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Hannover 96Nein, ganz allein hat Marco Reus gegen Hannover nicht gewonnen. Man muss das erwähnen, denn manch ein Kommentar zum Spiel ließe anderes vermuten. Reus sei der Spieler gewesen, der den Unterschied ausgemacht habe, heißt es zwar ganz richtig. Zu selten aber wurde erwähnt: Den Unterschied machen kann ein einzelner Spieler nur dann, wenn sich zwei Mannschaften ansonsten auf Augenhöhe begegnen. Und das war am Samstag im Borussiapark deshalb der Fall, weil die gesamte Mannschaft intelligenter spielte als in den letzten beiden Partien.

 

In Hoffen- und Heidenheim hatte die Favre-Elf noch unzählige Bälle verloren, auch weil sie spektakuläre One-Touch-Kombinationen zu inflationär und überhastet erzwingen wollte. Gegen Hannover war sie geduldiger, variierte das Tempo, wählte auch mal die sichere Lösung, nutzte sinnvolle Gelegenheiten zum schnellen Spiel in die Spitze aber erheblich präziser als zuletzt. Neben Reus könnte man zwar den phasenweisen brillanten Arango besonders herausheben, insgesamt aber zeigte sich die gesamte Gladbacher Mannschaft stark verbessert. Das galt vor allem in der ersten Halbzeit in Sachen Ballsicherheit, aber auch in Sachen Balleroberung. Schon die erste Chance des Spiels, bei der Herrmann das Tor verfehlte, wurde zwar durch Reus‘ starkes Zuspiel ermöglicht. Reus aber wäre gar nicht in Ballbesitz gekommen, wäre nicht der aufmerksame Jantschke im richtigen Moment in Lalas schlampiges Abspiel gespritzt.

 

Dazu kam die Defensive, die sich über weite Strecken so gut sortiert präsentierte, wie man es seit Favres Amtsantritt gewohnt ist. Erst nach dem 2:1 ließ sich die Borussia phasenweise zu weit zurückdrängen. Lange Zeit aber war wenig zu sehen von Abdellaoue, Schlaudraff und später Ya Konan, wenig von jenen blitzartigen Angriffen, für die Slomkas Team berühmt ist.

 

Wichtige Relativierungen. Aber natürlich war Reus großartig. Der Nationalspieler kombinierte bei seinen beiden Toren seine schon oft bestaunte Explositivät mit beeindruckender Präzision im Abschluss. Mit etwas Glück hätte Reus gar drei, vier oder fünf Tore erzielen können. In dieser Form muss sich Gladbachs Jungstar hinter niemandem in der Liga verstecken. Als Max Eberl vor zwei Jahren - noch zu Beginn von Reus‘ Entwicklung – erklärte, Reus sei für Borussia wertvoller als Marko Marin, wurde er nicht zuletzt von Marin belächelt. Inzwischen hat der Gladbacher den Bremer längst überholt, auch deshalb, weil er seine Brillanz viel konsequenter in den Dienst der Mannschaft stellt und Defensivarbeit nicht als unter seiner Würde betrachtet.

 

Reus lieferte Glücksmomente, zugleich aber das Wasser für jene, die gerne welches in den Wein der Euphorie schütten. Dafür ließen sich zwei Quellen anzapfen. Aus der einen murmelt es: Die Borussia ist zu einseitig von Reus abhängig. Aus der anderen: Es ist aussichtlos, einen Spieler dieser Qualität noch länger als diese eine Saison zu halten.

 

Keine Frage: Ohne diesen Ausnahmespieler wäre die Borussia ganz erheblich geschwächt. Das ist aber keine Gladbacher Besonderheit. Die meisten Mannschaft der Liga, die Bayern mit Abstrichen ausgenommen, haben Spieler, deren Ausfall kaum zu kompensieren wäre: Für Bremen etwa ist das Pizarro, für Hamburg Petric. Eine Bank wie die Bayern kann sich kaum jemand leisten. Es hat wenig Sinn, darüber zu lamentieren.

 

Wenig Sinn hat es auch, sich an einem herrlichen Sommertag über den Schneematsch des nächsten Februars zu grämen; wenig Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie lange Reus bei der Borussia spielen wird. Das Blatt mit den großen Buchstaben bemüht sich seit einer Weile penetrant, ihn zu den Bayern zu schreiben; andere Medien springen auf den Zug auf.

 

Natürlich werden sportlich wie finanziell hochinteressante Angeboten nicht ausbleiben. Wie sich Reus entscheiden wird, ist aber noch keineswegs ausgemacht. Das Gladbacher Spiel ist in einer Weise auf ihn ausgerichtet, wie es in München sicher nicht der Fall wäre. Was das ausmachen kann, lässt sich unter anderem an Lukas Podolski studieren. Es gibt keinen Automatismus, nach dem der Wechsel nach München für junge deutsche Nationalspieler entwicklungsfördernd ist. Sollte es Reus aber zur neuen Saison doch zu den Bayern oder einem anderen großen Club ziehen, dann kann man sich immer noch um den Schneematsch kümmern. Vorerst aber ist Sommer, borussisch gesehen.