Gab es jemals eine Saison, vor der so wenig klar war? Kaum ein Bundesligist hat seinen Kader komplett, fast alle planen noch Käufe oder Verkäufe bzw. beides, weil beides voneinander abhängt. Nie war das Kicker-Sonderheft eine so nutzlose Investition wie im Sommer 2021. Aus diesem Grund hat die Seitenwahl-Redaktion den obligatorischen Bundesliga-Check aller 17 Konkurrenten Borussias auf einen Zeitpunkt nach dem Schließen des Transferfensters verschoben. Auf den mindestens ebenso obligatorischen Borussen-Check wollen wir vor dem Start der Bundesliga-Hinrunde aber nicht verzichten. Auch hier gilt: Es kann, es wird sich noch einiges tun. Nichtsdestoweniger: Hier ist unsere Einschätzung des Standes jetzt der Dinge in Mönchengladbach:

 

Der Trainer von Christian Grünewald

Es ist nicht erst seit der offiziellen Bekanntgabe von Adi Hütter viel geschrieben und diskutiert worden über den neuen Trainer von Borussia. Ein nicht kleiner Teil der Fans, immer noch hoch emotionalisiert durch den stillosen Expressabgang des hier nicht mehr namentlich erwähnten Vorgängers, sah in dem ebenfalls mit Ausstiegsklausel und öffentlichen Querelen vonstatten gegangenen Wechsel aus Frankfurt eine Hypothek. Dass Hütter zuvor im Live-TV seinen Verbleib versichert hatte, sah schlecht aus und hatte besonders im Umfeld der Eintracht heftige Reaktionen zur Folge. Heute gibt es viele Hinweise, dass neben dem sicherlich guten Angebot von Max Eberl eine Menge interner Faktoren für den vermeintlichen Sinneswandel verantwortlich waren – der Abgang von Hübner, Bobic, Hütter und selbst dem langjährigen Co-Trainer, Armin Reutershahn (ebenfalls neu bei Borussia), führte bei den Hessen schließlich auch zu einem Totalumbruch. 

Aber das sind letztlich Begleitgeräusche, die sich größtenteils mit der Vorstellungs-PK eines neuen Trainers erledigt haben. Und Hütter machte hier vieles richtig. In seinen Aussagen wirkte er klar und inhaltlich sehr gut auf Borussia und ihre Historie vorbereitet. Als unmittelbare Ziele nannte er vor allem die Reduzierung der Gegentore, ließ sich ansonsten jedoch nicht auf ein einzelnes Spielsystem festlegen. Vieles an seinem Auftreten wirkt überlegter, greifbarer als bei seinem gehypten Vorgänger, der vor genau zwei Jahren Fans, Medien und offenbar auch den Verantwortlichen regelrecht den Kopf verdreht, aber in der nachträglichen Betrachtung sich meist eher vage und platitüdenhaft geäußert hatte. Man könnte sagen, dass Borussia wieder einen „normalen“ Trainer hat, bei dem weder die Gefahr besteht, im Nebenberuf als Motivationsguru oder Handaufleger wahrgenommen zu werden, noch dass gleich von einer „neuen Ära“ gesprochen wird (obwohl Hütters kolportierter Vertrag vom Papier her länger datiert und ohne Ausstiegsklausel ausgestattet sein soll). Auch bei der Arbeit auf dem Platz ging der Neue seine erste Vorbereitung anders an: Anstatt mit der Vorstellung an den Niederrein zu kommen, sein zuvor praktiziertes Wunschsystem auch hier von Beginn an zu etablieren, orientiert sich der Österreicher eher am derzeit zur Verfügung stehenden Spielermaterial. Ein nachvollziehbares Vorgehen, auch angesichts der sehr dünnen Besetzung in großen Teilen der Vorbereitung, die zwangsläufig im Zeichen des Nachwuchs stand. 

