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Den nächsten Schritt wollte man tun, eine weitere Saison frei von Abstiegssorgen und womöglich noch ein wenig erfolgreicher als die vergangene spielen. Nach der höchsten Auswärtsniederlage in der Bundesligageschichte des Vereins, der zweiten Null-zu-Klatsche innerhalb einer Woche, nach vierzehn Gegentoren aus drei Spielen und einem furchterregenden Auftritt in Stuttgart herrscht nun stattdessen völlige Ratlosigkeit bei Borussia. Wie kann, wie muss es nun weitergehen?


Die Ratlosigkeit spricht aus allen Äußerungen von Spielern und Verantwortlichen nach der 0:7-Pleite in Stuttgart:„Keine Mannschaft“ sei man derzeit, meint Thorben Marx, was Tobias Levels nur Minuten später als „gewagte These“ bezeichnet. „Kindergarten“ nennt der Ur-Borusse stattdessen das Abwehrverhalten des Teams - und in der Tat: Die Defensivspieler verdienten sich in Stuttgart allesamt Schlechtestnoten und auch das Defensivverhalten der übrigen Akteure fiel vor allem durch Abwesenheit auf.

Entschuldigen wollte sich Trainer Michael Frontzeck nach der Partie bei den Fans, die die wohl niederschmetterndsten 90 Minuten der jüngeren Borussengeschichte miterleben mussten. Und wo sich Frontzeck sonst auch nach schlechten Spielen vor seine Mannschaft stellt, gab er nun zu Protokoll, das Dargebotene sei „peinlich“ und „lächerlich“ gewesen.

Da will man nun wirklich nicht widersprechen, auch wenn die Analyse nach zwei solchen Spielen natürlich ausführlicher erfolgen muss und wird. Nur drei Tage sind Zeit, um die Mannschaft auf das Spiel gegen St. Pauli vorzubereiten, das nun schon fast Endspielcharakter hat – und das am fünften Spieltag. Verliert Borussia noch einmal – zudem gegen einen auf dem Papier deutlich schwächeren Gegner – dürfte der Traum vom nächsten Schritt ausgeträumt sein. Dann droht knallharter Abstiegskampf.

Was nun kann, was muss passieren, damit am Mittwoch abend eine echte Mannschaft auf dem Platz steht, die zudem zumindest schulreif ist?

Natürlich machen sich viele Beobachter Gedanken um mögliche Personaländerungen. Klar muss aber vor allem sein, dass es die Haltung, die Einstellung ist, die sich zu allererst ändern muss. Gegen Frankfurt wie auch in Stuttgart – und ansatzweise auch beim Remis zum Auftakt gegen Nürnberg – scheint der Mannschaft der Biss zu fehlen. Der Wille, den Widerstand, auf den man trifft, zu brechen, der Wille, dagegenzuhalten, um die Bälle zu kämpfen, an die Grenzen zu gehen, dieser Wille ist bei Borussia derzeit nicht auszumachen.

Ob es tatsächlich am Leverkusen-Spiel liegt, wo man locker und spielerisch einen seinerseits schwach motivierten Gegner besiegen konnte? Sportdirektor Max Eberl scheint es so zu sehen: Gift sei der überraschende Auswärtssieg im Nachhinein für die Mannschaft gewesen. Dank der Länderspielpause gab es zwei Wochen positive Presse und womöglich glaubt der eine oder andere Spieler tatsächlich, dass, wer in Leverkusen gewinnt (auch wenn er drei Tore kassiert), schon ein ganz Großer sein muss. Andererseits wirkt diese Erklärung zu einfach. Bei Borussia stehen keine Rookies auf dem Platz, zumindest die „Achsenspieler“ sollten erfahren und intelligent genug sein, dass ihnen ein überraschender Punktgewinn noch keine Flausen in den Kopf setzt.
Spätestens nach dem Frankfurt-Spiel hätte allen klar sein müssen, worauf es nun ankommt und dass Leverkusen vollständig abgehakt sein muss. Dem war in Stuttgart überdeutlich nicht so.

Woran liegt es dann? Die Mannschaft, die da derzeit dilettiert, ist weitgehend dieselbe, die in der Vergangenheit gerade auch durch Teamgeist und die Bereitschaft an, die Grenzen zu gehen, aufgefallen ist und die in der vergangenen Saison die Fanseele schon früh von allen Abstiegssorgen frei machte. Kann es tatsächlich ein einer oder zwei neuen Persönlichkeiten im Team liegen, dass sich der erwähnte Geist verflüchtigt? Oder sind durchschnittlich begabte Fußballer, wie es sie im Borussenkader zweifellos gibt, einfach nicht in der Lage, zwei Spielzeiten hintereinander am oberen Leistungslimit zu agieren?

Diese Fragen können nur Spieler und Trainer selbst beantworten, stellen werden sie sie sich in diesen Tagen mit Sicherheit. In den Köpfen muss sich etwas ändern, sonst erfolgt der nächste Schritt nach unten.

Muss sich aber auch personell etwas ändern? Die Fans diskutieren seit gestern bevorzugt über Personalien, Spieler A muss raus, Spieler B könnte ihn ersetzen, Spieler C sollte noch einmal eine Chance bekommen, während man Spieler D am liebsten nie wieder im Borussendress sehen möchte.

Machen wir es kurz: Die elf Spieler, die an den vergangenen beiden Samstagen auf dem Platz standen, sind vermutlich die besten, die Michael Frontzeck zur Verfügung hat. Formschwach ist nicht der einzelne Spieler, formschwach ist die Mannschaft als Ganzes. Dass es nicht hilft, einen indisponierten Spieler vom Platz zu nehmen, war im Spiel selbst zu sehen: Bamba Anderson machte seine Sache keinen Deut besser als zuvor Roel Brouwers. Und Anderson war noch die vermeintlich stärkste Ersatzkraft, die zur Verfügung stand. Jetzt nach Spielern wie Sebastian Schachten oder Jens Wissing zu rufen, ohne sie jemals unter Bundesligabedingungen im Einsatz erlebt zu haben, offenbart nichts, als Panik und/oder Unkenntnis.

So muss Michael Frontzeck sehr genau nachdenken, bei welchem Spieler womöglich tatsächlich ein mentales Problem vorliegt, dass bis Mittwoch nicht zu kurieren ist. Er muss abwägen, inwieweit er einen Spieler durch einen Wechsel mehr beschädigt, als dadurch, ihn drin zu lassen. Er muss und wird wissen, dass von den Ersatzleuten wahrlich keine Wunderdinge zu erwarten sind. So läuft es darauf hinaus, dass die Spieler, die gegen St. Pauli versuchen müssen, den Trend umzukehren, größtenteils die sein werden, die es gegen Frankfurt und Stuttgart verbockt haben.  Sakrosankt ist niemand, das hat Michael Frontzeck durchaus klar gemacht, indem er ankündigte, jetzt „in Ruhe überlegen“ zu wollen. Aber der Trainer wird sich insofern treu bleiben, dass er keine aktionistischen oder gar populistischen Wechsel vornimmt.

Die Aufgabe, mindestens elf Mann innerhalb von drei Tagen mental „hinzubekommen“ ist riesig, womöglich sogar unlösbar. Michael Frontzeck ist vermutlich der Letzte, dem die krachenden Niederlagen zu Lasten zu legen sind. Er ist aber dennoch derjenige, dem es nun obliegt, dafür zu sorgen, dass die Mannschaft die Kurve bekommt.
Es gibt Menschen, mit denen man in diesen Tagen lieber tauschen möchte.