Borussia Mönchengladbach hat mit dem knappen Sieg gegen Mainz 05 die Serie von acht sieglosen Bundesligaspielen in Folge beendet. So viel zu den positiven Erkenntnissen des Wochenendes. Auf welche Art und Weise dieser Sieg jedoch zustande kam macht deutlich, wie tief die Krise ist, in der sich das Team derzeit befindet. Borussia brauchte einen Zufallstreffer, einen nicht gepfiffenen Handelfmeter der Kategorie „Kann man auch pfeifen!“ und die Annullierung eines klar regulären Mainzer Ausgleichstreffers, um die drei Punkte einzufahren. Spielerisch war der Auftritt am Sonntag der Tiefpunkt der bisherigen Saison, die Verunsicherung sämtlicher auf dem Platz befindlicher Spieler und die Auflösung jeglicher spielerischer Struktur war deutlich sichtbar. Im Vergleich zu den Spielen gegen Köln und Hoffenheim war ein klarer spielerischer Rückschritt zu erkennen. Es ist recht leicht sich vorzustellen, welche Richtung das Spiel wahrscheinlich genommen hätte, hätte es einen Handelfmeter gegen Borussia gegeben.

Deshalb wäre es fatal, würde man nun einfach den dreckigen Sieg feiern und dann zur Tagesordnung übergehen. Glücklicherweise lassen die Äußerungen der Protagonisten, die am Wochenende nach dem Spiel zu vernehmen waren, darauf schließen, dass man das Ergebnis realistisch einschätzt und sich der Tatsache bewusst ist, wie weit die Normalform derzeit von der Mannschaft entfernt ist.

Welche Erkenntnisse lassen sich also aus dem Spiel gegen Mainz 05 gewinnen?

Das erste Ziel für die kommenden Wochen muss es sein, die Verunsicherung aus den Köpfen der Spieler zu bekommen. Dies kann nur gelingen, wenn auf dem Platz eine funktionierende Grundstruktur geschaffen und auch beibehalten wird, in der die Spieler auch Automatismen abrufen können. Die Zeit der wöchentlichen Experimente mit immer neuen taktischen Formationen und immer neuen Positionen für den einzelnen Spieler sollte endgültig beendet werden.

Nur dann kann beispielsweise Yann Sommer wieder das zeigen, was ihn zu einem überdurchschnittlichen Bundesligakeeper macht: das fußballerische Zusammenspiel mit einem in sich funktionierenden Abwehrverbund. Nur dann wird es wieder möglich sein, den Gegner zum einen wirkungsvoll vom eigenen Tor weg zu halten und zum anderen jederzeit Torgefahr ausstrahlen zu können. Nur dann wird die Mannschaft, deren Potenzial nach wie vor unbestritten ist und deren Charakter stimmt, dieses auch abrufen können.

Wie viel Potenzial derzeit brach liegt, hat die Art und Weise gezeigt, mit der am Wochenende auch aussichtsreichste Konterchancen vergeben wurden. Das war einmal die große Stärke von Borussia - mit vier Spielern während eines Konters das Spielfeld so breit zu machen, dass der Gegner selbst in Überzahl größte Schwierigkeiten hat, das zu verteidigen. Heute wird in derselben Situation der Raum dadurch, dass alle Richtung Tor gehen, eher verengt, was die Situation für den Gegner leicht lösbar macht. Steilpässe ins Leere tun dann ihr Übriges…

Weiterhin auffällig: Nach einer eigenen Balleroberung verschieben sich in der Regel mehrere Spieler von Borussia in Richtung des ballführenden Spielers. Mutmaßlich dient das dazu, dem ballführenden Spieler Anspielmöglichkeiten zu schaffen. Allerdings führt es auch dazu, dass sich gegnerische Spieler in großer Zahl ebenfalls in dieselbe Richtung bewegen. Am Ende war sehr häufig zu beobachten, dass hierdurch der Raum um den ballführenden Spieler kaum noch bespielbar war. Regelmäßige Folge dessen waren Ballverluste aufgrund schlichter Enge. Auch in diesem Punkt ist zu fragen, ob Struktur und Aufgabenverteilung so stimmen oder ob es nicht besser wäre, in solchen Situationen durch Ausschwärmen der Offensivspieler den Defensivverbund des Gegners eher vom Ballführenden weg und damit in die Breite zu ziehen.