Es wird also naturgemäß dauern, bis man im Borussia-Park echten „Adi-Hütter-Fußball“ zu sehen bekommt. Auf seinen vorigen Stationen zeichnete sich dieser vor allem durch attraktives Offensivspiel aus, mit einer besonderen Betonung auf die Flügel – eine seit den Zeiten Lucien Favres in Gladbach praktisch vergessene Disziplin, die mit dem aktuell vorhanden Personal nicht so leicht umzusetzen scheint. Auch ein echter Zielspieler im Zentrum fehlt bei Borussia – mit Jovic, Silva oder Dost stellte Frankfurt in den letzten Jahren eine der besten Angriffsreihen. Defensiv setzte Hütter zumeist auf ein kompaktes und körperlich robustes Zentrum. Auch hier wird er nicht unbedingt die Spielertypen wie etwa in Frankfurt vorfinden. Auf die Dynamik eines Denis Zakaria, dem Hütter selbst bei den Young Boys zum Durchbruch verholfen hat, kann er nicht mehr zurückgreifen. Dafür ist insbesondere die Gladbacher Defensive technisch und spielerisch auf höherem Niveau als bei der Eintracht und auch offensiv erlauben die vielen polyvalenten Spieler bei Borussia flexiblere Lösungsansätze. Es wird also nicht zwingend das in Frankfurt erfolgreiche 3-5-2 oder auch 3-4-2-1 sein, mit dem er in Gladbach nach eigener Zielsetzung wieder um Europa kämpfen möchte. In der Vorbereitung deutete sich an, dass Systeme mit der bewährten Viererkette und zwei Sechsern davor weiterhin die Basis für den Fußball am Niederrhein bilden werden. 

Nach der Flut an Verletzungen und dem EM-bedingten Fehlen der meisten Stammspieler in der Vorbereitung heißt es für den neuen Trainer aber zunächst, dass Beste aus dem schweren Startprogramm zu machen und auf ein positives Ende der Transferperiode zu hoffen. Und selbst wenn die ersten Wochen erwartbar holprig werden, soll und wird Adi Hütter eine faire Chance bekommen, seinen Fußbadruck bei Borussia zu hinterlassen. Dass er auch auf Dauer erfolgreichen Fußball spielen lassen kann, hat er auf allen seinen bisherigen Stationen gezeigt. Max Eberl hat die für einen Trainer hohe Ablöse – gerade in diesen Zeiten – sicher nicht leichtwertig in die Hand genommen, um den Österreicher an den Niederrhein zu lotsen. Und vielleicht, ganz vielleicht, kann man ja doch irgendwann von einer „Ära Hütter“ bei Borussia sprechen.

 

Im Grunde kommt dieser Borussia-Check noch mindestens drei Wochen zu früh. Max Eberl wartet immer noch auf die Dominosteine, die sich bislang beharrlich weigern umzufallen. Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit, dass Denis Zakaria den Verein bis zum Ende der Transferfrist am 31.08.2021 noch verlassen wird. Interessenten gibt es besonders aus der italienischen Liga. Offen ist vornehmlich der Preis, der sich für den einstigen Leistungsträger der Borussia und der Schweizer Nationalmannschaft nach einem schwachen Jahr noch erzielen lässt. Sollte dieser hoch genug ausfallen, so stehen die Chancen gut, dass Matthias Ginter eine Vertragsverlängerung schmackhaft gemacht werden kann. Bislang sind die finanziellen Mittel hierfür coronabedingt noch nicht vorhanden. Ein weiterer Abgang eines Stammspielers in diesem Monat ist ansonsten eher unwahrscheinlich, aber nicht völlig auszuschließen. 

Was bisher feststeht, ist relativ dürftig. Mit Oscar Wendt und Valentino Lazaro haben zwei Spieler aus dem erweiterten Stamm den Verein verlassen. Daneben gelang es dem Verein, mit dem Abgang von Villalba, Nicolas, Lang, Traoré und Reitz zwar keine Ablöse zu erzielen, aber immerhin etwas Gehalt einzusparen. Dieses wird dafür aber für Bennetts, Benes und Poulsen gezahlt werden müssen, die ihrerseits von den bisherigen Leihen zurückgekehrt sind. Insbesondere auf die Entwicklung von Benes unter Hütter darf man gespannt sein, da ihm einige weit mehr zutrauen als er bislang im Borussen-Trikot zu zeigen imstande war.

