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FC St. PauliArmutszeugnis, Blamage, Chaos, Debakel, Elend, furchtbar, gespenstisch, hilflos, idiotisch, jämmerlich, katastrophal, lachhaft, mutlos, nicht-existent, Offenbarungseid, peinlich, Quälerei, reglos, Sturzflug, tollpatschig, unerklärlich, verwirrt, wehrlos, Zerfall. Im Gladbacher Alphabet des vergangenen Wochenendes muss man nur bei x und y tricksen: Der Trainer hätte jeden x-beliebigen Spieler aus- und dafür den Yeti einwechseln können. Oder bleiben wir bei einem einzigen Buchstaben: Ausnahmslos alle Abwehrspieler agierten abenteuerlich. Allein: ärmliches Angebot an Alternativen.

 

Auch deshalb soll am Mittwoch eine personell unveränderte Mannschaft auflaufen, einzig der angeschlagene Dante könnte durch Bamba Anderson ersetzt werden. Die Entscheidung, der kompletten Schießbude vom Samstag die Chance zur Rehabilitation zu geben, ist mutig und folgerichtig zugleich. Sie ist mutig, weil sie dem Trainer ihm Misserfolgsfall mit großem Geheul um die Ohren gehauen werden dürfte. Sie ist folgerichtig, weil Michael Frontzecks Handlungsmöglichkeiten ohnehin begrenzt sind: Nahezu alle gesunden und einigermaßen plausiblen Joker wurden in Stuttgart bereits gezogen, ohne dass das die Gegentorflut eingedämmt hätte. So spricht in der Tat vieles dafür, den Spielern den Rücken zu stärken, die in der letzten Spielzeit das Saisonziel weitgehend ungefährdet erreichten.

Entscheidender als die Auf- wird ohnehin die Einstellung sein. Von Abwehr bis Zweikampf: Die Gladbacher müssen am Mittwochabend gewissermaßen zum ABC des Fußballs zurückkehren. Nach dem 6:3-Sensationscoup in Leverkusen hieß es an dieser Stelle hoffnungsvoll, das Spiel könne eine psychologische Eigendynamik entfalten. Wenn Max Eberl mit seinem Wort vom Leverkusener „Gift“ Recht hat, dann gab es die zwar, bloß in die falsche Richtung: Sollte sich die Mannschaft wirklich in den albernen Gedanken verrannt haben, sie sei gut genug, um in der Bundesliga mit rein spielerischen Mitteln Erfolg zu haben? Wenn man aus der Bankrotterklärung vom Samstag überhaupt etwas Positives ziehen will, dann dies: Wenigstens war das 0:7 deftig genug, um auch dem Begriffsstutzigsten im Team zu demonstrieren, dass man sich mit zehn Prozent weniger Einsatz lächerlich macht.

Es verlangt ja keiner, dass das das Gladbacher Alphabet am Mittwoch mit „atemberaubend“ anfängt. Aber es wäre schon schön, wenn man gegen 22 Uhr ohne Negation oder Ironie das Wort „Aufwärtstrend“ in den Mund nehmen könnte.

Der FC St. Pauli

Den hatten die Gäste am Wochenende bis zur 88. Minute vor Auge, bevor der Traum vom Sieg gegen den großen Bruder HSV jäh durch Mladen Petric beendet wurde. Immerhin: Im Stadtderby gab es zumindest wieder einen Punkt nach zuvor zwei 0:1-Niederlagen in Folge.

Dabei hatte die Saison doch so verheißungsvoll begonnen. Von dem peinlichen Pokalaus in Chemnitz hatten sich die Paulianer bis zum Ligastart berappelt. In Freiburg war das Team über weite Strecken überlegen, ließ sich vom zwischenzeitlichen Rückstand nicht beirren und kamen in einer fulminanten Schlussphase noch zu einem 3:1-Auswärtssieg. Auch im Heimspiel gegen Hoffenheim verkaufte sich der Aufsteiger gut und unterlag unglücklich durch ein spätes Gegentor. Hier wie auch in den folgenden beiden Spielen überzeugte das Team vor allem durch das, was der Borussia am Samstag so schmerzlich abging: Leidenschaft, engagierte Zweikampfführung und Laufbereitschaft.

Spielerisch dagegen entfacht die Mannschaft bislang allenfalls kleinere Tischfeuerwerke. Das war letzte Saison eine Klasse tiefer noch ganz anders, als der FC St. Pauli mit variablem und einfallsreichem Offensivspiel brillierte und gemeinsam mit Bayern München auf die meisten Ligatreffer im deutschen Profifußball kam. Besonders die drei Spieler im offensiven Mittelfeld setzten Goalgetter Marius Ebbers regelmäßig gekonnt in Szene und stießen selbst immer wieder torgefährlich in die Spitze vor.

