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tsghoffenheim Neuer hielt den Schuss von Nordtveit und um den Gladbacher Anhang war es geschehen. 120 Minuten und ein Elfmeterschiessen hatten die Fans nicht einfach zugesehen, sie hatten wie zu Bökelberg-Zeiten das Stadion regelrecht bemannt wie eine Crew ein Segelschiff. Aber als der Schuss des Norwegers an Neuers Fuß hängenblieb, brach der Crew das Herz. Zum ersten Mal und wieder ein Mal.


Mädchen, denen still die Wimperntusche verlief, reife Mütter in wütendem Schluchzen, gestandene Männer mit feuchten Augen wehrten sich gegen das Drama, kämpften damit, akzeptierten es irgendwie. Und während ich versuchte, einige mit dem Versprechen zu trösten, dass wir nächstes Jahr einen viel größeren und schöneren Pokal gewinnen, bekam ich den Eindruck, dass diejenigen mehr litten, die am 31. Main 1984 noch zu jung waren, um damals alles zu begreifen. Ich hingegen war damals ein Schüler, den Matthäus´ Weggang in Entsetzen und sein verschossener Elfmeter in Verzweiflung stürzte.

Hoy es hoy y es ayer y anteayer, "heute ist heute und gestern und vorgestern" , das überlegt sich der Schriftsteller und ausgesprochene Fan von Real Madrid, Javier Marías. In seiner Kolumne, die vor einem Champions-League Endspiel in einer spanischen Zeitung erschien, beschreibt er, wie alles das, was er als Fan jemals erlebt hat, bis heute in ihm lebendig bleibt. Alle Spiele seines Vereins von Kindheit an sind vielleicht vorbei aber nie wirklich Vergangenheit und in jedem Moment bei ihm. Vielleicht ist es für Anhänger anderer Vereine nicht ganz maßgeblich, dasss er auf einen Schatz von Erinnerungen zurückgreifen kann, der vom legendären 7:3 Endspiel gegen Eintracht Frankfurt bis in die Neunziger Jahre reicht; aber es ist ein schönes Bild, wenn nicht nur der fast Fünfzigjährige seinen Lesern den Sieg gegen Juventus verspricht sondern auch der Student und der achtjährige Junge in ihm.

Jeder Fußballfan weiss sofort, was Marías meint, jeder leidende Anhänger von Borussia Mönchengladbach erst recht. Selbst an normalen Tagen hängt überall wo  man hinsieht, ein Vergleich mit der nie einzuholenden, glorreichen Vergangenheit. Darum konnte kein Borusse ab ca 35 Jahren aufwärts anders, als den Moment, in dem Dante zum Elfmeterpunkt schritt, zweimal zu erleben, mit Dante und dem "Judas in the making" gleichzeitig vor Augen. Egal ob Dante überhaupt zu den Bayern geht, viele von ihnen sahen die Wiederholung der Geschichte kommen. Als es passiert war, war es für sie nicht mehr so schlimm, wie bei jedem, dem das Herz nicht zum ersten Mal bricht. Das Kind in ihnen weiss, dass es zum Borussendasein so untrennbar wie zum Leben gehört,  zu scheitern, nur dass man mit Borussia Mönchengladbach einfach viel glorreicher und dramatischer scheitern und wieder aufstehen kann, als es den meisten im restlichen Leben je gelingt.

Die Vergangenheit in uns erzählt uns von van der Krofts Betrug in Madrid, von Matthäus´ Fehlschuss, von Mbwandos Handspiel im Aachener Straufraum und bald von Dantes Schuss über die Latte. Wer das alles überlebt hat, den hat die Geschichte reifen lassen, an dem prallen Widernisse ab und das Schöne, zum Beispiel einen Außenristpass von Arango, erlebt er farbiger. Und die, die am Mittwoch  zum ersten Mal erlebt haben wie es ist, von Borussia gebrochen zu werden, werden irgendwann Umstehende trösten und ihnen vielleicht dicke Pokale versprechen. Das ist geradezu größer als das Leben vor den Stadiontoren und schön.  Im Vergleich dazu ist Bayernfan sein so interessant und menschlich prägend wie ein Anruf von Christian Wulff und hängt euch euer ewiges "Aber Manchester" sonst wohin.

Am Samstag spielt Borussia Mönchengladbach gegen Hoffenheim. Was für eine Ankündigung -  nach dem schicksalhaften Mittwoch in Echtzeit und Historie kommt die überflüssigste Idee jemals von einer Bundesligamannschaft. Hier geht der Vorbericht nicht weiter.

Borussia: Ter Stegen; Jantschke, Stranzl, Dante, Daems; Herrmann, Neustädter, Cigerci, Arango; Hanke, Reus

Hoffenheim: Starke; Beck, Westergaard, Compper, Johnson; Williams, Rudy, Firmo, Babel; Salihovic, Schipplock

SEITENWAHL-Meinung:

Thomas Häcki:  13 Akteure treffen sich am Samstag im Borussenpark auf dem Platz. 11 Hoffenheimer, ein Schiedsrichter und eine Gladbacher Mannschaft. Teamgeist schlägt Individualismus, somit gewinnt die Borussia 2:0.

Christoph Clausen: Tradition siegt gegen Retorte mit 2:0.

Christian Spoo: Kaputt? Demoralisiert? Ach was. Borussia besinnt sich auf das, was die Mannschaft auch gegen Bayern stark gemacht hat und schlägt Hoffenheim souverän mit 3:1.

Michael Heinen: Borussia lässt sich durch das Pokal-Aus nicht beirren und schlägt Hoffenheim mit 1:0.

Christian Heimanns: Borussia lässt sich durch das Pokal-Aus sehr wohl beirren. Zu Anfang. Aber dann findet sie wieder ins Leben zurück und siegt mit 2:0.