(hjg) "Der Verein hat uns zuviel gebracht, als daß wir ihn jetzt vor die Hunde gehen lassen dürfen", nimmt Gladbachs Rekordspieler Hans-Hubert Vogts endlich einmal sich und weitere Alt-Borussen in die Pflicht. Unterstützung wird gerne angenommen, in welcher Form auch immer. Insofern sollte man froh darüber sein, daß sich etwas bewegt. Viele, die die Machtverhältnisse am Bökelberg hätten maßgeblich beeinflussen und mithin gerade rücken können, haben viel zu lange geschwiegen und müssen sich deshalb auch jetzt noch diesen Vorwurf gefallen lassen. Wilfried Jacobs steht diesbezüglich ebenfalls in der Kritik. "Ich lese immer nur, daß er mit uns reden ... will. Geschehen ist aber nichts. Wenn wir Borussia helfen sollen, soll er endlich einmal handeln.", läßt sich Vogts zitieren, den man ob dieses Angebotes vorerst nicht ins Ausland ziehen lassen mag.

Vogts ist kein Rüssmann-Fan, was nicht weiter überrascht, da man viele, deren Herz am Verein hängt, fragen muß, bis sich mal einer outet, daß er den heimlichen Präsidenten der Borussia ausnahmslos unterstützen würde. Jacobs jedoch bekennt, sich im Fußball nicht genügend auszukennen und somit den Manager in alle Entscheidungen einzubeziehen. Somit wird tatsächlich nur noch im Sinne eines einzigen Entscheidungsträgers gehandelt. Dieses kann zwangsläufig nur in eine Sackgasse führen. Keine anderen Meinungen und Strömungen werden mehr wahrgenommen.

Und wenn dies doch einmal geschieht, dann wird gleich derart überzogen gehandelt, wie das nun im Falle der Spieler Pflipsen und Witeczek geschehen ist. Plötzlich will es keiner mehr gewesen sein, keiner, der gerade diese Entscheidung gefordert hat. Der Trainer war es nicht, der Manager hält sich bedeckt und als Fels in der Brandung steht der Präsident, der plötzlich feststellen muß, daß man ihn im Stich läßt. Nun sieht er sich mit Dingen konfrontiert, deren Tragweite er nicht absehen konnte. Ein Jahr hat Jacobs gebraucht, um einmal eine unpopuläre Personalentscheidung zu treffen. Angetreten war er, um mit dem am Bökelberg aufzuräumen, was ihm ein Dorn im Auge war. Dieses gab er auch noch vor wenigen Tagen in der Halbzeitpause des blamablen Bundesligaauftrittes der Fohlen zu erkennen.

Um Personalentscheidungen sollte es von Anfang an gehen; man wollte alles ausmerzen, was sich nicht als dem Verein förderlich herausgestellt hatte. Doch was ist geschehen? Nichts! Selbst als die Borussia in der vergangenen Spielzeit mit einem Fuß in der Zweiten Liga stand, wurde nur geredet, aber nicht gehandelt. Selbst der langangekündigte große Schnitt im Mannschaftsgefüge erfolgte nicht. Immerhin wurden der Busfahrer Friedhelm Schellen entlassen, und der Vertrag des Reha-Trainers Jörg Neblung wurde entgegen aller Erwartungen nicht verlängert. Da war er also der Umbruch, der das Schiff der Borussia wieder in ruhigeres Fahrwasser lotsen sollte. Und daran muß sich Jacobs messen lassen.

Er täte gut daran, auf Ratschläge zu hören und u.a. Rolf Rüssmanns Kompetenzen zu beschneiden. Erstligaclubs, die sich mit weniger großen baulichen Vorhaben beschäftigen, engagierten Sportdirektoren. Rüssmann muß schleunigst einen Gegenpart im Verein erhalten, der sich um die sportliche Seite kümmert und sich nicht vom Ex-Schalker ins Handwerk pfuschen läßt. Die Aufgaben müssen sich an den aktuellen Gegebenheiten orientieren und neu verteilt werden. Die zu großen Machtbefugnisse einiger weniger im Zusammenhang mit unklarer Aufgabenverteilung öffnen Tür und Tor für das Austragen diverser Privatfehden, wie jene zwischen Rüssmann und Pflipsen.

Man sollte sich einmal fragen, wie Pflipsen sich entwickelt hätte, wenn Rüssmann nie seinen Weg an den Niederrhein gefunden hätte. Es wird jedoch ständig hinterfragt, warum der gebürtige Mönchengladbacher nichts aus seinem Potential mache. In der Pflipsen-Präsentation von SAT1, die die Fans in zwei Lager zu spalten scheint, traten erstaunliche Dinge zutage. Fakten, mit denen sich erst einmal befassen muß, da man den Menschen Pflipsen, der letztlich hinter dem Spieler Pflipsen steckt, auf diese Art und Weise noch nie hat erleben können. Und man sollte nicht nur wiederum ausschließlich nach negativen Punkten suchen, um das Interview oder die Darstellung des Umfeldes zu charakterisieren.

Der Borussia hilft derzeit jedenfalls kein Zwist. Einigkeit ist gefordert und auch Geduld. Der sich nun abzeichnende Neuaufbau aus den Trümmern der ersten zehn Spieltage sollte mit Karlheinz Pflipsen erfolgen. Wilfried Jacobs sollte sich für eine Marschrichtung entscheiden, endlich einmal etwas bewegen und nicht nur weitere Gespräche oder Ärmelhochkrempel-Aktionen ankündigen. Sieht er sich dazu nicht in der Lage, sollte er sein Amt zur Verfügung stellen.

Rolf Rüssmann ist der sportliche Bereich endgültig und mit aller Konsequenz zu entziehen und ein Sportdirektor zu verpflichten. Friedel Rausch muß sich den Vorwurf gefallen lassen, keine klare Linie mehr zu verfolgen, was die Zusammenstellung des Teams betrifft. Zwar ist dies unter den gegeben Umständen durchaus als schwere Aufgabe einzustufen, jedoch traut man jedem Amateur der Borussia derzeit eine bessere Leistung zu, als Markus Reiter, Sladan Asanin und einigen anderen Spezialisten.