Der teuerste Neuzugang ist nur formal neu zu nennen: Hannes Wolf wurde in diesem Sommer für 9,5 Mio. € von RB Leipzig fest verpflichtet. Dank der unerschütterlichen Loyalität seines Ex-Übungsleiters ist eine Kaufpflicht eingetreten, sodass der Österreicher die Chance bekommen wird, in seinem zweiten Jahr mehr von seinem Talent zu zeigen als zuletzt.

Die tatsächlich Neuen in dieser Saison eint, dass sie ebenso hochtalentiert wie jung sind. Der älteste von ihnen ist der 20jährige Kouadio Manu Koné, der grundsätzlich bereits im vergangenen Winter vom FC Toulouse verpflichtet wurde. Da er aber zunächst per Leihe für ein halbes Jahr dort geparkt wurde, wird er erst in dieser Spielzeit sein Debüt im Borussia-Park geben können. Für sein Alter bringt der französische Ivorer schon eine Menge an körperlicher Robustheit mit, sodass er vielfach als Nachfolger für den abwanderungswilligen Zakaria angesehen wird. Sein Einstand in Mönchengladbach verlief nicht optimal, da er weite Teile der Vorbereitung aufgrund einer Knieverletzung verpasste. Er wird aller Voraussicht nach behutsam an die erste Elf herangeführt, könnte seine Chance aber spätestens dann bekommen, falls Zakaria den Verein verlässt. Die Tatsache, dass sich Borussia das Talent trotz Corona neun Mio. € kosten ließ, spricht für die Wertschätzung, die dem ehemaligen Junioren-Nationalspieler Frankreichs von Seiten Borussias entgegengebracht wird.

Ebenfalls gute Aussichten auf Spielpraxis hat der bereits im Winter verpflichtete Joe Scally. Dieser wurde vom ehemaligen Trainerdarsteller zunächst lässig für ein halbes Jahr übersehen und versauerte so bei der U23. Für Hütter kann er daher quasi wie ein Neuzugang angesehen werden. In der Vorbereitung machte der 18jährige US-Amerikaner einen so guten Eindruck, dass er inzwischen als ernsthafte Alternative für die Außenverteidigerpositionen gilt. 

Während Scally bevorzugt die rechte Seite beackert, ist der gleichaltrige Luca Netz vornehmlich links auf dem Spielfeld zuhause. Bei seinem Ex-Klub Hertha BSC galt er als eines der größten Talente, sodass sein Abgang dort sehr missmutig zur Kenntnis genommen wurde. Es ist müßig darüber zu urteilen, ob dieser Wechsel primär finanzielle Gründe hatte, wie der investorgepimpte Big City Club behauptet, oder ob er am Niederrhein die bessere sportliche Perspektive sah, wie Max Eberl mutmaßt. Fest steht, dass sich Borussia auf eines der größten deutschen Talente für die linke Außenbahn freuen darf, das kurzfristig als Nachfolger von Oscar Wendt und perspektivisch als Ersatz für Rami Bensebaini gedacht sein könnte. Sollte der Algerier seine starke Leistung aus der Vorsaison wiederholen, dürfte es Borussia spätestens im nächsten Sommer schwerfallen, dem Interesse der englischen Topklubs zu widerstehen und ihn langfristig am Niederrhein zu halten.

Stand heute erscheint der Kader also ähnlich stark aufgestellt wie in der Vorsaison. Auch ein Abgang von Zakaria würde daran nur unwesentlich etwas ändern, da der Schweizer zuletzt nur bedingt überzeugte und adäquat ersetzt werden konnte. Ob die Talente Netz, Scally und Koné schon dieser Saison ihren Stempel werden aufdrücken können, bleibt abzuwarten. Sie sind aber ein interessantes Versprechen auf die Zukunft und sollten einen wesentlichen Beitrag dazu beitragen können, Borussias Stamm dauerhaft zu verjüngen.

