Das letzte Testspiel der Borussia bot optisch ein Spiegelbild der vorigen Saison und war von der Art des Auftretens doch ganz anders. Eine sehr gute 1. Halbzeit wurde mit hoher Effizienz und etwas Glück mit einer zwischenzeitlichen 2:0-Führung über den FC Chelsea belohnt. Nach dem Seitenwechsel folgte dann aber der Einbruch, sodass am Ende sogar das 2:2 noch in Gefahr geriet und eher schmeichelhaft war. Ein Endergebnis, das gegen den Europa League-Sieger höchst achtbar ist, angesichts des Spielverlaufs aber nur bedingt Zufriedenheit unter den Fans auslöste.

Vergessen werden sollte bei aller folgender Bewertung nicht: Es war ein Testspiel. Die Erfahrung als Borussen-Fan lehrt, dass Ergebnisse aus solchen Freundschaftspartien keinerlei Aufschluss darüber bieten, wie die Wettbewerbssaison verlaufen wird. Die beteiligten Mannschaften befinden sich stets auf einem unterschiedlichen Fitnessgrad, da sie individuell zu ihrem jeweiligen Saisonstart in Höchstform gebracht werden sollen. Auch der Grad der Ernsthaftigkeit, mit dem Vereine und Spieler solche Partien angehen, divergiert stark. Selbst Rückschlüsse auf den Entwicklungsprozess einzelner Spieler sollte man daher nicht allzu voreilig ziehen. Es gibt immer wieder „Vorbereitungsweltmeister“, die anschließend im Ligabetrieb schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit der Bank oder Tribüne abtauchen.

Rückschlüsse lassen sich am ehesten auf die Wunschaufstellung ziehen, die Marco Rose zum aktuellen Zeitpunkt vorzuschweben scheint. Marcus Thuram hat im Dreikampf mit Patrick Herrmann und Breel Embolo erst einmal die Nase vorn. Für Raffael dürfte in dieser Saison ohnehin die Jokerrolle vorbehalten bleiben. Tobias Strobl war die logische Wahl für die einzige 6er-Position, da Konkurrent Christoph Kramer verletzungsbedingt ausfiel. Allzu viel punkten konnte Strobl allerdings nicht, denn er hatte große Probleme, seine Defensive gegen die hohe Qualität des Gegners zu stabilisieren.

Einzig dem überragenden Yann Sommer war es zu verdanken, dass die Londoner keinen deutlichen Sieg einfuhren. Würde Manuel Neuer eine solche Leistung abrufen, was zuletzt vor über drei Jahren der Fall gewesen ist, wären die Zeitungen tagelang voll mit Lobeshymnen auf den „mit Abstand besten Torhüter der Welt“. Gut für Borussia, dass die Berichterstattung bei Sommer bescheidener ausfällt, da er sonst schon lange Begehrlichkeiten größerer Vereine geweckt hätte. Ohne ihn wäre der Einzug in die Europa League vorige Saison undenkbar gewesen und ohne ihn wären die Chancen auf eine Wiederholung dieses Erfolgs in der kommenden Spielzeit nur noch sehr gering. Da kann man selbst darüber hinwegsehen, dass seine Erfolgsaussichten bei Elfmetern ungefähr so hoch sind wie die des 1.FC Köln, dauerhaft 1. Liga spielen zu dürfen.

Sommer musste wie schon in der vergangenen Rückrunde so einige individuelle Fehler seiner Vorderleute ausbügeln. Unerklärliche Ballverluste, wie sie speziell Elvedi und Lainer produzierten, sind nicht mit der Systemumstellung zu erklären und dürfen auf dem hohen Niveau, das Borussia anstrebt, nicht allzu oft passieren. Hinzu kam, dass die Außenverteidiger von Rose extrem offensiv eingesetzt wurden und sich am maximalen Gegenpressing oft schon in der gegnerischen Hälfte beteiligten. Die dadurch entstehenden Lücken in der Defensive kann ein hochklassiges Team wie Chelsea allzu leicht ausnutzen. Borussia scheint unter Rose wieder zur alten Schubert-Formel „Lieber ein 3:2 als ein 1:0“ zurückzukehren – hoffentlich mit nachhaltigerem Erfolg.

Von den Neuzugängen konnte Thuram in der 1. Halbzeit seine Stärken andeuten. Er war sehr präsent und emsig. Seine beiden Schussversuche aus rund 20 Metern zu Spielbeginn setzten ein positives Signal, waren letztlich aber nicht wirklich gefährlich für das gegnerische Tor. Ganz anders Sturmpartner Alassane Plea, der insgesamt unauffälliger agierte, dessen einzig starke Aktionen aber zu den beiden Toren führten. Insgesamt deuteten die beiden Franzosen an, sich mit ihren jeweiligen Qualitäten in Effizienz (Plea) und Engagement (Thuram) gut ergänzen zu können.

Stefan Lainer zerstörte seinen positiven Eindruck aus Halbzeit 1 nach dem Seitenwechsel durch zahlreiche Stockfehler. Es darf nicht vergessen werden, dass er seine Karriere bislang ausschließlich in der österreichischen Liga verbracht hat und hier in den letzten Jahren bei Salzburg auf keinen gleichwertigen Gegner getroffen ist. Bei allen Qualitäten, die er zweifelsohne mitbringt, wird er zeigen müssen, ob er diese konstant auf deutlich höherem Spielniveau wird abliefern können. Hierzu kann ein Testspiel selbst gegen den FC Chelsea im guten wie im schlechten keine ernsthafte Erkenntnis bringen.

So war es letztlich ein brauchbarer Testkick, der angesichts des Ergebnisses für gesundes Selbstbewusstsein in der Mannschaft sorgen sollte, aber angesichts der allzu offensichtlichen Schwächen keine Euphorie im Umfeld auslösen wird. Dass noch viel Luft nach oben besteht und die Implementierung eines völlig neuen Systems Zeit benötigt, war bereits vor der Partie klar gewesen. Es wäre letztlich ein Traum, wenn die Saison 2019/20 nicht nur gegen den Europa League-Sieger eröffnet, sondern im kommenden Jahr auch gegen den Vize-Europa League-Sieger abgeschlossen werden könnte. Dazu muss die Mannschaft aber noch viel von dem lernen, was ihrem neuen Trainer vorzuschweben scheint. Am kommenden Freitag in Sandhausen darf sie damit gerne den Anfang machen.