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Werder BremenGegen Werder Bremen zeigte Borussia über weite Strecken des Spiels wieder den Fußball, welcher den letztjährigen Abstiegskandidaten zur fraglos positivsten Überraschung der laufenden Saison avancieren ließ. Mit dem in der Anhängerschaft zuletzt schmerzlich vermissten Direktpass- und Konterspiel der Marke Favre war man nahezu permanent gefährlich und ließ den Gegner ein ums andere Mal hinterher laufen. Man erzielte zwei Tore, drehte einen Rückstand in eine verdiente Führung. Und doch überwog nach 90 Minuten die Unzufriedenheit über eine Partie, die man niemals hätte aus der Hand geben dürfen – nicht nur, weil man nach der Roten Karte für Sebastian Boenisch über 60 Minuten in Überzahl spielte. So passte das gestrige Spiel an der Weser schließlich besser zu der aktuellen, eher biederen Saisonphase der Borussia, als es das Spektakel auf dem Platz zunächst vermuten ließe.

 

Besonders im Offensivspiel fehlte erneut die notwendige Konzentration, um in entscheidenden Szenen die richtige Entscheidung zu treffen. Suchte Marco Reus bei seiner ersten Gelegenheit in der 7. Minute noch zu früh den Abschluss, anstatt den freistehenden Herrmann zu bedienen, verpasste es Borussia in der Folgezeit, trotz phasenweise drückender Überlegenheit einen Ball gefährlich in Richtung des Tores von Tim Wiese zu bringen. Den Bremern ihrerseits gelang es nicht, Borussia auch nur ansatzweise vom eigenen Strafraum fernzuhalten. Anstatt bereits nach der eigenen Führung, spätestens aber der Unterzahl-Situation seit der 27. Minute, auf Kompaktheit zu setzen und die Räume zu verengen, behielt man die ohnehin defensiv anfällige Raute-Formation fast über die gesamte Spielzeit bei. Auch die hoch stehende Abwehrkette rückte bei eigenem Angriff weit mit auf. Entgegen der erfolgreichen Strategie der vorherigen Gegner der Borussia, die mit einer tiefstehenden Verteidigung und einem dichten Mittelfeld der Fohlen-Elf sehr effektiv ihrer spielerischen Stärken beraubt hatten, lud Werder den VfL förmlich zum Fußballspielen ein.

 

Lucien Favre hatte das Abwehr-Faszinosum von Trainer Thomas Schaaf, dem es in seiner nunmehr bald 13-jährigen Amtszeit nach wie vor nicht gelungen ist, ein funktionierendes Defensiv-System in Bremen zu etablieren, schon vor dem Spiel durchschaut, indem er den schnellen Patrick Herrmann in der Anfangsphase in die Sturmspitze beorderte. Auch dadurch ergaben sich für Borussia vorne immer wieder große Freiräume, die man jedoch nicht konsequent genug zu nutzen wusste. Mit Ausnahme der klaren Chance für Herrmann direkt vor dem Bremer 1:0, dem ein schöner Spielzug über Reus und Hanke vorausgegangen war, agierte der VfL wie so häufig zu verspielt und kompliziert in seinen Angriffen.

 

So war es durchaus überraschend, dass der hochverdiente Ausgleich zum 1:1 ausgerechnet durch einen fulminanten, nahezu ansatzlosen Schuss von der Strafraumgrenze fiel. Hanke hatte mit seinem eigentlich schwächeren linken Fuß abgezogen und den Ball unhaltbar neben den rechten Innenpfosten des Bremer Tores genagelt. Der stärkste Borusse an diesem Tag schien das Spiel sogar endgültig gedreht zu haben, als er einen sauber vorgetragenen Konter nach klugem Zuspiel von Reus zur Führung abschließen konnte. Doch versäumte es auch Mike Hanke, in der Folgezeit für ein drittes, vermutlich entscheidendes Tor zu sorgen – sein etwas ungenauer Pass auf den völlig freistehenden Reus verhinderte in der 80. Minute dessen 16. Saisontor. Weitere Chancen und Halbchancen folgten im zwei-Minuten-Takt, Alexander Ring vergab schließlich kurz vor Schluss mit seinem Lattentreffer den Sieg.

