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Mit dem Transfer von Sinan Kurt zum FC Bayern München wurde an diesem Wochenende ein leidiges Thema zu Ende gebracht, das der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten viel Gesprächsstoff geboten hatte. Max Eberl war sichtlich darum bemüht, die Angelegenheit im Standpunkt-Gespräch bei Sky nicht noch einmal hochkochen zu lassen. So ganz kann man die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen, denn das Interview bot einen höchst interessanten Aspekt, der in der bisherigen Berichterstattung deutlich zu kurz gekommen ist.

Der größte Streitpunkt zwischen Borussia auf der einen sowie den Bayern, Kurt und seinem Berater auf der anderen Seite, drehte sich um die tatsächliche Laufzeit des Vertrags. Kurt hatte mit 16 Jahren einen 3-Jahres-Vertrag unterzeichnet, der im Jahr 2015 ausgelaufen wäre. Eine längere Laufzeit war und ist laut DFB-Regularien in diesem Alter nicht zulässig. Darüber hinaus hat Borussia aber mit dem Spieler einen „Anschlussvertrag“ über ein weiteres Jahr geschlossen, um diese Regularien bewusst auszuhebeln und die Vertragslaufzeit künstlich bis 2016 zu verlängern. Ein juristisch fragwürdiger Kniff, der vor Gericht höchstwahrscheinlich keinen Bestand gehabt hätte. So ja auch die Argumentationslinie des Beraters Michael Decker.

Formaljuristisch wird sich Borussia hier also in einer schlechten Position befunden haben, weswegen man letzten Endes einem Verkauf zustimmen musste, um zumindest noch etwas Geld kassieren zu können. Interessant ist aber die von Eberl getätigte Aussage, dass es sich bei dieser Art Vertragsgestaltung um ein ligaweit anerkanntes Gentlemen Agreement handelt, mit dem sich bislang alle Vereine und Berater stillschweigend einverstanden erklärt haben.

Die Jugendarbeit wird für viele Vereine zunehmend wichtiger, um sich gegen die immer größer und reicher werdenden Topklubs noch einigermaßen behaupten zu können. Wer auf die Verletzung eines Stammspielers mit dem Kauf zweier internationaler Stars reagieren und insgesamt rund 60-70 Mio. Euro investieren kann, der ist auf seine Jugendabteilung nicht unbedingt angewiesen. Vereine wie Borussia hingegen müssen immer wieder Spieler entwickeln, und sie an die erste Mannschaft heranführen, die dort dann ein paar Jahre den Verein verstärken, um später ggf. für gutes Geld den Verein zu verlassen. Marko Marin, Marcell Jansen oder Marc-André ter Stegen sind Beispiele, bei denen dies in den letzten Jahren hervorragend funktioniert hat.

Max Eberl moniert zurecht, dass dieses System ad absurdum geführt wird, wenn der Ausbildungsverein in jungen Jahren in den Spieler investiert und ihn an die erste Mannschaft heranführt, wenn dann aber der Zyklus unterbrochen wird und er für relativ kleines Geld frühzeitig den Verein verlässt. Würde dies zur Regel, so wäre das Konzept, gezielt auf die Förderung der Jugendarbeit zu setzen, kaum noch lukrativ und der eine oder andere Verein würde sein Geld wohl lieber wieder in alternde (Ex-)Stars investieren – so wie einst in den 1990er Jahren. Wohin dies damals den deutschen Fußball gebracht hat, frage man nach bei Erich Ribbeck.

Die DFB-Regularien mögen vor vielen Jahren zum Schutz junger Spieler sinnvoll und richtig gewesen sein. In Zeiten, in denen auch der Jugendfußball zunehmend den Gesetzen des Raubtierkapitalismus unterworfen ist, kann dieses System aber nicht mehr funktionieren. Gerade die reichen Klubs, wie der FC Bayern, Hoffenheim oder Leipzig, gehen im Jugendbereich zunehmend aggressiv zu Werke, weil sie die Verdienstmöglichkeiten in diesem Bereich erkennen. Geradezu abstrus wird es übrigens, wenn jene Vereine sich später dann noch mit der großen Anzahl junger Spieler im Profikader rühmen, die sie zuvor den originär ausbildenden Vereinen weggekauft haben.

Max Eberl strich heraus, dass das System auch in Zukunft nur über Gentlemen Agreements funktionieren könne. Die Sache hat nur einen Haken: Gentlemen Agreements funktionieren nur unter Gentlemen. Michael Decker sowie Karl-Heinz-Rummenigge haben dieses Agreement gebrochen, als sie mit ihren klaren Hinweisen auf die verkürzte Vertragsdauer Druck auf Borussia ausgeübt haben, um die Ablöseforderung zu drücken. Formaljuristisch mögen sie damit im Recht gewesen sein. Moralisch haben sie damit aber ein System in Frage gestellt, dass hauptverantwortlich für die jüngsten Erfolge des deutschen Fußballs und damit auch des FC Bayern ist.