Bevor am morgigen Tag schon die zweite englische Woche für die Borussia in dieser Saison beginnt, wollen wir doch noch kurz auf zwei Entwicklungen im internationalen Fußball eingehen, die sich unter der Woche begeben haben. Zum einen ist da natürlich der sensationelle Nichtabstieg der deutschen Nationalelf aus der Zone A der Nations League, der wieder mal beweist, dass deutsche Tugenden wie das nie aufgeben sich am Ende dann doch durchsetzen. Leider haben wir bislang noch keinen Kommentar aus München zu dieser Angelegenheit gehört, aber wir sind sicher, dass Uli Hoeneß – sobald ihm jemand die Nachricht aus Spiegel Online abgetippt hat – beizeiten noch den Riesenanteil Manuel Neuers an dieser großartigen Leistung  betonen wird.

Die andere bemerkenswerte Nachricht war die endgültige Einführung der Europa League II vonseiten der UEFA, die es allerdings vorzog, diesen Wettbewerb euphemistisch UEFA Europa Conference League zu nennen. Für die Bundesliga bedeutet dies im Moment, d.h. solange man sich unter den Top 4 der Fünfjahreswertung befindet, dass in Zukunft nur noch 2 Mannschaften für die Europa League qualifiziert sind (der Tabellenfünfte und der DFB-Pokalsieger), wohingegen dem Tabellensechsten großzügig die Gelegenheit gewährt wird, sich über eine Playoff-Runde für die Gruppenphase dieser neuen Conference League zu qualifizieren.

Nun ist man geneigt, die wirren Ideen irgendwelcher alternder UEFA-Funktionäre für neue Einnahmequellen einfach gepflegt zu ignorieren. Schaut man sich jedoch die Platzierungen der Borussia in den vergangenen 8 Jahren, so kommt man durchschnittlich exakt auf einen sechsten Platz. Auch wenn man mit einbezieht, dass in den meisten Jahren der DFB Pokalsieger auch auf den Plätzen 1-4 rangiert und somit der 7. Platz (welchen die Borussia übrigens zuletzt 1988 unter Wolf Werner belegte) in die Conference League führt, besteht doch die realistische Möglichkeit, dass der VFL in den kommen Jahren einmal der deutsche Teilnehmer an diesem Wettbewerb sein wird, ob man das nun will oder nicht.

Daher stellt sich die Frage, was man von der Sache zu halten hat. „Gar nichts!“ ist die kurze Antwort für alle Leser, die es gerade eilig haben, aber etwas genauer wollen wir uns das Ganze schon anschauen. Wenn dieser neue Plan etwas Gutes hat, dann vielleicht die Tatsache, dass er die Europa-League aufwertet. Die Reduzierung von 48 auf 32 Teams, die an der Gruppenphase teilnehmen sollte die Qualität dieses Wettbewerbs und damit vermutlich auch sein Renommee steigern. Aus Sicht der UEFA ist der zweite Vorteil, das 16 zusätzlichen Teams erlaubt, wird international zu spielen. Dies soll vor allem den Teams der „kleinen“ Nationen zugutekommen. Die Crux daran ist die implizite Annahme, dass Vereine dieser Nationen total scharf auf europäischen Fußball sind, egal auf welchem Niveau der gerade stattfindet. Das deutsche oder englische Vereine eher zähneknirschend an dieser Veranstaltung teilnehmen würden, könnte man ja noch hinnehmen, wenn dafür der Enthusiasmus in den Ländern, die nun zusätzliche Teams in Europa haben werden,  riesig wäre. Ich kann nichts Genaues darüber sagen, wie die Stimmung dazu in Zypern, Malta oder Lettland ist, wohne aber in Schottland, das als momentan 19. der Fünfjahreswertung unmittelbar betroffen ist. Außer dem schottischen Meister (also Celtic) hätte kein schottischer Verein mehr Zugang zur Europa-League. Zugegebenermaßen ist ein Verein wie der FC Aberdeen (der klassische Dritte hier) in den vergangenen Jahren meist schon im Sommer in der Qualifikation gescheitert, aber immerhin hatte man bei den Dons jedes Jahr für ein paar Wochen davon träumen können, doch mal in der Gruppenphase gegen Sevilla, Lazio oder unsere Borussia spielen zu dürfen. Die sichere Aussicht, stattdessen in einem bedeutungslos scheinendem Wettbewerb ein paar Trips nach Georgien, Luxemburg oder die Schweiz gegen (aus schottischer Sicht) namenlose Gegner machen zu dürfen, hat bislang noch keinen einzigen Kommentator oder Fan hierzulande begeistert.

