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Der 6:3-Coup in Leverkusen hatte die Hoffnung genährt, der Borussia könne eine rundum positive Saison ohne größere Sorgen bevorstehen. Die realistischen Zielsetzungen des Vereins – Abstiegskampf vermeiden und sich in der Liga stabilisieren – wurden von nicht wenigen Fans bereits nach oben korrigiert. Wer Leverkusen auf eigenem Platz dermaßen demontiert, für den sollte die obere Tabellenhälfte schon das Minimum sein. Einer knappen halben Stunde hat es bedurft, um all diese Gedanken als vorschnelle Träumereien zu entlarven. Nimmt man die Ergebnisse der ersten drei Spiele zusammen, so ist Borussias Ausbeute von 4 Punkten als sehr durchschnittlich zu bewerten.

 

Die Ausgangslage

Aber ebenso wie das 6:3 keinen Anlass zu utopischen Forderungen bot, darf man das deutliche 0:4 gegen Frankfurt nicht überbewerten. Solche Spiele, in denen fast alles misslingt und zudem das Schiedsrichter-Gespann die gegnerische Mannschaft vehement bevorteilt, können passieren. Geschieht dies häufiger, so wie es bei Borussia leider immer noch der Fall ist, so ist dies Ausdruck einer immer noch fehlenden Qualität. Wir alle sollten nicht vergessen, dass noch in der vorletzten Saison der Abstieg nur mit riesigem Glück verhindert werden konnte. 31 Punkte erzielte damals eine Mannschaft, die sich seitdem personell nur unwesentlich verändert hat. Borussia ist erst im dritten Jahr nach dem Wiederaufstieg und noch dabei, sich in der 1. Bundesliga wieder zu etablieren. Finanziell sind mindestens 9 andere Bundesligisten deutlich besser gestellt und verfügen damit auch über das bessere Spielermaterial. Dies langsam, aber sicher zu ändern, daran arbeitet unsere sportliche Leitung konsequent – in kleinen Schritten. Und diese kleinen Schritte implizieren eben nicht, dass schon in dieser Saison ein einstelliger Tabellenplatz fest eingeplant wird. Möglich wäre dies nur, wenn alles optimal läuft. Realistisch betrachtet gehört Borussia immer noch zu den Vereinen, denen der Abstiegskampf näher steht als die Europaliga.

Das Vorbild

Der Gegner aus Frankfurt musste zuletzt oft als vermeintliches Vorbild für unseren Verein herhalten, was nicht wenigen Fans als zu wenig ambitioniert missfällt. Die Hessen sind gerade dabei, sich im sechsten Jahr in Folge in Liga 1 zu etablieren und möchten mit einer sehr mutigen 50-Punkte-Zielsetzung jetzt den nächsten Schritt in die obere Tabellenhälfte gehen. Ein Selbstläufer ist dies aber mitnichten. Ihrem Aufstieg 2005 folgten zwei Jahre Abstiegskampf, ehe man im dritten Jahr erstmals einstellig abschloss – ohne ernsthaft in den Kampf um die internationalen Plätze einzugreifen. Anschließend folgte aber ein erneuter Rückschlag mit einer späten Rettung auf Platz 14, ehe es im Vorjahr wieder ins gesicherte Mittelfeld ging. Auf ein solches Auf und Ab mit hoffentlich langfristig aufwärts strebender Tendenz muss man sich als Borussen-Fan ebenfalls einstellen. Denn genau dies ist der Weg, den die sportliche Leitung vorgesehen hat.

In der subjektiven Wahrnehmung der Fans sollte Borussia bereits jetzt besser aufgestellt sein als die Frankfurter. Unterschlagen wird dabei, dass deren Mannschaft nicht ohne Grund in den vergangenen vier Spielzeiten jeweils besser abgeschlossen hat als Borussia. Spieler, wie Franz, Ochs, Chris oder Schwegler werden von den eigenen Fans regelmäßig deutlich besser bewertet als es der neutrale Beobachter aus der Ferne tut. Es steht außer Frage, dass diese Mannschaft zu denen gehört, mit denen Borussia in dieser Saison die Augenhöhe sucht und vermutlich auch finden kann. Es ist aber keine Schande, an einem schlechten Tag gegen sie zu verlieren. Unverständlich und diskussionswürdig ist nur, auf welche Weise es dazu kommen konnte.


Die Einstellung


Michael Frontzeck wird im Voraus gewusst haben, dass die Eintracht von Beginn an bemüht sein würde, das Spiel aktiv mitzugestalten. Sofern es taktisch gewünscht war, dies zuzulassen, um dann – wie in Leverkusen – durch Konter den Sieg einzufahren, ging dies gründlich schief. In einem Heimspiel gegen einen Mittelklasse-Bundesligisten sollte Borussia auch ohne vorherigen 6:3-Sieg genügend Selbstbewusstsein haben, sich als Herr im Haus zu präsentieren. Doch wie schon zu Saisonbeginn gegen Nürnberg fühlt sich im Borussen-Mittelfeld offensichtlich niemand so recht zuständig, das Heft in die Hand zu nehmen. Juan Arango hat schon des öfteren unter Beweis gestellt, dass aus ihm kein Spielmacher mehr werden wird und seine Stärken woanders liegen. Von einem Michael Bradley hingegen, der in Leverkusen zurecht für ein überragendes Spiel gelobt wurde, ist in dieser Hinsicht in seiner 5. Profisaison deutlich mehr zu erwarten, sofern er nicht vor hat, als ewiger Mitläufer eines durchschnittlichen Erstligisten in die Fußball-Annalen einzugehen. Marco Reus war der einzige Borusse, von dem in den ersten 30 Minuten kreative Impulse ausgingen. Dies ist letztlich zu wenig, insbesondere dann, wenn Reus zusätzlich noch die Rolle des zweiten Stürmers auszufüllen hat.

