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Was war das für ein Jahr! Am 14. Februar 2011 wurde der glücklose Michael Frontzeck als Trainer von Borussia Mönchengladbach durch Lucien Favre ersetzt. Am 20. Februar 2011 startete dieser mit dem 2:1 über Schalke 04 eine beeindruckende Aufholjagd, die in einer emotionalen Relegation und dem umjubelten, kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt gipfelte. Doch der Wahnsinn ging weiter. Selbst zu Beginn der Rückrunde der Folgesaison wurde Borussia ernsthaft als Kandidat für die Deutsche Meisterschaft gehandelt. Am 18. Februar 2012, also ziemlich genau ein Jahr nach Beginn des Höhenflugs, gipfelte dies mit dem 2:1-Sieg in Kaiserslautern darin, dass selbst der Rekordmeister aus München überholt wurde. In den 34 ersten Spielen unter Favre holte die Mannschaft 66 Punkte bei einem Torverhältnis von 52:22. Eine Bilanz, die in den letzten 4 Jahren mindestens für Platz 3 in der Endtabelle gereicht hätte.


Mittlerweile sind 6 Wochen vergangen und eben jener Platz 3 ist durch das 1:2 in Hannover ernsthaft in Gefahr. In den letzten 6 Pflichtspielen konnte nur einmal zum Ende des Spiels gejubelt werden – beim wichtigen 2:1-Erfolg in Leverkusen. Darüber hinaus gab es ein Halbfinal-Aus im DFB-Pokal nach Elfmeterschießen, zwei Heim-Remis gegen Abstiegskandidaten sowie drei knappe Niederlagen. Es wäre der tollen Saison des Vereins nicht angemessen, von einer echten Krise zu sprechen. Dennoch sieht es sehr danach aus, dass das goldene Jahr (zunächst) keine Fortsetzung finden kann.

 

Borussia spielt in diesen letzten Wochen nicht wirklich schlecht – jedenfalls nicht dann, wenn man es mit diversen Leistungen aus den vergangenen Jahren vergleicht. In Nürnberg und Hannover war ein Unentschieden jeweils im Bereich des Machbaren. Gegen Hoffenheim wäre sogar ein Sieg überfällig gewesen. Die Pokalpartie gegen die Bayern war einer beachtlichen Leistung geschuldet, die dem Verein Anerkennung im ganzen Land verschafft hat.

 

Dennoch ändert dies alles nichts daran, dass Borussia bei weitem nicht mehr so beherzt auftritt und so „geil auf den Erfolg“ zu sein scheint wie noch vor einigen Wochen. Defensiv gab es zuletzt zweimal in Folge zwei Gegentore, auch wenn man in beiden Spielen ansonsten sehr wenige Torchancen des Gegners zuließ. Ins Spiel der Gladbacher schleichen sich aber immer mehr Ungenauigkeiten ein, die den Gegner zu Möglichkeiten einladen und zudem das eigene Offensivspiel bereits im Ansatz bremsen.

 

Die Probleme in der Offensive wurden lange Zeit auf das Fehlen von Patrick Herrmann zurückgeführt. Nun ist der schnelle Rechtsaußen zurückgekehrt, ohne aber bislang an seine Leistungen vor dem Schlüsselbeinbruch anknüpfen zu können. An einem Spieler allein sollte es aber ohnehin nicht liegen. Im System von Lucien Favre sind faktisch nur vier Spieler für die Offensivaktionen zuständig, wobei sich Mike Hanke und Igor de Camargo zuletzt um den letzten Platz des „magischen Vierecks“ streiten. 36 der 41 Borussen-Tore sind durch diese fünf Akteure erzielt worden. Der ebenso schöne wie erste Saisontreffer von Nordtveit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl das defensive Mittelfeld als auch die Außenverteidiger ihr Hauptaufgabenfeld in der Sicherung der Defensive sehen.

