Angesichts der wirtschaftlichen Unterschiede in der Fußball-Bundesliga, die insbesondere durch exorbitante Champions-League-Gelder und externe Gönner zunehmend den Wettbewerb verzerren, täte die Öffentlichkeit gut daran, relative Erfolge der Vereine stärker zu honorieren als es bisweilen geschieht. Die wahren deutschen Meister der vergangenen Jahre hießen dann nämlich Mainz 05, FC Augsburg und eben Borussia Mönchengladbach. Der Eindruck der tabellarischen Dominanz des FC Bayern München über die Liga verblasst schnell, wenn man sich die statistischen Fakten vor Augen führt.

Bei fast allen relevanten Daten - seien es die Einnahmen, Personalkosten oder der Marktwert der Spieler - liegt der Rekordmeister mehr als das Vierfache über den Werten der Borussia. Es sind mitnichten nur die nationalen TV-Gelder, deren Verteilungsschlüssel derzeit so hitzig diskutiert wird. Allein durch Sponsoring nimmt Bayern jährlich 117 Mio. € ein im Vergleich zu Borussias 25 Mio. Beim Merchandising sind die Unterschiede mit 105 Mio. € gegenüber 11 Mio. noch deutlicher. Der zuletzt verkündete Umsatz von 528,7 Mio. € ist daher weit von jenem Rekordwert entfernt, den Borussia im April mit 130 Mio. € verkündete.

Die logische Konsequenz: Jeder der Bayern-Spieler, die im Borussia-Park aufliefen, verdient - zum Teil deutlich - mehr als jeder seiner Gegenspieler. Selbst Dauerbankdrücker Sebastian Rode darf sich über ein jährliches Salär von mindestens 3,5 Mio. Euro freuen, das ihn über das Bremsen seiner sportlichen Entwicklung hinwegtröstet. Vor diesem Hintergrund war die bajuwarische Drangphase, die sich für rund 20 Minuten in der 1. Halbzeit ergab, nur folgerichtig. Und es war umso bemerkenswerter, dass Borussia das Geschehen in den übrigen 70 Spielminuten ausgeglichen gestalten konnte. Ganz zu schweigen von der zwischenzeitlichen eigenen Überlegenheit, die ihr in der 2. Halbzeit innerhalb von 15 Minuten die drei verdienten Tore bescherte.

Es war insgesamt ein Spiel auf absoluter Augenhöhe zwischen den beiden derzeit besten Mannschaften der Liga. Bei beiden Teams fehlte ein halbes Dutzend potentieller Stammkräfte. Gejammert wurde darüber ausgerechnet nur von der Mannschaft, die sich einen zweiten Anzug mit Champions-League-Qualität leistet.

Auch Borussia befindet sich personell am Limit, was André Schubert aber mit kreativen Lösungen zu kompensieren versteht. So durften mit Dahoud, Christensen und Elvedi gleich drei 19jährige die Defensive der Borussia stabilisieren helfen, was ihnen in beeindruckender Manier gelang. Dies war auch ein Schlag ins Gesicht für den gleichaltrigen Sinan Kurt, dem extravagante Partyausflüge nach St. Tropez offensichtlich wichtiger sind als seine Bundesligakarriere. Vor diesem Hintergrund hat er mit seinem Wechsel zu den Bayern dann doch alles richtig gemacht und das Verprassen des schnell verdienten Geldes sei ihm von Herzen gegönnt. Auf lange Sicht erscheint aber der Weg, für den sich z. B. Mo Dahoud entschieden hat, ein wenig nachhaltiger.

Die Bayern haben nun also nach nunmehr 18 Monaten verwundert festgestellt, dass ihr Jung"star" ein wenig abgehoben sein könnte. Ein Blick in seinen Twitter-Account, den er seit Jahren regelmäßig mit "SuperSinan" abzeichnet, hätte ihnen dies schon vor dem Kauf verraten können. Was genau hatte Matthias Sammer erwartet von einem Spieler, der allein des Geldes wegen in so jungen Jahren bereits nach München gewechselt ist und sich dort mit Spielern wie Robben, Ribery oder Müller messen wollte, anstatt bei einem ambitionierten Klub zu bleiben, der für das nachhaltige Entwickeln junger Spieler seit Jahren bekannt ist?

Die Bayern werden ihre neue Strategie vermutlich dennoch beibehalten, die besten Talente des Landes möglichst frühzeitig an sich zu binden, um von 100 Jungspielern den einen Götze "selbst zu entwickeln" und sich dann für ihre "tolle Jugendarbeit" medial feiern zu lassen. Die 99 Talente, die in der Zwischenzeit durchs Raster fallen und die so in ihrer Entwicklung gebremst werden, sind zu vernachlässigende Kollateralschäden.

Borussia darf sich davon nicht beeindrucken lassen, sondern muss weiter ihren vernünftigen Weg gehen. Es gilt, immer wieder kreative, kluge Lösungen zu finden, um den deutlichen Wettbewerbsnachteil auf allen Ebenen auszugleichen. In den beiden direkten Duellen gegen die Bayern behielt Borussia im Jahr 2015 jeweils etwas glücklich, aber verdientermaßen die Überhand. Es spricht für die fragwürdige Qualität diverser Medien, wenn dies oftmals als "einmalige Ausrutscher" des großen Favoriten abgetan und mit verschiedensten Ausreden kleingeredet wird. Vielleicht liegt es ein Stück weit auch daran, dass sich Borussia in den letzten Jahren zu einer echten Spitzenmannschaft entwickelt hat, die auf Augenhöhe mit den ganz Großen Europas mithalten kann.

Yann Sommer braucht sich hinter den Leistungen eines Manuel Neuer nicht zu verstecken und darf somit ohne Übertreibung als einer der weltbesten Torhüter bezeichnet werden. Die Defensive hielt trotz des Fehlens der zwei erfahrensten und mutmaßlich besten Innenverteidiger gegen die Bayern ebenso stand wie zuvor bereits u. a. in zwei Spielen gegen den Champions-League-Finalisten aus Turin. Oscar Wendt und Fabian Johnson bilden die harmonischste und derzeit beste linke Seite der Bundesliga. Mit zuletzt Korb, aktuell Christensen, Dahoud und demnächst vielleicht noch Elvedi und/oder Marvin Schulz, entwickelt Borussia so nachhaltig Talente auf einem Niveau wie sonst nur Schalke 04. Granit Xhaka hat als Lenker des Spiels schon lange den Status und die Qualität erreicht wie sie am Niederrhein zuletzt Stefan Effenberg innehatte. Offensiv sorgt das Duo Raffael/Stindl ständig für Torgefahr, selbst wenn ihnen die Unterstützung der aktuell verletzten Traoré und Herrmann fehlt.

Sowohl in der vergangenen Rückrunde als auch in der Schubert-Bilanz der letzten 10 Spiele holte Borussia jeweils mehr Punkte als der übermächtige FC Bayern. International schlug sie sich gegen die Topteams aus Manchester, Turin und Sevilla höchst beachtlich. Schon in zwei Tagen wird die Mannschaft Gelegenheit haben, der Fachwelt in Manchester ein weiteres Mal zu belegen, dass der Erfolg über die Bayern kein Zufall war, sondern der Sieg eines Spitzenteams über das andere in einem Duell, das sich weit mehr auf Augenhöhe abspielt als es die (wirtschaftlichen) Voraussetzungen eigentlich zulassen sollten.