 

Die Defensive von Christian Spoo

Zu viele Gegentore – das war eines von vielen, vielleicht aber das entscheidende Problem der Borussia im Jahr zwei unter dem, dessen Name hier nicht mehr genannt werden soll. Und wenn Verteidigen selbstverständlich eine Aufgabe des kompletten Teams ist, stehen dabei die Abwehrspieler und der Torwart im Fokus. Was also muss, was wird und was kann sich ändern? Im Tor hatte Yann Sommer ein durchwachsenes Jahr. Nach der hervorragenden Saison 2019/20, in der Sommer der beste Torhüter der Liga war, leistete er sich in der Folgespielzeit gelegentlich Fehler und strahlte nicht immer die nötige Sicherheit aus. Das ändert aber nichts an seiner wichtigen Rolle und nichts an seinen Fähigkeiten. Wie wertvoll Sommer sein kann, zeigte er schon im Pokal gegen Kaiserslautern. Borussia kann froh sein, einen so guten Keeper zu haben. 

Über die Innenverteidiger gab es, gemessen an der Zahl der Gegentore, erstaunlich wenig Diskussionen. Matthias Ginter und Nico Elvedi gelten zu Recht als gesetzt, beide gehören zur Liga-Spitze. Während Elvedi sich früh zu einer Weiterbeschäftigung bei Borussia bekannt hat, wartet Ginter weiter ab. Dass er zuletzt eine Tendenz zum Bleiben erkennen ließ, mag dem Mangel an attraktiveren Angeboten geschuldet sein, könnte auch bloß Teil des Vertragspokers gewesen sein. Sollte er seinen Vertrag auslaufen lassen, ist das natürlich sein gutes Recht, Max Eberl ist in einer schwachen Verhandlungsposition, zumal er fast schon zu deutlich hat erkennen lassen, dass Borussia auf einen Verkauf des Nationalspielers angewiesen ist, sollte der seinen Vertrag nicht verlängern. Sollte Ginter gehen, muss Eberl etwas tun. Auch wenn Ramy Bensebaini Innenverteidiger spielen kann, ist die Personaldecke knapp. Der Glaube an Jordan Beyer scheint auch beim neuen Trainer nicht allzu ausgeprägt zu sein, was man angesichts durchweg ordentlicher Auftritte des Eigengewächses in Pflichtspielen nicht recht nachvollziehen mag, aber wenn zwei Trainer das schon so gesehen haben, wird das seine Gründe haben. Tony Jantschke ist Tony Jantschke, immer da, immer okay, aber bei allem Respekt eben nicht Liga-Spitze. 

Auf den Außenverteidigerpositionen ist Borussia jetzt gut besetzt. Der Hauptgrund dafür heißt Joe Scally. Der US-Amerikaner kann auf beiden Seiten spielen, hat das in der Vorbereitung mit großer Souveränität getan und auf seiner vermeintlich schwächeren Seite, links, ein mindestens ordentliches Pflichtspieldebut gegeben. Scally spielt nicht wie ein 18-jähriger, was als Kompliment zu verstehen ist. Ob er Stefan Lainer verdrängen wird, erst einmal nur Backup sein, oder ob wir womöglich eine rechte Seite mit Lainer und Scally, in welcher Positionierung auch immer, erleben werden. Vieles ist möglich und das ist gut. Auf der linken Seite ist ein fitter Ramy Bensebaini definitiv gesetzt, bessere Linksverteidiger gibt es in der Liga kaum. Sollte der Algerier innen aushelfen müssen, gibt es nach dem Abgang von Oscar Wendt jetzt zwei Backup-Spieler: Neben dem erwähnten Scally auch Neuzugang Luca Netz. Wenn der sich so einfügt, wie erhofft, wird der womöglich nicht nur für, sondern gelegentlich auch mit Bensebaini spielen können, einer defensiv, einer offensiv. Auch hier: Mehr Möglichkeiten als bisher. Andreas Poulsen dagegen scheint in den Planungen von Trainer und Management keine Rolle mehr zu spielen. Der sehr seltene Fall einer echten Fehlinvestition bei Borussia Mönchengladbach.

