FC Bayern München

Wo kommen sie her?

Sind Sie, liebe Leser, vor 2012 geboren? Wenn nein, erst einmal Glückwunsch, dass Sie schon gut lesen können. Des Weiteren erschließt sich Ihnen der Sinn dieses Kapitels eher nicht, denn seit nunmehr sieben Jahren ist der FC Bayern München ununterbrochen Deutscher Meister. Ja, vergangene Saison war es knapp, da ertappte sich sogar der ein oder andere Gladbacher dabei, dem BVB den Titel zu gönnen, nachdem man selbst erkannte, dass es für die richtige Borussia nicht reichen wird.
Der Rekordmeister war Mitte der Hinrunde erschreckend inspirationslos, schwach, gar desillusioniert. Trainer Kovac wackelte, in der Mannschaft rumorte es – während der BVB gleichzeitig von Sieg zu Sieg eilte. Dass am Ende erneut die Schale an die Isar ging, lag nicht nur am Einbruch der Dortmunder, sondern fairerweise auch an einer imposanten Aufholjagd der Bayern, die nach Jahren der Guardiola’schen Dominanz von der fast schon vergessenen Spannung in der Liga angefixt schienen und gefühlt jedes Rückrundenspiel gewannen. Darunter ein schmerzhaftes 5:1 in Mönchengladbach oder ein imposantes 5:0 gegen eben jene Dortmunder. Dennoch bleibt der Eindruck, dass der BVB den Titel am Ende eher verloren hat als die Bayern ihn gewannen. International hat der FC Liverpool (und zuvor auch Ajax Amsterdam) gezeigt, dass die Glanzzeiten des FC Bayern auf europäischer Bühne erst einmal vorbei sind.

Großer Gewinner von außen war trotzdem Trainer Kovac, der sich in seiner ersten Saison im Wochenrhythmus Demütigungen vom Vorstand und öffentliche Kritik seiner Spieler gefallen lassen musste. Die Größe und Souveränität, mit der Kovac das alles ertrug und die Mannschaft noch zum Double coachte, sind bemerkenswert.

Was passiert gerade?

Nichts. Und damit ist die Situation beim FC Bayern schon hinlänglich beschrieben. Zumindest nichts auf dem Transfermarkt. Die ganze Republik reibt sich seit Wochen die Augen und beobachtet mit einer Mischung aus Verwunderung und Spott, wie sich der große FC Bayern eine Absage nach der anderen abholt. Die Transfers der französischen Weltmeister Hernandez (Atlético Madrid) und Pavard (VfB Stuttgart) waren bereits vor Monaten eingetütet, seither ist Ruhe. Fiete Arp (HSV) ist maximal Ergänzungsspieler. Der Transfer vom laut „kicker“ besten Abwehrspieler Deutschlands, Mats Hummels, zum direkten Konkurrenten Borussia Dortmund ist auch mit einigen Wochen Abstand als mindestens kurios zu bezeichnen. Sollte Leroy Sané sich nach Wochen des Zögerns nun doch für einen Wechsel an die Isar entscheiden, erführe die Offensive der Bayern immerhin einen signifikanten Qualitätssprung.

Eine richtige Tendenz in der Transferpolitik ist also nicht zu erkennen. Die Lücken, die Lahm, Alonso oder Schweinsteiger als absolute Führungsspieler gerissen haben, konnten bis heute nie ganz geschlossen werden. Selbst ein Arturo Vidal wurde in München als nicht gut genug empfunden, für den FC Barcelona scheint es indes zu reichen.

Ach so, ansonsten wird Uli Hoeneß wohl endgültig gehen. Dieses Mal sogar ohne Gerichtsbeschluss.

Wo gehen sie hin?

Der FC Bayern nicht nur ohne Hoeneß, sondern auch noch ohne Franck Ribery und Arjen Robben: Der längst überfällige Umbruch, der vergangene Saison durch den lange nicht möglich gehaltenen Gewinn des Doubles etwas kaschiert wurde, wird diese Saison einsetzen müssen. Jerome Boateng hat seine besten Jahre hinter sich, Kapitän und Torwart Manuel Neuer hat nur noch gelegentlich Anflüge von Weltklasse, Weltmeister Hernandez erst einmal verletzt, im Sturm scheinen sie nach wie vor auf den offenbar von Verletzungen immunen Körper eines Robert Lewandowski zu vertrauen. Es ist ein Experiment, das da gerade an der Säbener Straße probiert wird – wenngleich es nicht ganz freiwillig erscheint. Auf dem Papier scheint der Kader nicht stärker als vergangene Saison, eher im Gegenteil. Das muss für die insgesamt eher schwache Bundesliga aber nichts bedeuten.

