut seinem Joker und gönnt Josip Drmic tatsächlich noch einmal einen Startelfeinsatz – ausgerechnet in dem Stadion, in dem er die beste Zeit seiner Karriere verlebte. Wahrscheinlicher ist aber, dass er erneut zur Einwechselung bereit steht und Jonas Hofmann in die Mannschaft zurückkehrt. Defensiv wäre Jordan Beyer der logische Ersatz, falls Tony Jantschke nicht rechtzeitig fit wird.

Bei Nürnberg wird Ewerton ausfallen, während der Einsatz des Torschützen aus dem Bayern-Spiel, Matheus Pereira, fraglich erscheint. Damit wird Schommers die relativ erfolgreiche Elf ändern müssen, die sich zuletzt fünfmal in Folge unverändert einspielen konnte. Margreiter und ggf. Kubo könnten für die verletzten Akteure nachrücken. Letztlich wird es aber weniger von der Aufstellung der Clubberer als von der Einstellung der Fohlen abhängen, wie die Partie ausgeht. Gegen eine Mannschaft, die in 32 Spielen lediglich 19 Punkte holen konnte, darf es für die Gladbacher keine Ausreden geben. Den starken Worten vieler Spieler und des Trainers, alles für das gemeinsame Ziel Europa oder gar Champions League geben zu wollen, müssen jetzt endlich einmal auf dem Platz Taten folgen.

Nürnberg: Mathenia – Bauer, Margreiter, Mühl, Leibold – Erras, Löwen, Behrens, Matheus Pereira, Kerk - Ishak

Borussia: Sommer – Beyer, Ginter, Elvedi, Wendt – Kramer, Zakaria, Neuhaus – Hofmann, Plea, Hazard

Seitenwahl-Tipps

Michael Heinen: Der Glaube an die Mannschaft hat in den vergangenen Wochen arg gelitten. Die Hoffnung, aus dem moralisch wertvollen 2:2 am letzten Spieltag neue Motivation zu schöpfen, wird in Nürnberg durch 90 erneut ernüchternde Minuten getrübt. Die Liebe zur Borussia bleibt aber selbst nach einer weiteren 0:1-Niederlage bestehen. Auch wenn der Traum von der Rückkehr nach Europa damit im dritten Jahr in Folge unerfüllt bleibt.

Uwe Pirl: Mein Tipp: Weil wir wissen, wo wir herkommen, wird es sehr schwer. Eigentlich müssten wir kompakt stehen und den Bock umstoßen. Gelingt aber wieder nicht. Das 1:1 in Nürnberg hilft keinem der beiden Teams.

Christian Spoo: Nürnberg war zuletzt immer gut, hat aber trotzdem verloren. Gegen Borussia reicht den Franken eine Durchschnittsleistung zu einem Hoffnung machenden 2:0-Sieg. Und alle so: Wer ist hier der Depp?

Thomas Häcki: Nur ein Sieg hilft. Beiden. Da der Borussia aber jegliches Konzept fehlt, erkämpft sich der Club einen 1:0-Erfolg.

Claus-Dieter Mayer: Bei allen Bemühungen bleibt der Club eines der schwächsten Teams in der Bundesliga in den letzten Jahren und hat natürlich keinerlei Probleme, Borussia mit 2:0 zu besiegen. Womit alles gesagt ist.