Wie sich die Situation im defensiven Mittelfeld darstellt, ist schwieriger zu prognostizieren. Denis Zakaria ist Stand jetzt noch nicht weg, über Manu Koné lässt sich wegen der verpassten Vorbereitung nichts sagen. Die Besetzung Kramer/Neuhaus, wie im Pokal gesehen, wird vorerst schon mangels Alternativen gesetzt sein, mit der bekannten Arbeitsteilung (Kramer eher defensiv, Neuhaus eher gestalterisch). Denkbar wäre, das Hütter perspektivisch auch mal mit einem Sechser agiert, wie er es in Frankfurt zeitweise gehandhabt hat. Kramer oder Neuhaus sind aber für ein solches Experiment beide nicht die idealen Protagonisten.

 

Die Offensive von Uwe Pirl

Auf den ersten Blick hat sich in der Offensive von Borussia Mönchengladbach in der Sommerpause wenig getan. Außer Ibrahima Traoré, der kaum noch Einsätze hatte, und dem vielseitig einsetzbaren und auch eingesetzten Ergänzungsspieler Valentino Lazaro, den man für kleines Geld vermutlich gerne behalten hätte, gab es (bisher) keine Abgänge. Es gab außer den Leihrückkehrern Laszlo Benes und Keanan Bennetts aber auch keine Zugänge. So geht man mit einem im Grunde bekannten Aufgebot an Offensivspielern in die neue Saison. Die auf einer Doppelsechs eher für den Spielaufbau zuständigen Neuhaus und Benes, davor in beliebigen Kombinationen variabel einsetzbar Jonas Hofmann, Hannes Wolf, Lars Stindl, Breel Embolo, Patrick Herrmann, Alassane Plea und Marcus Thuram, dazu die Ergänzungsspieler Müsel und Bennetts. 

Das ist – wenn sie denn so zusammen bleibt (der Transfermarkt ist bekanntlich unberechenbar) – sicher eine der besten Offensivreihen der Bundesliga. Und doch geht man als Gladbach-Fan mit Fragen in die Saison: Sind Thuram und Plea, die immer mal wieder als potentielle Abgänge gehandelt werden, voll bei der Sache oder gedanklich schon weg? Hat Plea sein unübersehbares körperliches Tief aus der letzten Rückrunde überwunden? Wird aus Hannes Wolf noch ein Spieler, der die Mannschaft weiterbringt? Knüpft Patrick Herrmann noch einmal an bessere Zeiten an und beweist, dass er ein Bundesligaspieler gehobenen Formats sein kann? Schöpft Breel Embolo endlich mal sein Potenzial aus? 

Davon, wie viele dieser Fragen mit „JA“ beantwortet werden, wird das Abschneiden der Gladbacher in 2021/22 maßgeblich abhängen. Denn allein auf eine Weiterentwicklung von Neuhaus, die Treffsicherheit und die Führungsqualitäten von Lars Stindl sowie eine gute Form von Jonas Hofmann zu vertrauen, wäre grob fahrlässig. Optimistisch stimmt, dass Adi Hütter in seinen drei Frankfurter Jahren ein sensationell gutes Händchen für die Weiterentwicklung von Stürmern hatte: Die Performance von Rebic, Jovic, Haller und Silva in den letzten Spielzeiten war alles andere als selbstverständlich und hatte – hoffentlich! – auch etwas mit dem Trainer zu tun, der diese Qualitäten aus den Stürmern herausgekitzelt hat. 

Gelingt das Adi Hütter auch in Gladbach, wird es gut.

