Es ist mittlerweile eine gute Tradition, dass Seitenwahl vor Saisonbeginn die 17 Konkurrenten der Borussia prüft. Wir beginnen heute mit den ersten drei Teams, die allesamt der Fohlenelf gerne den europäischen Platz in der übernächsten Saison streitig machen möchten. 

Eintracht Frankfurt:

Wo kommen sie her?
„Es bedarf keines Prophetentums um vorherzusagen, dass es kein einfaches Jahr für die Hessen werden wird.“ So beschrieben wir vor einem Jahr an dieser Stelle die Aussichten der SGE für die Saison 18/19 und wurden Lügen gestraft. Nach einem etwas holprigem Start kam die Eintracht in einen phasenweise beeindruckenden Lauf und wurde am Ende fast Opfer des eigenen Erfolges, als die aufreibenden EL-Halbfinals gegen Chelsea beinahe die erneute Qualifikation für das internationale Geschäft gekostet hätten. Aber auch wenn es am Ende „nur“ der siebte Platz wurde, bedeutet die Ausbeute von 54 Punkten das beste Ergebnis seit 1993, als noch Uwe Bein, Jayjay Okocha und Anthony Yeboah am Main kickten.

Was passiert gerade?
Man kann den Hessen nicht verdenken, wenn sich in diesem Sommer ein gewisses Deja Vu-Gefühl einstellt, denn wie im Vorjahr wird man von finanzstärkeren Teams auseinander gepflückt. Das gilt vor allem im Sturm, wo mit Jovic und Haller 32 der 60 Frankfurter Bundesligatore den Verein verlassen. Der dritte Sturmstar Ante Rebic („nur“ 9 Ligatore) scheint ebenfalls mit einem Transfer zu flirten, sodass womöglich der komplette Angriff zerbricht. Auch wenn die Transfers viel Geld in die Kassen der Frankfurter gespült haben, sind die großen Einkäufe bislang ausgeblieben. Sportvorstand Bobic scheint im Moment vor allem darum bemüht zu sein die bisherigen Ausleihen (Trapp, Rode, Hinteregger) festzuhalten. Es gibt durchaus hoffnungsvolle Offensiv-Alternativen, die schon unter Vertrag sind: Dejan Joveljic (von Roter Stern Belgrad gekommen), Daichi Kamada (zurück nach Leihe aus Belgien) und Gonçalo Paciência (im Vorjahr aus Portugal verpflichtet) haben aber alle noch nicht nachgewiesen, dass ihr Talent auch für die Bundesliga reicht. Kein Wunder also, dass angesichts des vollen Frankfurter Bankkontos die Gerüchteküche brodelt und von der Rückkehr von Prince Boateng bis zum Einjahresvertrag für Franck Ribery alles Mögliche und auch manches Unmögliche heiß diskutiert wird.

Wo gehen sie hin?
Viel wird davon abhängen, ob und wie es gelingt die Verluste in der Angriffsreihe aufzufangen. Wie man in Mönchengladbach seit Sommer 2012 bestens weiß, können auch teure Neuzugänge manchmal erst mit Verspätung (Xhaka, Dominguez) oder gar nicht (de Jong) einschlagen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass man das Abschneiden der Vorsaison halten oder gar verbessern kann. Für Frankfurt spricht sicher, dass man mit Adi Hütter auf der Trainerposition sehr gut besetzt hat und dass das Sportdirektoren-Duo Bobic und Hübner in den Vorjahren mehrfach ein gutes Händchen bei der Verstärkung des Kaders bewiesen hat. Es wird spannend sein zu beobachten, inwiefern ihnen das auch diesmal gelingt. Alles in allem bleibt es dabei: Es bedarf keines Prophetentums um vorherzusagen, dass es kein einfaches Jahr für die Hessen werden wird, wir erwarten die Eintracht zu Saisonende zwischen den Plätzen 8 und 11.

Claus-Dieter Mayer

 

FC Schalke 04:

Wo kommen sie her?
Die an Enttäuschungen nicht arme Schalker Geschichte ist in der vergangenen Jahr um eine solche erweitert worden: Der Vizemeister des Vorjahres steckte lange im Abstiegskampf, der Fußball von Trainer Domenico Tedesco war unattraktiv wie eh und je, jetzt aber auch unerfolgreich, was den vormals hoch gelobten Fußballlehrer den Job kostete. Auch der als „starker Mann“ geholte Sportdirektor Christian Heidel musste einsehen, dass es auf Schalke außer Clemens Tönnies und Peter Peters niemals starke Männer geben wird.

