Mit einer Riesenfete endete gestern, am historischen Sonntag, dem 20. Mai 2001, die Borussen-Saison 2000/2001. Rund 100.000 Menschen waren dabei, als die Elf vom Niederrhein auch rechnerisch alle absurden Eventualitäten begrub und sich ihren Weg ins Fußball-Oberhaus zurückbahnte. Wir sind wieder da! Endlich! Zwei lange Jahre dauerte unser Dasein abseits des großen Geschehens an. Zwei Jahre lang hieß es ´Hattrick´ statt ´ran´, sonntags statt samstags, 15 Uhr statt 15.30 Uhr. Ganz zu schweigen von den noch viel ungeliebteren Begegnungen am Montag abend. Wenn man ehrlich ist, hat diese Zeit irgendwie sogar Spaß gemacht.

Nur 14 Spiele gingen insgesamt verloren (davon 4 gleich direkt zu Beginn). Mit Hans Meyer bekamen wir endlich wieder einen Trainer mit Format. Die Mannschaft spielte streckenweise richtig guten Fußball und besitzt darüberhinaus eine Perspektive, wie man sie lange Zeit vorher vergeblich suchen mußte. Dies alles für sich wäre schon einen eigenen Bericht wert. Aber es wurde noch getoppt von dem, was sich gestern im Stadion, am Eickener sowie speziell später am Alten Markt abspielte. Von 12 Uhr mittags bis nachts um 11 wurde wieder einmal bewiesen, dass wir Borussen-Fans mehr als nur erstklassig sind und wir wie kaum jemand anders zu feiern verstehen. Ob es jetzt "nur" 80.000 oder gar weit über 100.000 Menschen gewesen sein sollten. Die Quanität stimmte, wurde von der Qualität des Feierns aber noch weit übertroffen. Bis zum Schluß bot sich eine beeindruckende Mischung aus purer Freude, Erleichterung, Nostalgie und Rührung. Emotion pur in Mönchengladbach. Schwer vorstellbar, dass etwas annähernd Ähnliches in Leverkusen oder in München möglich wäre. Dort mag man an diesem Wochende zum 17. Mal unverdient Meister geworden sein. Aber die Feierlichkeiten dürften im Vergleich zu unserer Party so lebhaft ausgefallen sein wie die Totenmesse eines Eskimos.

Beginnen wir aber etwas weiter vorne, denn vor das Vergnügen hatte der Fußballgott noch ein bißchen "Arbeit" gestellt. Noch ein letztes Mal durften wir vor ausverkauftem Haus ein Zweitligaspiel miterleben. 34.500 Zuschauer am Bökelberg und noch einmal fast genausoviele, die das Event live von der Großbildleinwand am Alten Markt miterleben wollten. Da sich auch noch das Wetter von seiner allerbesten Seite zeigte, waren alle Voraussetzungen für ein rauschendes Fußballfest gegeben. Doch berauschend war zu Beginn erst einmal der Gast aus Chemnitz, der kurz nach Beginn zu einer Riesenchance kam und den Ball an den Pfosten krachen ließ. Anschließend hieß es "Ossi gegen die Ossis", als Markus Osthoff mehrfach am Gegner und an den eigenen Nerven scheiterte. Doch nach 12 Minuten war die "Leidenszeit" endlich vorbei. Ein letztes Tor von Arie van Lent verbesserte die ohnehin schon hervorragende Stimmung zusätzlich. Der Rest des Spiels sei schnell erzählt. Zu unwesentlich erscheinen die weiteren Kopfballtore von Peter Nielsen und Peter van Houdt sowie der tragisch verschossene Elfmeter von Goalgetter Max Eberl. Richtig wichtig wurde es eh erst um 16.44 Uhr, als der Kölner Schiedsrichter Aust etwas zu früh das Spiel beendete und einen ekstasischen Jubelsturm auf den geheiligten Rasen des Bökelbergs auslöste. Keine 2 Minuten später war dieser menschenüberflutet und wurde stückchenweise vom Boden entfernt.

Als interessant während des Spiels entpuppten sich allerhöchstens die Schlachtrufe der Fans, die neben dem Gast aus Chemnitz auch den FC St. Pauli lautstark anfeuerten. Ein Zeichen für die Beliebtheit des etwas anderen Vereins. Und das, obwohl die Paulianer eine Fanfreundschaft mit einem am Bökelberg nicht ganz so beliebten Klub verbindet.