 

Saisonziele von Claus-Dieter Mayer

Nach alter Gladbacher Tradition schauen wir natürlich erstmal nach, wo wir herkommen. Nein, nicht aus der Relegation gegen Bochum, denn die liegt jetzt schon mehr als 10 Jahre hinter uns und ist damit offiziell verjährt. Der durchschnittliche Tabellenplatz im zurückliegenden Jahrzehnt war Platz 6 (Standardabweichung 2.3), wobei man jedes Mal zwischen den Plätzen 3 und 9 landete. „Zehn Jahre mit drei Champions-League und drei Europa-League-Teilnahmen zeigen, dass das europäische Geschäft dem Anspruch und der Erwartungshaltung des Vereins, der Mannschaft und des Trainerteams entsprechen.“ fasste es der neue Trainer Adi Hütter kürzlich in einem Interview ziemlich gut zusammen. Ich persönlich würde noch die Nuance hinzufügen, dass es Ziel sein sollte, um die Championsleague-Plätze mitzuspielen, was ja selbst in der ziemlich katastrophalen Vorsaison bis Ende Januar gelang.

Nun sollten Saisonziele aber nicht nur tabellarischer Art sein (Schalke 04 war vor nur 3 Jahren mal Vizemeister, manchmal lügen Tabellen doch…), sondern die Hoffnungen, die mit dem neuen Trainer verbunden sind, betreffen auch den Fußball, den die Borussia spielen wird. Die vergangene Saison war halt nicht nur wegen des verfehlten Europa-Cup-Platzes ein Rückschritt. Ganz oben auf der Wunschliste steht die Konsolidierung der Defensive, denn wie man mit einer von 4 Nationalspielern bestückten Abwehrformation so viele Gegentore kassieren musste wie zuletzt unter Michael Frontzeck wird vermutlich Marco Roses Geheimnis bleiben. Ähnlich ist es mit dem vorletzten Platz in der Tabelle der kurzen Sprints. Schaut man sich den Fußball der Frankfurter Eintracht in den vergangenen Jahren an, kann man nur hoffen, dass Adi Hütter auch der Borussia wieder eine Dynamik beibringen kann, die man im Herbst 2019 schon zu glauben hatte, die dann aber Stück für Stück verloren ging.

Eine weitere Ambition muss die Weiterentwicklung der jüngeren Spieler sein. Im Moment scheint es ja so zu sein, dass außer dem wahrscheinlichen Abgang von Denis Zakaria nicht der befürchtete Ausverkauf stattfinden wird, aber Spieler wie Florian Neuhaus oder Marcus Thuram werden wohl spätestens im nächsten Sommer den Verein verlassen. Das ist keine Tragödie, sondern ganz im Gegenteil genau die Strategie, die die Borussia seit Jahren fährt, aber das Ganze funktioniert nur, wenn sich immer wieder neue junge Spieler etablieren, die dann die Groß-Transfers der Zukunft darstellen. Den jungen Rocco Reitz hat man zunächst mal in Belgien geparkt, aber umso wichtiger ist es Spieler wie Manu Koné, Joe Scally und vielleicht auch noch Laszlo Benes als Bundesligaspieler zu etablieren.

Kurzfristige Verbesserung ist sicher ein realistisches Ziel für die Borussia. Bei der Saisonvorschau des Rasenfunk-Podcasts wurde die Borussia sowohl von den Hörern als auch vom Experten-Team so in etwa auf Platz 5 eingeordnet, also 3 Position besser als zuvor. Das ist im Rahmen dessen, was auch das Seitenwahl-Team sich so in etwa vorstellt. Noch wichtiger erscheint aber der längerfristige Blick: Eine Saison wie die letzte kann die Borussia verkraften. Wiederholt sich das, wird es aber komplizierter, was Finanzen, aber auch Attraktivität für potenzielle Zugänge angeht. Wie jedes Jahr steht uns also die wichtigste Saison der Vereinsgeschichte bevor.