Was passiert gerade?
Von daher wird zu sehen sein, wie sich die Erweiterung der sportlichen Leitung um einen Sportvorstand, einen technischen Direktor und zusätzliche Koordinatoren für allerlei Bereiche im traditionell extrem zappeligen Schalker Umfeld auswirken wird. Die vergangene Spielzeit hat immerhin dafür gesorgt, dass die Ziele für die neue Saison niedrig gesteckt werden. Besser wolle man abschneiden, was angesichts von Platz 14 und der immer noch vorhandenen Qualität im Kader leicht erreichbar sein sollte. Mit David Wagner ist ein neuer Trainer da, der für eine andere Spielweise steht, als Tedesco. Körperbetonter, aggressiver soll es werden, aber weniger der in Gladbach erwartete Rose-Fußball mit hohem Pressing als vielmehr etwas, was man traditionell schlicht als Konterfußball bezeichnen würde. Der königsblaue Königstransfer der wenig majestätischen Vorsaison passt in dieses System nicht hinein, Sebastian Rudy kehrt zu seinem vorletzten Verein Hoffenheim zurück. Hervorragend für das schnelle Umschaltspiel, das Wagner vorschwebt, dürfte der vormalige Düsseldorfer Benito Raman sein. Der belgische Nationalspieler ist ein schneller Außenstürmer, der noch unter Dieter Hecking auch in Gladbach als interessant galt, bis der Bedarf an Außenstürmern im Borussia-Park rosebedingt auf ein Minimum schrumpfte. Auf Schalke ist Raman bisher der einzige Neue für die Offensive. Ob und wie die verbleibenden, beispielsweise Uth und Burgstaller, mit dem „Wagner-Fußball“ klar kommen werden, ist schwer zu prognostizieren. Eher schon, dass der eminent schnelle Amine Harit eine wichtige Rolle spielen könnte. Zugelangt hat Schalke zwangsläufig in der Defensive. Mit der Everton-Leihgabe Jonjoe Kenny wurde ein Außenverteidiger verpflichtet, der Backup für den verletzungsanfälligen Kapitän Caligiuri sein soll. Mit Ozan Kabak aus Stuttgart sicherte sich Schalke die Dienste eines der begehrteren Innenverteidiger auf dem Markt.

Wo gehen sie hin?
Entscheidend wird, jenseits von Zu- und Abgängen die Frage sein, ob David Wagner die Zeit bekommt, sein Spielsystem zu implementieren und ob sich seine Erfahrungen bei einem Super-Underdog in der Premier League tatsächlich bei einem kapriziösen und trotz ostentativer Tiefstapelei anspruchsvollen Bundesligisten wie Schalke auszahlen werden. So viel Wundertüte war selten auf Schalke. Zwischen einem Kratzen an den Euro-League-Plätzen und einer latenten Abstiegsgefahr bis weit ins kommende Jahr hinein scheint alles möglich.

Christian Spoo

 

SV Werder Bremen

Wo kommen sie her?
Auch wenn die Euro-League-Qualifikation verpasst wurde, blickt man in Bremen mit einem guten Gefühl auf die vergangene Saison zurück. Alleine dass man so lange um das internationale Geschäft mitspielen konnte, werten Verein und Umfeld als Erfolg. Dass mit Florian Kohfeldt ein Trainer da ist, der attraktiven Fußball und Solidität vereinbart und überdies ein „guter Typ“ zu sein scheint, trägt viel zur positiven Stimmung an der Weser bei. Nicht einmal der Abgang des besten Spielers der Vorsaison, Max Kruse, scheint den Bremern wirklich aufs Gemüt zu drücken, wenngleich ein wenig rätselhaft bleibt, warum Kruse sich gegen das Bleiben entschieden hat.

Was passiert gerade?
Wenig. Mit Niklas Füllkrug hat Werder gerade mal einen Spieler mit direktem Stammplatzpotenzial eingekauft. Ansonsten bestand der Erfolg der Transferperiode vor allem darin, Stammkräfte zu halten (Moisander, Pavlenka, Rashica) oder sogar mit ihnen zu verlängern (Kapino, beide Eggesteine, feste Verpflichtung von Friedl). Allein für die Position des rechten Verteidigers wird noch eine Verstärkung gesucht. Dauerbrenner Gebre Selassie wird dort voraussichtlich Konkurrenz von Nationalspieler Benjamin Henrichs bekommen. Werder würde den Ex-Leverkusener, der sein bisher letztes Bundesligaspiel am ersten Spieltag der vergangenen Saison in Gladbach machte, gerne leihen. Der AS Monaco, der mit dem 22-Jährigen trotz 29 Spielen nicht wirklich zufrieden ist, würde lieber verkaufen. Angesichts der bisher aufgerufenen Ablösesumme von rund 20 Millionen Euro ist das für Bremen aber offenbar nicht darstellbar. Am Geld war zuvor schon der Transfer des Österreichers Michael Gregoritsch aus Augsburg gescheitert. Max Kruse ist also nicht wirklich ersetzt worden. Füllkrug ist ein völlig anderer Spielertyp, der zudem schon in der Vorbereitung öffentlich kritisierte, von Kohfeldt auf Rechtsaußen statt im Sturmzentrum eingesetzt zu werden. Als „neuer Kruse“ ist dem Vernehmen nach eher der Ex-Kölner Osako vorgesehen, der vorher eher über links kam.

Wo gehen sie hin?
Wenn sie sich finden, hat Bremen auch ohne Kruse mit Osako, Rashica und Füllkrug sowie Claudio Pizarro als Joker weiterhin eine mehr als ordentliche Offensivreihe. Die geringe personelle Fluktuation könnte sich ohnehin als großer Pluspunkt erweisen. Bremen muss an Spielweise oder System nichts ändern. Die Mannschaft ist eingespielt. Dass sie den gefühlten Erfolg der vergangenen Saison auf diese Weise wiederholen kann, ist wahrscheinlich. Die Frage ist, ob sich das dann immer noch nach Erfolg anfühlt.

Christian Spoo