 

Im goldenen Jahr zwischen Februar 2011 und 2012 waren alle vier Angreifer in Topform und stachelten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Juan Arango zauberte so sehr, dass er gar mit Günter Netzer verglichen wurde. Mike Hanke und Patrick Herrmann rückten ins Blickfeld des Nationaltrainers. Marco Reus war in diesem Zeitraum der wohl beste Spieler der gesamten Liga, für den selbst 17,3 Millionen Euro wie ein Schnäppchen wirkten. Wenn aber nur ein bis zwei der insgesamt nur vier Angreifenden verletzungs- oder formbedingt wegbrechen, muss dies logischerweise umso größere Auswirkungen auf das gesamte Offensivspiel haben.

 

Nach dem 18.2.2012 fiel Herrmann verletzt aus. De Camargo konnte ihn nur unzureichend ersetzen, während Reus und Hanke in ihrer Form merklich nachließen. In den letzten beiden Spielen waren die Offensiven allesamt kein Totalausfall, denn sie erspielen sich weiterhin eine ordentliche Anzahl brauchbarer Torchancen. Ihre Leistungen scheinen sich aber wieder auf das Maß einzupendeln, auf dem sie sich vor Beginn des Höhenflugs über Jahre hinweg befunden haben.

 

6 Spiele sind in dieser Saison noch auszutragen. Der Vorsprung auf Rang 5 sollte mit 10 Punkten groß genug sein. Der Rückstand auf Schalke ist mit 3 Punkten noch überschaubar. Aufholen ließe er sich aber nur noch dann, wenn Borussia in den nächsten Wochen wieder dahin kommt, wo man sich bis Mitte Februar bewegt hat. Ein jeder Fan hat das Recht enttäuscht zu sein, dass dieses Vorhaben in den vergangenen Wochen nicht so recht umgesetzt werden konnte. Ein jeder Fan sollte aber auch erkennen, auf welch hohem Niveau die Mannschaft zu konkurrieren versucht. Schalke 04 war im Vorjahr Champions League-Halbfinalist und Pokalsieger und steht in dieser Spielzeit erneut im Viertelfinale der Europa League. Mit Klaas-Jan Huntelaar und Raul verfügt die Mannschaft über zwei Stürmer von absoluter Weltklasse. Im Grunde genommen grenzt es an ein Wunder, dass Borussia Mönchengladbach mit dieser internationalen Spitzenmannschaft, die sich seit Monaten in Topform befindet, auf Augenhöhe bleiben kann.

 

Selbst ein Verein wie Hannover 96, der von vielen Fußballfans immer noch unterschwellig ein wenig unterschätzt wird, ist der Borussia in seiner Entwicklung ein ganzes Jahr voraus. Nach dem Fast-Abstieg 2009 starteten sie schon im Vorjahr durch auf Platz 4 und haben es in dieser Saison verstanden, sich – national wie international – auf hohem Niveau zu etablieren. Eine Vorgabe, wie sie Borussia in der kommenden Saison zu kopieren versuchen sollte. Es ist eher als „normal“ anzusehen, bei dieser Mannschaft zu verlieren, die in der gesamten Saison noch kein Heimspiel verloren und u. a. die Bayern und Dortmund geschlagen hat.

 

Enttäuschend war es vielmehr, dass es den Gladbachern zwar gelang, diesem starken Gegner nur zwei echte Torchancen zu gestatten, dies aber letztlich nicht einmal zu einem Punktgewinn reichte. Der bedingungslose Wille, diese Partie unbedingt und mit allen Mitteln gewinnen zu wollen, war erst in der Nachspielzeit zu spüren. Vorher war das Auftreten allzu zaghaft und man hatte stets das Gefühl, die Mannschaft hole nicht bedingungslos alles aus sich heraus. Lucien Favre steht nun vor einer großen Herausforderung, die Gründe für den leichten Abschwung zu finden und auszuloten, damit diese sensationelle Saison zu einem würdigen Abschluss gebracht wird. Man sollte aber nicht den Fehler machen, dies einzig und allein darauf zu reduzieren, dass am Ende zwingend Platz 3 erreicht werden muss.