Denn damit kein falscher Eindruck entsteht: Auch in der neuen Saison wird der Titel nur über den FC Bayern entschieden. Das Selbstverständnis dieses Klubs und seiner Spieler hat diese in der vergangenen Saison zum Titel getragen. Und der FC Bayern wird niemals eine Übergangssaison auf Platz 5 oder 6 akzeptieren. In Leon Goretzka, Serge Gnabry, Kingsley Coman, Niklas Süle oder Joshua Kimmich gibt es genug junge Spieler, die in der Bundesliga auf Top-Niveau agieren können, Leroy Sané hat sein Können sogar schon in der stärksten Liga der Welt unter Beweis gestellt. Es fehlt lediglich die Fantasie, ob diese Mannschaft in der Champions League einem FC Barcelona, Juventus Turin, Manchester City oder FC Liverpool das Wasser reichen kann. Und über diesen Wettbewerb definieren sich die Münchner nun einmal.

Dennoch: Titel Nummer acht in Serie wird es nicht. Dortmund hat sich nicht nur besser, sondern vor allem klug verstärkt. Leipzig wird weiter angreifen, ggf. wieder Leverkusen. Die tragenden Säulen beim FC Bayern sind entweder in Rente oder ein Jahr älter oder verletzt. Fällt Lewandowski doch einmal aus, hat die Mannschaft sofort ein großes Problem.

Mike Lukanz

 

BV 09 Dortmund

Wo kommen Sie her?
Nach sechs Jahren Langeweile, in denen die Bayern mit je 10 bis 25 Punkten Vorsprung die Liga dominierten, gab es im Vorjahr endlich einmal wieder so etwas wie Spannung im Titelrennen. Dies war allerdings primär auf eine längere Schwächephase des Rekordmeisters im Herbst 2018 zurückzuführen, die ihren Höhepunkt beim bereits jetzt legendären 3:0-Erfolg der Fohlenelf in der Allianz-Arena fand. Die Folge war ein zwischenzeitlicher 9-Punkte-Vorsprung des BVB nach 15 Spieltagen, den die Elf von Lucien Favre in den letzten 19 Partien noch verspielte und sich so mit einem letztlich enttäuschenden zweiten Platz begnügen musste.

Was passiert gerade?
Wäre ein zweiter Platz vor Beginn der letzten Saison noch als großer Erfolg gewertet worden, gelten ab sofort andere Regeln. Der BVB hat nämlich das im Vorjahr lange Zeit zur Schau gestellte Understatement als einen vermeintlichen Grund für den Abfall in der Rückrunde ausgemacht. Ab sofort soll der Erfolg herbeigeredet werden. Der Glaube, dass dies automatisch die Erfolgsaussichten erhöht, hält sich unter Fußballfans hartnäckig, wenngleich es durch die Praxis nur selten bestätigt wird. Thorsten Fink oder Marcus Babbel z. B. half es auf ihren bisherigen Stationen wenig, stets selbstbewusst zu verkünden, das sogenannte „Bayern-Gen“ in ihre Spieler verpflanzen zu wollen.
In Dortmund ließen sie den großen Worten immerhin Taten folgen, indem namhafte Neuzugänge präsentiert wurden, die in der vergangenen Saison für Furore in der Bundesliga gesorgt hatten. Wie es der berühmte Korschenbroicher Philosoph Hans-Hubert V. ausdrücken würde: Thorgan Hazard, Nico Schulz, Julian Brandt und Mats Hummels werden die Breite an der Spitze dichter werden lassen. Das spanische Talent Mateu Moray, der ablösefrei vom FC Barcelona losgeeist werden konnte, erhöht zudem die Alternativen in der rechten Verteidigung. Selbst wenn dies alles Neuzugänge sind, die bei den Bayern sehr hart um einen Stammplatz kämpfen müssten, geht der BVB personell sehr gut gerüstet in die neue Saison.

Wo gehen Sie hin?
Bei aller derzeitigen Euphorie rund um den Borsigplatz: Die Chancen des BVB auf eine Meisterschaft hängen weniger von den eigenen Anstrengungen ab. Wie die vergangene Rückrunde bewiesen hat, führt die deutsche Meisterschaft stets über den FC Bayern. Nur wenn dieser vieles falsch macht und über längere Zeit schwächelt, besteht für irgendeinen anderen Verein eine Chance, den gravierenden Finanznachteil sportlich zu kompensieren. In der aktuellen Transferperiode hatte es aber tatsächlich den Anschein, dass der Rekordmeister mit seinem Management-Azubi Salihamidzic sehr vieles falsch macht. Noch wirkt der Kader der Bayern zwar hochklassiger besetzt, aber die Lücke wurde diesen Sommer kleiner. Zudem verfügt der BVB über den deutlich besseren Trainer. Lässt Bayern es zu, könnte es in dieser Saison sogar erstmals seit Ewigkeiten zu einem spannenden Drei- oder gar Vierkampf kommen, denn auch den Leipzigern und Leverkusenern ist es leider zuzutrauen, sich auf höchstem Niveau zu etablieren. Am wahrscheinlichsten erscheint jedoch trotz allem, dass mindestens die Top2 der Liga auch 2020 in gleicher Reihenfolge wie zuletzt im Ziel einlaufen werden.

Michael Heinen