Schließlich: Die Mannschaft muss zurückfinden zum einfachen Spiel. Im Moment wirkt alles, was auf dem Platz stattfindet, fürchterlich kompliziert und verkünstelt – seien das Raffaels Dribblings gegen drei Gegner oder Dahouds unvermeidliche Kringel bei jeder Ballannahme, sei es der Versuch, sich mittels Flippereinlagen von zu zahlreichen Gegenspielern zu lösen.  

Was das Schicksal des Trainers angeht – genauso wie es falsch gewesen wäre, dieses nur an den Ergebnissen der letzten 8 Bundesligaspiele festzumachen, genauso falsch wäre es, dasselbe nun anhand der Ergebnisse der letzten drei Bundesligaspiele 2016 zu versuchen. Überhaupt sind Ultimaten, die sich allein an der Punktausbeute in einem zumeist kurzen Zeitraum orientieren, reichlich absurd: Gerade das Spiel am Sonntag zeigt, von welchen Zufällen eine solche Punktausbeute abhängt und wie schwer sie deshalb zu bewerten ist. Da dies auch Max Eberl weiß, ist ein plumpes Ultimatum der Art „x Punkte bis zur Winterpause“ schwer vorstellbar. Stattdessen wird man sich wohl sehr genau anschauen, wie sich das Spiel der Mannschaft bis zur Winterpause entwickelt. Zwei weitere erwürgte Siege werden dann nicht zu übermäßig vielen Pluspunkten führen, zwei unglückliche Niederlagen bei ansonsten guter Leistung der Mannschaft nicht zu übermäßig vielen Minuspunkten.

Neben der Trainerfrage stellt sich in den kommenden Wochen natürlich auch die nach Neuzugängen in der Winterpause. Ganz offensichtlich setzt sich auch im Management die Erkenntnis durch, dass hier im Sommer kleinere Fehler gemacht wurden und dass es insbesondere die Führungsqualität der Abgänge ist, die nicht ersetzt wurde. Fraglich ist jedoch, ob sich gerade dieses Versäumnis im Winter korrigierbar ist. Denn gerade Spieler mit Führungsqualität, die auch sportlich auf Anhieb helfen, sind im Winter eher nicht so einfach verfügbar. Allerdings: Mut machen sollte hier der Winter 2010/11 – da wurde Martin Stranzl verpflichtet. Fraglich ist auch, ob wie von Max Eberl angedeutet die Position des Innenverteidigers diejenige ist, auf der am meisten Handlungsbedarf herrscht. Einerseits muss natürlich angesichts des vorhersehbaren Abgangs von Christensen im Sommer und angesichts der Invalidität von Dominguez mittelfristig eine große Lösung her. Sollte diese große Lösung im Winter verfügbar sein, spricht nichts dagegen, sie auch zu realisieren. Andererseits haben wir aber momentan mit Christensen, Vestergaard, Jantschke, Elvedi und Strobl fünf Spieler im Kader, die diese Position mehr als ordentlich ausfüllen können, wenn das Spielsystem stimmt. Insofern besteht in der Innenverteidigung kein unmittelbarer Handlungsbedarf – anders als vielleicht im defensiven Mittelfeld, wo das Trio Dahoud, Kramer und Strobl doch ziemlich auf Kante genäht ist und wo man bisher weder Formschwächen noch verletzungsbedingte Ausfälle kompensieren kann und wo auch keiner der Protagonisten die dringend erforderliche Führungsqualität zeigt.