Davon ist diese Saison trotz allem Bemühen nur selten etwas zu sehen. Ob Deniz Naki, Rouwen Hennings, Florian Bruns, Max Kruse, Charles Takyi oder Fin Bartels – keiner von ihnen konnte bislang spielerisch so recht überzeugen. Ein Indiz: Fünf Pflichtspiele gab es in dieser Saison. In dreien davon wurden alle Mitglieder der Dreierreihe ausgewechselt, in den anderen jeweils zwei von ihnen. Mangels gescheiter Zuspiele musste sich auch Marius Ebbers immer wieder weit ins Mittelfeld zurückfallen lassen, was ein Grund dafür sein mag, warum der in der zweiten Liga so treffsichere Stürmer noch ohne Saisontor ist.

Zudem fällt ausgerechnet Richard Sukatu-Pasu fürs Erste aus, der in Freiburg nach seiner Einwechslung an allen drei Toren beteiligt war. Daneben strich das Trainergespann etwas überraschend Rouwen Hennings zur Schonung komplett aus dem Kader. Hennings, letzte Saison als Joker sehr torgefährlich, hatte zuvor in allen Saisonspielen in der Startelf gestanden.

Immerhin ist der für Pauli-Verhältnisse spektakuläre Neuzugang des Sommers wieder einsatzfähig: Gerald Asamoah war in der Vorbereitung schnell zum Publikumsliebling geworden, dann aber wochenlang ausgefallen. Gegen den HSV in der letzten Viertelstunde auf dem Platz, wird der Ex-Nationalspieler in Gladbach sicher wieder im Kader stehen, wenn auch nicht unbedingt in der Startelf.

Stabil zeigt sich St. Pauli in der Defensive. Das ist ein Verdienst der engagierten Laufarbeit des ganzen Teams, einschließlich der Sturmspitze Ebbers. Es ist ein Verdienst der beiden Sechser Fabian Boll und Matthias Lehmann, vor allem gegen den HSV umsichtige und zweikampfstarke Strukturgeber. Es ist aber nicht zuletzt auch ein Verdienst der Abwehr, an deren Bundesligatauglichkeit manche vor der Saison gezweifelt hatten. Von den Stammkräften der Viererkette hatte nur Neuzugang Carlos Zambrano Bundesligaerfahrung, und auch er nicht viel.

Zambrano und sein Partner Markus Thorandt aber agieren in der Innenverteidigung bislang so souverän, dass Kapitän Fabio Morena die Bundesliga nur von der Ersatzbank aus kennenlernen durfte. So wurde die Viererkette, rechts mit Carsten Rothenbach und links mit Bastian Oczipka besetzt, zwar in bislang jedem Pflichtspiel der Saison mindestens einmal bezwungen – aber auch nie öfter. Ginge das so weiter, dann würden die Paulianer erst Anfang Dezember so viel Gegentore kassiert haben wie die Borussia schon jetzt.

Mögliche Aufstellungen

Borussia Mönchengladbach: Bailly – Levels, Brouwers, Anderson, Daems – Marx, Bradley – Herrmann, Arango – Reus, Idrissou.

FC St. Pauli: Kessler – Rothenbach, Zambrano, Thorandt, Oczipka – Boll, Lehmann – Bruns, Kruse, Naki – Ebbers.

SEITENWAHL-Meinung


Christoph Clausen:
Viel wird davon abhängen, wer in Führung geht. Ein Rückstand, zumal ein früher, würde das ohnehin zerlumpte Gladbacher Nervenkostüm in Fetzen reißen. Vermeidet Michael Frontzecks Truppe das und tritt wieder engagierter und sortierter auf als am Samstag, ist ein Ende des Sturzfluges realistisch. Zum Sieg wird es aber nicht reichen. Die Partie endet mit 2:2.

Christian Heimanns: Ist der Kelch schon zur Neige oder holen wir da noch einen Schluck raus? Nach den letzten Ergebnissen fällt es wirklich schwer, auch nur den Standardoptimismus für ein Unentschieden aufzubringen. Mithin 0:1 für St.Pauli.

Christian Spoo: Ein Feuerwerk wird Borussia auch gegen St. Pauli nicht abbrennen. Aber wenn die Mannschaft noch einen Funken Leben in sich hat, erfolgt nun eine sichtbare Reaktion auf das zuletzt Geschehene. Borussia gewinnt mit 2:1.

Thomas Häcki: Ach ja, die Kiez-Kicker kommen zur Punkteabgabe. Ein typisches Spiel, welches am Ende für lange Gesichter sorgen dürfte. Das es dazu nicht kommt, darf man der Qualität der Fohlen zuschreiben. 4:3 nach einem wirklichen Zitterspiel.

Michael Heinen: Bis Samstag schien der Tipp für das Dienstags-Spiel einfach. Wenn nicht zuhause gegen St. Pauli, wann sonst sollte der Heimknoten endlich platzen? Das 0:7-Debakel lässt aber Befürchtungen aufkommen, das schlechte Wetter der letzten Wochen könnte die obligatorische Herbstkrise bereits jetzt ausgelöst haben. Auch wenn es weh tut, aber die Gefahr droht, dass Borussia selbst gegen St. Pauli verliert. Nach dem 0:2 brennt rund um den Borussia-Park endgültig der Baum.