Rein philosophisch betrachtet hat ein sportlicher Wettbewerb natürlich sowieso keinen Wert an sich. Eine politische oder wirtschaftlich Entscheidung kann das Leben von Millionen auf Jahre beeinflussen, einem kulturellen Werk (Gemälde, Musik, Buch)  kann man noch einen intrinsischen Wert zuordnen, aber Sport ist einzig und allein dann bedeutsam, wenn genug Menschen entschieden haben, dass er dies ist. So haben wir Europäer über Jahrzehnte den Fußball zum wichtigsten Sport erkoren, wohingegen dasselbe Spiel in den USA oder Australien eher zweitrangig betrachtet wird. Ein Wettbewerb, der diesen Aspekt wunderbar illustriert, sind die „Ashes“ eine Cricket-Auseinandersetzung zwischen England und Australien, die seit 1882 abwechselnd alle 2 Jahre mal auf englischem und mal auf australischem Boden stattfindet. Kein anderes Land kann sich für diesen Wettbewerb qualifizieren; insofern ist das objektiv betrachtet eigentlich ein bedeutungsloses Freundschaftsspiel mit Tradition, aber für englische und australische Cricket-Fans ist selbst der Cricket-World-Cup ein Dreck dagegen. Wochenlang (das Ganze wird über 5 Partien ausgetragen) gibt es in den Zeitungen und Sportnachrichten kaum ein anderes Thema. Für den deutschen Außenstehenden ist das alles ziemlich absurd; für die Beteiligten aber eine Sache auf Leben und Tod.

Dieser Logik folgend hat natürlich auch die Europa Conference League eine theoretische Chance zu einem bedeutsamen Turnier zu werden, wenn es denn nur genug Menschen in Europa gäbe, die glauben, dass dieser Pokal wichtig sei. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings gering. Populäre Sportwettbewerbe haben entweder eine hohe Tradition (wie z.B. die Ashes) oder zeichnen sich durch ihre Qualität aus. Die Bundesliga war 1963 gleich erfolgreich, weil sich dort endlich die besten deutschen Mannschaften messen konnten, ähnliches gilt für die Champions League. Die Conference League hingegen kann sich auf keine Tradition berufen und wird qualitativ europäischen Drittklasse-Fußball bieten und den Fußballkalender einfach nur mit 16 zusätzlichen Spielen an einem Donnerstag inflationieren, an denen vermutlich noch nicht einmal die beteiligten Mannschaften großes Interesse haben.

Es hätte dann schon mehr Sinn ergeben, den Europapokal der Pokalsieger in irgendeiner Form wieder einzuführen. Da hätte man zumindest den Punkt Tradition mit abhaken können und dadurch, dass nicht die Ligaplatzierung die Qualifikation bewirken auch den direkten Vergleich mit Championsleague und Europaleague und somit den unvermeidlichen Eindruck der Drittklassigkeit vermieden. In den großen Liegen hätte dies die mögliche Einführung eines Spiels um dritten Pokalplatz bedeutet (für den Fall, dass beide Finalisten CL-Teilnehmer sind), aber das könnte ja durchaus attraktiv sein.

Grundsätzlich bleibt es aber zweifelhaft, ob der europäische Fußball überhaupt einen neuen Wettbewerb braucht, angesichts der Tatsache, dass schon die Europa-League eher stiefkindlich behandelt wird. Es bleibt der Eindruck, dass man vonseiten der UEFA hier ein Eigentor geschossen hat.