Eine Mannschaft auf dem vierten Tabellenplatz der Bundesliga nach dem 26. Spieltag ist ein Spitzenteam. Oder? Sagt jedenfalls die Tabelle selber und die lügt ja nicht. Letztes Jahr um die Zeit hat sie ja auch die volle Wahrheit gesprochen, und da war Borussia Mönchengladbach Dritter mit drei Punkten mehr als in dieser Saison. Also ein Spitzenteam mit Tradition in der Spitze. Allerdings hat die Tabelle noch mehr zu erzählen, wenn man sie genauer fragt.

Dann rückt sie zum Beispiel mit den 42 Gegentoren heraus, die die Borussen kassiert haben,  verglichen mit 20 vor einem Jahr. Nur die Abstiegskandidaten holen ähnlich viele Bälle aus dem Netz. Und wenn man die Tabelle auf die Auswärtsseite dreht, sieht sie auch ganz anders aus, mit nunmehr 11 Punkten statt 17.  Aber trotzig verweist die nunmehr leicht derangierte Tabelle auf die Platzierung und erzählt die Geschichte immer noch so wie im letzen Jahr, die von einem Spitzenteam. Nur ganz anders.

Wer außer auf Tabellen auch auf Spielfelder sieht, hat das schon vor einiger Zeit mitbekommen. Favres Mannschaft der letztjährigen Rückrunde hatte endlich zu ihrem reifsten, besten Stil gefunden, aus einer unerschütterlich stabilen Abwehr heraus mit pfeilschnellen Kontern, die selbst für das Team der 70er die Maßstäbe neu setzte. Und genau nach dem 26. Spieltag mit dem Sieg in München wurden die Borussen zu einer respektgebietenden Siegmaschine, die am Ende unangefochten Platz drei holte.

In diesem Jahr steht Schuberts Abwehr so hoch wie letzte Saison Favres Sturm. Wenn gekontertert wird, dann auf Sommers Tor zu; die Borussen jagen den Gegner in seiner Hälfte. Sie rennen sich die Seele aus dem Leib, Raffael und besonders Stindl und Dahoud allen voran. Das 20jährige Supertalent überbietet Kramers bewunderte Distanzen, Stindl schießt von der ersten bis zur letzen Minute im äußersten Sprint über den Platz. Von immer weiteren Verletzungen gebeutelt zerreißt die Mannschaft sich auf dem Feld und sie wird dafür belohnt. Frankfurt mit 3:0 abgefertigt, Stuttgart 4:0 gedemütigt, Köln mit 1:0 und einiger Mühe bedient, Bremen mit 5:1 zerstört. Harte Arbeit, wahrer Lohn. .... zuhause.

Wie wir aus Tabelles Ausführungen schon wissen, klappt das Auswärts alles nicht so recht. Da drohen vor allem die Mehrfachschläge, die die Borussen in Wolfsburg, Augsburg, Hamburg und erst recht Leverkusen umgehauen haben. Daran entzünden sich heiße Diskussionen und sie drehen sich vor allem um den Punkt: Ist diese Schwäche Schuberts (ultra-)offensiver Spielweise geschuldet oder sind das individuelle Fehler, gefördert durch Verletzungspech und jugendliche Abwehrspieler?

Die mordsstarken Bayern wurden mit drei 19jährigen auf dem Platz geschlagen, dann muss das doch auch gegen jeden anderen gehen, so die eine Seite. Wer den Gegner zuhause überrennen kann, kann das auch auswärts, und in Frankfurt und Berlin hat das doch perfekt geklappt, meinen die anderen. Das ist auch beides richtig, darum wird die Diskussion noch etwas anhalten, ungefähr bis Saisonende. Wer sich in dieser Lage von seiner gerade geöffneten Lieblingsinformationsseite SEITENWAHL in dieser Situation einen Tipp erhofft, bekommt jetzt folgendes: Die letzten beiden Auswärtsspiele waren unterhaltsam (Augsburg) bzw sehr ordentlich (Wolfsburg), auch wenn sie nur einen Punkt brachten. Richtig furchtbar war nur Hamburg, was aber viel mehr an der Verfassung der Mannschaft lag als am taktischen System. Daher dürfte es zur Zeit ratsamer sein, das bisherige System weiter zu verfolgen und zu verfeinern, als mit Gewalt umzustellen. Im Sommer muss man sich dann allerdings etwas einfallen lassen, und zwar etwas "mit mehr Balance", sonst werden wir nächstes Jahr aufs übelste ausgekontert. Darauf SEITENWAHL-Brief und -Siegel.