Die Defensive


Die Tatsache, dass sich Borussia von Anfang an den Schneid abkaufen ließ und zudem noch durch dilettantische Abwehrleistungen vier Gegentore kassierte, sollte nicht an einzelnen Personen festgemacht werden, auch wenn sich eine solche Suche nach Sündenböcken stets großer Beliebtheit erfreut. Sicher: Der oft unscheinbar wirkende Thorben Marx gilt ab sofort unverzichtbarer denn je. Denn Roman Neustädter wirkte nicht nur bei den Gegentoren unglücklich und seine Ambitionen, im defensiven Mittelfeld an den Arrivierten Marx und Bradley zu rütteln, dürften sich mit dieser Partie fürs erste erledigt haben. An seinem Beispiel zeigt sich wieder einmal, wie wenig aussagekräftig Eindrücke aus dem Training und Testspielen sind, um daraus auf die Leistung in Pflichtspielen zu schließen.

Doch neben Neustädter erreichten auch kein Akteur der Viererkette an diesem Nachmittag Normalform. Selbst Dante wirkte nicht ganz so souverän wie man es sonst von ihm gewohnt ist. Tobias Levels machte eins seiner schwächsten Spiele der letzten Jahre. Roel Brouwers zeigte wie schon in den ersten Saisonspielen enorme defensive Anfälligkeiten. Filip Daems bleibt in den entscheidenden Zweikämpfen allzu oft zweiter Sieger und ist insbesondere in der Luft jedem Gegenspieler mit halbwegs normalem Körperwuchs unterlegen.


Der Torwart


Am heißesten diskutiert wird dieser Tage aber die Torwartfrage, was sich Logan Bailly selbst zuzuschreiben hat. Der Belgier hatte sich anfänglich durch ein gutes erstes Halbjahr und sein extrovertiertes Auftreten Kredit bei den Fans aufgebaut. Im Vorjahr zählte er bereits zu den schwächeren Keepern der Liga, was sich in den ersten Spielen dieser Saison leider nahtlos fortsetzt. Fliegen hohe Bälle in den Strafraum, so hat man schon lange kein sicheres Gefühl mehr. Dass unser Torhüter einen solchen Ball souverän herunterpflückt, ist mittlerweile eher die Ausnahme. Dass er dies ausgerechnet bei einem Torwarttrainer Uwe Kamps erlernen wird, ist zumindest fragwürdig. Aber auch die große Stärke von Bailly, seine guten Reflexe auf der Linie, kommt immer seltener zum Tragen.

Doch daraus eine Torwartdiskussion abzuleiten, macht kurzfristig nur bedingt Sinn. Ein Christofer Heimeroth hatte in der Vergangenheit genügend Chancen, sich zu beweisen. Richtig gelungen ist ihm dies nie. Eine wesentliche qualitative Verbesserung wäre seine Hereinnahme ebensowenig wie es bei den übrigen Defensivborussen auf der Ersatzbank der Fall wäre. Es bleibt uns nichts anderes übrig als Bailly das Vertrauen auszusprechen und bei ihm auf eine Steigerung zu hoffen – zumindest solange bis Marc-Andre ter Stegen endlich soweit ist, ins kalte Wasser geworfen zu werden. Es kann sicher nicht schaden, die Leistungen des 18jährigen in der U23 etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, denn es sollte nur eine Frage der Zeit sein, wann seine Stunde schlägt. In dieser Saison käme ein erster Einsatz aber reichlich früh. Zum Vergleich: Ein Rene Adler war bei seinem ersten Bundesligaeinsatz 21, ein Manuel Neuer 20 Jahre alt.


Die Aussichten


Bei aller nötigen Ursachenanalyse: Der Ruf nach Veränderungen wird bei Michael Frontzeck weitgehend ungehört verhallen. Und das durchaus mit Recht. Keine Frage ist, dass Thorben Marx zurückkehren und Igor de Camargo langsam an die Mannschaft herangeführt werden wird. Alle übrigen Ersatzspieler dürfen nicht allein dank ihrer Abwesenheit beim 0:4-Debakel als potentielle Heilsbringer gesehen werden. Es gibt nämlich gute Gründe, warum sie nicht spielen. Ein Jens Wissing konnte sich bislang nicht aufdrängen und hat offensichtlich noch mit dem Sprung aus Liga 4 zu kämpfen. Ein Sebastian Schachten hat in seiner ersten Zeit bei Borussia wie auch im Vorjahr in Paderborn nicht so überragt, dass man für ihn Tobias Levels wegen einer schwachen Partie opfern sollte. Am nächsten dran ist vermutlich Bamba Anderson, der früher oder später seine Chance erhalten wird. Es wäre aber unfair Roel Brouwers gegenüber, wenn man ihn nach der tollen Vorsaison bereits so früh als Bauernopfer austauschen würde.

Es wäre allzu optimistisch anzunehmen, dass Borussia in anderer Defensivbesetzung auf einmal aller Abwehrsorgen ledig wäre. Spiele, wie gegen Frankfurt werden sich mit dieser Mannschaft leider nicht vermeiden lassen. Man kann und wird daran arbeiten, dass sie seltener werden. Die Qualitätsdefizite – gerade in der Defensive sowie im zentralen Mittelfeld – sind aber noch zu offensichtlich. Erst wenn diese ausgemerzt worden sind, darf man als Borussen-Fan realistisch davon träumen, in die obere Tabellenhälfte zu gehören. Bis dahin wird aber vermutlich noch mehr Zeit vergehen als es so manchem lieb ist.