 

Insgesamt steht eine Offensivleistung zu Buche, die einerseits die Hoffnung weckt, die Mannschaft könne ihre zuletzt schon verloren geglaubte Spielfreude wiedergefunden haben. Mehr denn je gilt nach dieser Partie jedoch  auch der Hinweis darauf, dass eine Mannschaft immer nur so gut ist, wie der Gegner es zulässt. Gegen eine durchschnittliche Mannschaft von Werder Bremen, die mit ihrer indiskutablen Defensivreihe und einer verfehlten Transferpolitik in den letzten Jahren kontinuierlich mehr von ihrem traditionell guten Ruf, als von einem erkennbaren sportlichen Konzept lebt, waren wie schon im Hinspiel mehr Räume vorhanden als gegen einen Großteil der sonstigen Bundesliga-Konkurrenz. Diese nur teilweise genutzt zu haben, sorgte bei den Borussen-Spielern und Verantwortlichen nach dem Spiel für sichtbaren und gerechtfertigten Ärger.

 

Überraschend unsicher präsentierte sich die lange Zeit als nahezu unüberwindlich geltende Verteidigung der Borussia. Neben den beiden Gegentoren ließ man Werder trotz Unterzahl zu weiteren hochkarätigen Chancen kommen, wobei sich vor allem Sturmführer Claudio Pizarro mehrfach im Strafraum durchsetzen konnte. Während Brouwers und ter Stegen diese Chancen im letzten Moment zu vereiteln wussten, erwischte Borussias Abwehrchef Dante einen rabenschwarzen Tag und sah nicht nur beim Bremer Führungstor nicht gut aus. Etwaige Spekulationen über die Gründe für derlei Konzentrationsschwächen erscheinen jedoch unangebracht – im Spiel gegen Hertha BSC gehörte der Brasilianer noch zu den stärksten Gladbachern.

 

Dennoch kann es für den Anhänger mit Blick auf die personellen Veränderungen im Sommer als gewissermaßen tröstlich erachtet werden, dass neben dem überspielt wirkenden Juan Arango ausgerechnet Roman Neustädter und Dante, zwei Spieler, die sicher bzw. mutmaßlich den Verein verlassen werden, nicht zum ersten Male zu den schwächeren Akteuren auf dem Platz gehörten. Auch wenn dies sicher für eine Mannschaft nie wünschenswert ist, zeigt es Spielern und Umfeld doch, dass die aktuelle Saison für die Entwicklung der Mannschaft nicht das Ende der Fahnenstange darstellen muss. Denn auch in Bremen wurde trotz der klaren spielerischen Überlegenheit phasenweise deutlich, dass besonders beim geordneten Spielaufbau im zentralen Mittelfeld noch gehöriges Steigerungspotential vorhanden ist.

 

Die kreativen Schwächen des defensiv soliden, aber technisch limitierten Harvard Nordtveit, im Zusammenspiel mit den nicht selten mutlosen und wenig dynamischen Offensivaktionen Neustädters, haben in den vergangenen Wochen großen Anteil daran, dass sich Borussia mit dem Herausspielen von Chancen schwerer tut als in der Hochphase dieser Saison. Dabei sind Juan Arango und Mike Hanke als verkappte Spielmacher auf Dauer auch keine Lösungen, um auch gegen tiefstehende Gegner bestehen zu können. Für den Rest der aktuellen Saison wird diese Lösung dennoch wohl die wahrscheinlichste bleiben, sieht Favre doch Tolga Cigerci in seiner Entwicklung noch nicht weit genug und den technisch versierten Alexander Ring derzeit eher als Offensivspieler.

 

Am Ende bleib nach dem gestrigen Spiel vor allem die Enttäuschung über die leichtfertig verpasste Chance, noch einmal Druck auf den FC Schalke 04 auszuüben. Platz drei und die damit verbundene, direkte Qualifikation für die Champions-League scheinen außer Reichweite. Die Sicherung des vierten Ranges wird somit das realistische Ziel der Borussia für die restlichen vier Spiele der Saison darstellen. Schon mit einem Sieg am Sonntag gegen taumelnde Kölner könnte man sich angesichts von aktuell sieben Punkten Vorsprung  auf den VfB Stuttgart auf zwei Qualifikationsspiele gegen einen europäischen Hochkaräter zu Beginn der neuen Spielzeit freuen. Reus und Co. sollten den angestauten Frust über die verpassten Möglichkeiten in Bremen nutzen, um der Borussia einen ebenso erfreulichen wie zuletzt gewohnten Derby-Ausgang zu bescheren.