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„Wir haben noch viel zu tun“, dieses Favresche Mantra hat seit einiger Zeit das altbekannte „wir denken immer nur von Spiel zu Spiel“ abgelöst. Richtig sind beide Einlassungen, egal wie oft wiederholt, auf jeden Fall. Dass trotz einiger brillianter Offensivaktionen in den Heimspielen gegen Hannover, Bremen und mit Abstrichen auch Braunschweig wirklich noch jede Menge zu tun ist, zeigt das Spiel in Augsburg mehr als deutlich. Klar sichtbar ist: während die im vergangenen Jahr noch deutlichst vorhandene Baustelle Offensive weitgehend geschlossen ist, ist es jetzt die Defensivarbeit, an deren mangelnder Qualität Borussias Spiel oft krankt.

„Wir sind schlecht in der Abwehr.“ Ein solcher Satz, geäußert nach einem auf dem Papier souveränen 4:1-Sieg und gesagt vom Abwehrchef darselbst, macht nachdenklich. Martin Stranzl, der das nach dem Spiel gegen Braunschweig gesagt hat, hat sich damit als selbstkritischer Kapitän erwiesen, was man nur begrüßen kann. Dabei ist er neben Marc André ter Stegen der einzige, der sich in Sachen Torverhinderung nichts vorzuwerfen hat.  Auch in Augsburg machte Stranzl nichts falsch. Obwohl er früh eine berechtigte gelbe Karte für ein absolut notwendiges Foul kassierte, blieb er Borussias bester Verteidiger, ohne ernsthaft in die Gefahr zu geraten, vom Platz zu müssen.

Ansonsten aber ließ Borussia Augsburg zu viel durchgehen. Zwar waren die Spieler über weite Strecken erfolgreich bemüht, dem harten Einsteigen des Gegners robust entgegenzutreten, in der zweiten Halbzeit, spätestens nach dem eigenen Führungstor und dem folgenden selbstbewussten Anrennen des FCA offenbarte die Mannschaft aber böse Schwächen.

Der meistkritisierte Spieler der aktuellen Stammformation und neuerdings offenbar mit der „Marx-Rolle“ des Punching-Balls für Fan-Frust ausgestattet, ist Tony Jantschke. In der Tat hatte der Rechtsverteidiger mit seinem Konterpart Ostrzolek seine liebe Mühe, ließ sich einige Male düpieren und machte nach vorne so gut wie gar nichts, allerdings bekommt Jantschke in dieser Saison auch keinerlei Unterstützung mehr von seinem Vordermann. Patrick Herrmann ist überwiegend mit dem Versuch beschäftigt, im Offensivwirbel der Herren Kruse und Raffael irgendwie produktiv mitzuwirken. Nach hinten findet der Fast-Nationalspieler im Moment überhaupt nicht statt, mit dem Resultat, dass Tony Jantschke oft unverschuldet schlecht aussieht.

Ähnlich verhält es sich auf der anderen Seite. Unter Lucien Favre hatte Juan Arango irgendwann die simple Fußballweisheit begriffen, dass Abwehrarbeit vorne beginnt. Und so gab es zahlreiche Spiele, in denen er gemeinsam und exzellent abgestimmt mit Filip Daems die linke Abwehrseite dicht machte. Diesen Teil der Arbeit vernachlässigt der Venezolaner seit einigen Monaten sichtlich. Zudem scheint die Abstimmung mit Oscar Wendt deutlich zu haken.

Überhaupt: Oscar Wendt. Ein Tor gegen Braunschweig und eine Großchance in Augsburg sind Beleg für seine durchaus vorhandenen Offensivqualitäten. Dass er allerdings mehr für das Offensivspiel tut, als sein Konkurrent Filip Daems, ist zumindest in dieser Saison nicht ersichtlich.  Nimmt man Wendts Defensivleistung als Maßstab, zeigt das Augsburg-Spiel einmal mehr, dass der Schwede nur der zweitbeste Linksverteidiger im Kader Borussias ist. Mit seinem nachlässigen Eingreifen nach dem eigentlich schon als verunglückt abzuhakenden Angriff in der 88. Minute war Wendt der Wegbereiter des späten Ausgleichs. Ein entschlossener Sprint, und Wendt wäre klar vor Hahn am Ball gewesen. Ein beherzter Befreiungsschlag und Borussia hätte das Spiel wohl gewonnen.

