Fünf lange Wochen mussten die Fans auf ihre Borussia verzichten. Am Samstag abend präsentieren sich ab 18.30 Uhr gleich zwei Borussias im gleichnamigen Park, wenn die dort heimische Elf auf das westfälische Billigimitat trifft. Letzteres gilt für die meisten Experten als klarer Favorit - trotz einer insgesamt hervorragenden Vorrunde der Fohlenelf, trotz einer fast makellosen Bilanz von 1 Remis und 6 Siegen (u. a. gegen Wolfsburg, Schalke und Bayern) aus den letzten 7 Bundesliga-Heimspielen und trotz einer nicht minder guten Bilanz aus den letzten Direktduellen gegen den BVB. In diesem Jahrzehnt gab es für die wahre Borussia keine einzige Heimniederlage gegen die Namenscousine, die zuletzt im Oktober 2009 drei Punkte aus dem Park entführen konnte. Die zwei letzten Partien konnte Borussia sogar siegreich gestalten - noch im vergangenen April wurden die Gäste beim 3:1-Sieg teilweise vorgeführt.

Nicht minder stark in Erinnerung ist aber der Auftritt aus der Hinrunde, als Lucien Favre u. a. das Wagnis einging, zwei 19jährige Innenverteidiger auf die furiose BVB-Offensive loszulassen. Marvin Schulz und Andreas Christensen zahlten bitteres Lehrgeld, waren aber mitnichten die einzigen Schwachstellen einer insgesamt desolaten Fohlenelf, die selbst die geringsten Erwartungen enttäuschten. Das 0:4 war ein Vorbote dessen, was in den kommenden Wochen über die Mannschaft hereinbrechen sollte. Einen knappen Monat später flüchtete der zuvor so gefeierte Erfolgstrainer und machte Platz für die (vorläufige) Erfolgsstory des André Schubert.

Dessen fulminante Aufholjagd von Tabellenplatz 18 auf 4 ist in jedem Fall zu würdigen. Wie sehr sich der Jungcoach aber als langfristige Lösung eignet, wird nicht unwesentlich in den kommenden Monaten zu sehen sein. Erstmals bot sich Schubert die Gelegenheit, seine Mannschaft zumindest für ein paar Wochen auf die nächste Runde vorzubereiten. Mit Hinteregger und dem Ex-Dortmunder Hofmann wurden ihm zudem zwei neue Spieler zur Verfügung gestellt, die seine Möglichkeiten erweitern und den Kader allermindestens in der Breite verbessern.

Der erneute Einzug in die Champions League ist angesichts der (finanz-)starken Konkurrenz kein einfaches Ziel. Aber schon das sichere Erreichen der Europa League könnte am Ende als Erfolg zu werten sein, wenn die Mannschaft darüber hinaus eine klare Philosophie und Perspektive erkennen lässt. Dies schien über weite Strecken der Hinrunde der Fall zu sein. Die letzten Auftritte trübten allerdings das zuvor so überragende Bild deutlich ein. Der Vollgasfußball, den der Coach nahezu ohne Rotation mit den gleichen 14 Spielern durchexerzieren ließ, hinterließ bei einigen Akteuren deutliche Spuren. Gleichermaßen wies die defensive Stabilität zunehmende Mängel auf, die nur zum Teil mit dem Kräfteverschleiß zu erklären waren. Dass zuletzt gar gegen den VfL Bochum in einem Testspiel 5 Gegentore hingenommen werden mussten, sollte nicht überinterpretiert werden. Gegen den BVB wird die Defensive aber gleich wieder gefordert sein.

