leverkusen neuZwei Seelen wohnen, (Gladb)ach! in der Borussen-Brust. Die eine davon brennt soeben, wie sich das gehört, und sehnt sich nach noch mehr Auftritten der Gladbacher, wie man sie zuletzt (zumindest auf nationaler Ebene) bewundern durfte. Die andere schaut eher besorgt auf die Verletztenliste und wünscht sich, der Spielplan würde mal eine spontane Pause einlegen. Da er dies nicht tun wird, muss es am Samstag gegen Leverkusen irgendwie weitergehen, aber die Frage ist, welches Personal dafür zur Verfügung steht. Positiv zunächst mal, dass Ginter, Traoré und Strobl anscheinend wieder fit sind, aber unwahrscheinlich, dass einer der drei es gleich in die Startelf schafft. Am ehesten denkbar ist dies bei Matthias Ginter, abhängig davon ob Marco Rose wirklich dem zwar erfahrenen aber Spielpraxislosen Nationalspieler den Vorrang vorm jungen Jordan Beyer gibt, der seine Sache in Dortmund sehr gut gemacht hat. Es gibt wohl auch noch Hoffnung, dass Tony Jantschke seine Zerrung überwunden haben könnte, was die Innenverteidigung vom Frankfurt-Spiel ermöglichen würde. Nach Aussagen Roses auf der Presskonferenz hat sich Christoph Kramer wohl wieder von seinem grippalen Infekt erholt, so dass man ihn im Kader erwarten kann. Die Verletzung von Ramy Bensebaini aus dem Dortmund-Spiel scheint nicht schwerwiegend zu sein („nichts strukturelles“) aber das Spiel am Samstag kommt wohl noch zu früh für ihn; angesichts seines starken Auftritts in der ersten halben Stunde am Mittwoch etwas schade.  Alesanne Plea und Breel Embolo fallen ebenfalls weiterhin aus.

Es spricht schon sehr für Borussias Kaderplanung, dass man am Samstag trotzdem nicht mit einer reinen Not-Elf auftreten muss. Im Sturm ist Marcus Thuram zurzeit in Höchstform, unklar ist allerdings wer neben ihm offensiv auflaufen wird. Gegen Dortmund war dies Lars Stindl, aber es ist fraglich ob Marco Rose dem gerade erst wieder ins Team zurückgekehrtem Kapitän das dritte Spiel in sechs Tagen zumuten  will. Patrick Herrmann wäre hier die naheliegende Alternative. Die Besetzung des Mittelfeldes hängt wohl auch davon ab, welche taktische Ausrichtung der Gladbacher Trainer in Leverkusen wählt. Wiederholt man den im Dortmund-Spiel eben so überraschenden wie effektiven Ansatz mit einer Dreierkette oder kehrt man zu einer der 4-4-2-Varianten oder zum 4-2-3-1 zurück? In beiden Fällen sollte Dauerläufer Denis Zakaria gesetzt sein, der bislang eine überragende Saison spielt.

Der Gegner aus Leverkusen hat in Mönchengladbach den Ruf ein Angstgegner zu sein, was aber inzwischen mehr eine Legende aus vergangenen Zeiten ist, die wenig mit der Realität der jüngeren Vergangenheit zu tun hat. In den vergangenen 10 Spielzeiten gab es 8 Gladbacher Siege (4 davon in Leverkusen) gegenüber 7 Erfolgen der Werkself. Vor allem die augenblickliche Form beider Teams spricht eher für die Borussia. Zwar hat der 5-fache Vizemeister (erstaunlicherweise gibt es da keine Sterne auf dem Trikot für) mit 15 Punkten durchaus Anschluss an die Ligaspitze, aber schaut man sich an, wo die Punkte herkommen, so stellt man fest, dass Bayer 04 bislang lediglich gegen Abstiegskandidaten (Paderborn, Düsseldorf, Augsburg, Union Berlin) gewinnen konnte, was sich auch in der Champions-League zeigt, wo man lediglich einen Punkt aus 3 Spielen holen konnte. Nach der spektakulären Rückrunde der Vorsaison mit 34 Punkten und 43 Toren wirkt das Bosz-Team in dieser Saison erheblich biederer und schafft es bislang nicht, die auf dem Papier sehr hohe Kaderqualität auch entsprechend auf den Platz zu bringen. Fast schon traditionell fällt auch wieder mal einer der Bender-Zwillinge aus, in diesem Falle Kapitän Lars Bender, der sich im Pokal einen Muskelfaserriss zu zog und somit in der sowieso nicht immer sattelfesten Leverkusener Abwehr fehlen wird.

Wenn Sportdirektor Simon Rolfes im Kicker verlauten lässt, dass Gladbach Favorit sei,  so ist das natürlich ein gutes Stück weit bewusste Tiefstapelei, um den Druck vom eigenen Team zu nehmen, aber rein faktisch auch nicht wirklich falsch. Beim letzten Gladbacher Gastspiel in der BayArena erreichte eine sehr defensiv ausgerichtete Borussia einen etwas glücklichen 1:0 Sieg.  Man kann davon ausgehen, dass Marco Rose sein Team erheblich offensiver und aggressiver einstellen wird als Dieter Hecking damals und demzufolge das Spiel ausgeglichener verlaufen wird. Auf Gladbacher Seite wird es nicht nur eine Rolle spielen, wie man die Ausfälle kompensieren kann, sondern auch wie leer der Tank nach den beiden aufreibenden Partien gegen Frankfurt und Dortmund ist. Mit der Leistung dieser Spiele sollte man eine realistische Chance haben die Tabellenführung auch in Leverkusen zu verteidigen.  

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Leider kosten ein paar Unkonzentriertheiten der Borussia den möglichen Sieg und so muss man nach einem unterhaltsamen 2:2 die Tabellenführung vorrübergehend wieder abgeben.

Michael Heinen: Borussia sollte die Favoritenrolle in Leverkusen offensiv annehmen und genauso mutig auftreten wie in Dortmund. Wenn die Pässe dann etwas genauer kommen, ist ein Auswärtssieg möglich. Allerdings erscheint auch ein Dämpfer in Form einer 1:2-Niederlage nicht unwahrscheinlich.

Mike Lukanz:  Spiele in und gegen Leverkusen sind eines nie: langweilig. Da ist von 6:3 bis 0:5 alles drin. Unterhaltsam wird es auch dieses Mal, mit dem 2:2 werden beide Mannschaften leben können. Aus Gladbacher Sicht ist zurzeit fast wichtiger, nicht mehr Verletzte als Punkte mit nach Hause zu nehmen.“

Christian Spoo: Borussia ist platt, die traurige Niederlage von Dortmund hat Spuren hinterlassen. Leverkusen reicht eine durchschnittliche Leistung, um 2:0 zu gewinnen.

Uwe Pirl: Nicht zum Aushalten, wie pessimistisch die Kollegen sind. Ist doch ganz einfach, wir sind Favoriten - sagen die Leverkusener - also hauen wir die weg. Wie wärs mit einem 3:6?