Dass die Defensivarbeit eine Aufgabe für elf Mann ist, zeigt aber auch, was nach dem Querpass von Hahn geschah. Die Abwehrspieler standen im Strafraum durchaus eng bei den Augsburger Angreifern. Dass Milik rechts vors Tor „durchrutschen“ konnten, lag nicht nur an Jantschkes in der Tat in dieser Situation fragwürdigem Stellungsspiel, sondern auch daran, dass Borussias Offensivkräfte nicht mitgegangen waren. Branimir Hrgota hatte es beispielsweise vorgezogen, seinen Weg zurück am 16-Meter-Raum zu beenden.

Aber auch die anderen Fachkräfte für Abwehrarbeit hatten am Freitag keinen guten Tag. Alvaro Dominguez fehlt gelegentlich die Entschlossenheit, auch das ist vor dem 2:2 gut zu sehen. Vor allem aber geht dem Spanier in der Spieleröffnung die Qualität ab, die man sich bei seiner Verpflichtung von ihm versprach. Fast wünscht man sich das Comeback des Roel Brouwers, von dem spielerisch zwar auch nicht mehr zu erwarten ist, der aber im Zweifelsfall hinten „abräumt“, wenn es Not tut.

Bleibt in der Betrachtung des Gladbacher Defensivspiels vom Freitag die Doppel-Sechs. In dieser Zusammensetzung dürfte die in näherer Zukunft nicht mehr auflaufen. Granit Xhaka hat seine Gelbsperre abgesessen und die kreativen Impulse des Schweizers im Spiel nach vorne fehlten überdeutlich. Steht zu hoffen, dass Xhaka defensiv seine Fehlerquote noch reduziert. Havard Nordtveit jedenfalls hat seine Chance, Xhaka zu verdrängen, nicht genutzt. Nach vorne kam vom Norweger - vom guten Querpass zu Kruse vor dessen Ausgleichstor abgesehen – fast gar nichts. Die zuletzt deutlich weniger gewordenen Ballverluste im Aufbauspiel waren gegen Augsburg wieder da und nicht selten hatte das mit Nordtveit zu tun, der entweder selbst den Ball hergab oder aber nicht anspielbereit war. Auch Christoph Kramer hatte nicht seinen besten Tag. Er war zwar gewohnt viel unterwegs, ließ sich aber im zweiten Durchgang und vor allem in den letzten 20 Spielminuten von der allgemeinen Zappeligkeit seiner Nebenleute anstecken.

Als Lucien Favre Borussia übernahm, schaffte er es, hinten dicht zu machen. Während der Sahne-Saison 2011/12 war Borussias Abwehr ein Bollwerk. Auch während der vergangenen Saison lag in der Stärkung der Defensive (seinerzeit mit der Hereinnahme des in der Anhängerschaft ungeliebten Thorben Marx) der Schlüssel zu so manchem Punktgewinn. In dieser Saison muss man sich um die Offensive wenig Sorgen machen, wenngleich über die Personalie Herrmann angesichts der aktuellen Verfassung zumindest nachgedacht werden muss.

Die Defensive aber hat ein Problem, mehr ein strukturelles, als ein personelles. Die Offensivleute müssen mehr mitmachen, die zentralen Mittelfeldspieler dürfen ihre vornehmliche Aufgabe nicht vernachlässigen. Das wird komplizierter, als es sich anhört. Aber Lucien Favre wird das wissen, wenn er sagt „es gibt noch viel zu tun“.