Bereits während der Partie war darum gebeten worden, nicht mehr den Weg zum Alten Markt anzutreten, da dieser bereits hoffnungslos überfüllt sei. Ein netter Versuch des Stadionsprechers, wenngleich schon etwas naiv. Auch die Polizeiabsperrung konnte die Fanmassen schließlich nicht daran hindern, sich – über Umwege – ihren Weg zur Party zu bahnen. So verpaßten einige zwar den Auftritt der Borussen-Band B.O. Aber richtig laut wurde es dann, als die Mannschaft auf der Bühne ebenso wie auf dem Rathausbalkon präsentiert wurde. Jeder Spieler bekam seinen Applaus. Aber keiner ragte auch nur annähernd an den umjubelsten aller Beteiligten heran. Trainergott Hans Meyer, der dieser Tage in einer beinahe schon erschreckenden Art und Weise in den Borussen-Olymp hochgehuldigt wird, war gefeierter Held des Tages. Und das nicht nur, weil ihm um knapp 22.15 Uhr vom WDR die Krone des "Besten im Westen" aufgesetzt worden war. 75 Prozent votierten für unseren Trainer. Und wenn man sieht, dass allein im Internet das Ergebnis bei knapp 82% gelegen hatte, so muß man ehrlicherweise mehr von einer Sympathiewahl als von einem repräsentativen Resultat sprechen. So wußte Meyer selber, wem er seinen Erfolg zu verdanken hat. Den – zumindest im Internet – besten Fans Deutschlands.

So wie Hans Meyer zugejubelt worden war, so grell peitschten die Pfiffe der Fans in die Ohren von OB Monika Bartsch, die wohl gehofft hatte, ebenfalls ein wenig am Ruhm des Erfolgsteams partizipieren zu können. Nach den Entwicklungen in der Stadionfrage in dieser Woche war aber mit allzuviel Beifall nicht zu rechnen.

Dieser unschöne Möchtegern-PR-Auftritt aus der Politik war dankenswerterweise der einzige Beigeschmack, den das ansonsten rundum gelungene Fest ertragen mußte. Die Band "Justice" bot mit ihren Cover-Hits eine gelungene Show und machte den Abend mit Sicherheit auch für die wenigen Nicht-Borussen, die von ihren Partnern oder von ihrer Neugierde in die Stadt der Städte gezwungen worden waren, zu einem unvergesslichen Erlebnis. Auch unser Dream-Team trug seinen Teil dazu bei, da man sich immer wieder auf der Showbühne sehen ließ und den Stand des eigenen Alkoholpegels vorbildlich zur Schau stellte. Bernd Meier machte bei seinem recht frühen Auftritt noch einen sehr gestandenen Eindruck, wie man es von einem Ur-Bayern aber auch nicht anders hätte erwarten dürften. Andererseits gibt es schon zu denken, dass er nach 20 Uhr nicht mehr gesehen wurde...

Alkoholmäßig am angeschlagensten war ohnehin Bernd "Kotze" Korzynietz, der sämtliche Benimm-Regeln die Kehle heruntergespült hatte. Er tanzte, sprang und gröhlte über die Bühne und zeigte, dass sein sportliches Leistungstief wenigstens nicht beim Feiern angeschlagen hat. So war er es auch, der immer wieder zur Freude der Fans Lieder wie "Cologne, Cologne...", "Zieht den Bayern die Lederhosen aus" sowie "Alle Böcke beißen..." anstimmte. Eine Weltklasseleistung von Korzy, mit der er eigentlich für die EM 2016 in Rußland gesetzt sein sollte.

Benjamin Auer überzeugte besonders durch seine modische Sonnenbrille, durch die er aber wahrscheinlich auch nicht weniger verschwommen gesehen haben wird. Seine wippenden Armbewegungen, die manchmal sogar den Takt der Musik trafen, gaben mir persönlich wenigstens die Beruhigung, dass man auch durch einem athletischen Körperbau nicht notwendigerweise besser tanzen kann als unsereiner.

Als dann am späten Abend nach den Klängen von "You´ll never walk alone" das Feuerwerk in den angeblichen Vereinsfarben gelb-rot-grün losging und u.a. die Aufstiegshymne "Wir sind wirde da" ertönte, da gab es nur wenige, denen nicht die Tränen in den Augen standen. Jeder für sich blickte ganz persönlich noch einmal zurück auf die vergangenen Jahre. Auf die grausamen letzten Spielzeiten in Liga 1. Auf die Hoffnungslosigkeit nach dem tristen Abstieg. Auf den noch tristeren Beginn in die Zweitklassigkeit. Auf den Abgang von Rainer Bonhof und die Ängste, die einen plagten, evtl. vollkommen von der Bildfläche zu verschwinden und gar in die Regionalliga abzusinken. Auf die ersten Hoffnungsschimmer durch den neuen Trainer und dessen erste Erfolge. Auf die Rückschläge, die uns immer wieder begleiteten. Auf die Siegesserien, die tollen Spiele, das teils erfrischende Offensivspiel. Auf das Zittern, das so oft umsonst war, um schlußendlich in Fürth dann doch zu einem prächtigen Ende zu führen. Wir alle haben diese ganze Zeit jeder auf seine eigene Weise durchlebt und durchlitten. Doch gestern abend gegen 22.30 Uhr waren wir alle gedanklich doch irgendwie vereint – verbunden durch unsere Liebe zu Borussia.

Juke