Der Gegner aus Gelsenkirchen

Ob Andre Breitenreiter nächstes Jahr noch in der Bundesliga angreift oder auskontert, weiss keiner, erst recht nicht er selber. Sein momentaner Sportdirektor schon gar nicht, der nächste im Moment noch nicht. Die stets am Hysterieanschlag drehenden Schalker hängen  am Geld der Champions League wie ein Zwangsernährter am Tropf und die Lage wird für Königsblau nicht dadurch besser, dass die Borussia aus Mönchengladbach schon letztes Jahr kräftig am Katheter gerupft hat.

Die junge und hochtalentierte Mannschaft spielt so, wie es ihre Führung seit Jahren vorlebt, nämlich maximal unstet. Schon Meyer und Sane können jedes Spiel mit einer überraschenden und brillanten Aktion entscheiden, aber das tun Teenager meist nicht berechenbar und regelmäßig, und darum oszilliert ihr Team noch etwas mehr zwischen Jubel und Absturz als das der Borussen. Zudem sind auch Geis, Schöpf, Höjberg und der verletzte Goretzka gerade erst rasurpflichtig, was dem FC Schalke 04 gleichermaßen ein immenses Versprechen für die Zukunft als auch ein Risiko für die Gegenwart in die Hand gibt.

Im Spiel des Tabellenvierten beim Fünften geht es für beide um viel, für Schalke dabei wie immer um sehr viel. Es ist anzunehmen, dass die Gastgeber schnell versuchen werden, die Borussen unter hohen Druck zu setzen, was ihnen in vergangenen Jahren auch regelmäßig Erfolg gebracht hat. Die Frage ist, ob das gleichfalls scharf offensiv angelegte Spiel der Schubertis das richtige Rezept dagegen ist. Die kleine Chance ist, Schalke zu überraschen; die große Gefahr, hinten einzubrechen. Vielleicht holt der zuletzt noch stärker durchtauschende Trainer wieder das 3-5-2 vom Bayernspiel aus der Kiste, was den Vorteil hätte, mit nach hinten arbeitenden Außen die Abwehr vergleichsweise dicht halten zu können.

Auf jeden Fall treten die Borussen mit mehr Chancen in Gelsenkirchen an, als die Tabelle zunächst weis machen will. Es bräuchte gar nicht so viel Glück und nur etwas pragmatischeres Verhalten auf dem Platz, damit die sie nach diesem Spieltag den gleichen Vierten ausweist wie jetzt.

Aufstellungen

Borussia: Sommer - Elvedi, Christensen, Nordtveit, Hinteregger; Johnson, Dahoud, Xhaka, Hazard; Raffael, Stindl

Schalke: Fährmann; Aogo, Neustädter, Matip, Caicara; Geis, Höjberg; Sane, Meyer, Schöpf; Huntelaar

SEITENWAHL-Tipps

Christian Spoo: Das Team landet den Big Point und gewinnt mit 2:0. Leider trägt das Team blau.

Christoph Clausen: Drei Siege gegen Schalke in einer Saison? Unborussisch. Immerhin setzt sich die Gladbacher Defensivstabilisierung fort und reicht für ein 1:1. Fehlte noch, dass Geis den Ausgleich macht. Per SMS.

Christian Heimanns: Das wird kein langweiliges Spiel, soviel steht fest. Nehmen wir einfach mal an, es reicht für ein 2:2.

Michael Heinen: Borussia tritt zuletzt deutlich verbessert auf. Mit der Leistung sollte es auch auf Schalke (mindestens) zu einem 1:1 reichen.