Dies gilt umso mehr, da mit Granit Xhaka ein ganz wesentlicher Führungsspieler fehlen wird. Während seiner Rotsperre ist damit zu rechnen, dass Dahoud und der ausgerechnet mit dem BVB flirtende Nordtveit die Doppel-6 bilden. Es wird sich zeigen, ob der Deutsch-Syrer mit dem Norweger ähnlich gut harmonieren kann wie mit dem Schweizer. Ein Qualitätsverlust ergibt sich in jedem Fall. In der Innenverteidigung schmerzt der Ausfall von Dominguez und Jantschke. Neben dem gesetzten Christensen wird somit voraussichtlich eine österreichische Alternative die Innenverteidigung besetzen. Martin Stranzl konnte die Vorbereitung ordentlich absolvieren. Ob Schubert ihm aber nach der langen Ausfallzeit und angesichts seines fortgeschrittenen Alters bereits einen Startelfeinsatz in diesem schwierigen Spiel zutraut? Andererseits: Wenn einem Spieler so etwas zuzutrauen ist, dann dem Stranzler.

Vielleicht entscheidet sich der Trainer aber auch für dessen Landsmann, denn Martin Hinteregger wurde mit dem klaren Anspruch aus Salzburg geliehen, der Mannschaft sofort helfen zu können. Für ein Bundesligadebüt gibt es zweifelsohne dankbarere Aufgaben als den BVB, wie es sich in der Hinrunde u. a. bereits für seinen potentiellen Nebenmann herausstellte.

Offen erscheint zudem noch die Position im rechten Mittelfeld, wo ebenfalls ein frischer Neuzugang mit einem etablierten Spieler konkurriert. Jonas Hofmann dürfte gegen seinen Ex-Klub besonders motiviert sein. Er könnte direkt in die Startelf rücken, sofern Ibrahima Traoré nach teilweise verpasster Vorbereitung noch nicht bei 100 % ist.

Bei den Dortmundern steht noch hinter dem zuletzt erkrankten Kagawa ein Fragezeichen. Er könnte im Mittelfeld durch Castro gleichwertig ersetzt werden. Ein ebenso großes Luxusproblem ergibt sich auf der rechten defensiven Außenbahn, wo Piszczek wieder seine Bestform erreicht zu haben scheint und dadurch mit Ginter einen der Shootingstars der Vorrunde aus der Startelf verdrängen könnte. Im Angriff stand zwischenzeitlich zur Debatte, dass Aubameyang oder Reus zum Rückrundenauftakt nicht verfügbar sein könnten. Beides zerschlug sich mittlerweile, so dass der BVB in Bestbesetzung antritt und der zuletzt so wackligen Borussen-Defensive eine Herkulesaufgabe bescheren wird. Nur wenn sie diese bewältigt und darüber hinaus in der Offensive die gewohnte Effizienz an den Tag gelegt wird, erscheint ein Erfolg gegen den BVB vorstellbar.

Borussia: Sommer - Korb, Christensen, Stranzl, Wendt - Dahoud, Nordtveit - Traoré, Johnson - Raffael, Stindl

Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Hummels, Park - Gündogan, Weigl, Castro - Mkhitaryan, Aubameyang, Reus

SEITENWAHL-Tipps

Michael Heinen: Es wird schwer gegen einen qualitativ hochwertiger besetzten Gegner, der zudem besser in Form scheint. In besonderen Spielen kann Borussia aber regelmäßig besondere Leistungen abrufen, so dass es immerhin zu einem achtbaren 1:1 reicht.

Christian Spoo: Wer fünf Tore gegen Bochum fängt, müsste gegen Aubedingsbums und Reus eigentlich zwölf kriegen. Ganz so schlimm wird es aber nicht - ich bin ja von Natur aus Optimist. Borussia verliert mit 1:4.

Christoph Clausen: Testspiele und Dortmunder Offensivpotenzial lassen eine Fortsetzung der Gladbacher Gegentorflut erwarten. Bleibt also zu hoffen, dass die eigene Offensive noch spritziger oder wenigstens ebenso spritzig ist. In den Worten von Monty Pythons schwarzem Ritter: Sagen wir Unentschieden. 3:3.

Christian Heimanns: Das Borussenduell verspricht vielleicht mehr Spektakel als der richtigen Borussia lieb sein sollte. Ein 1:1 zum Auftakt wäre nicht das schlechteste.