Mit einem glanzlosen, aber auch immens wichtigen 1:0 Erfolg beim Wolfsberger AC hat Borussia Mönchengladbach das Tor zur Zwischenrunde in der Euro League weit aufgestoßen und damit gezeigt, dass man sich von der Niederlage bei Union Berlin nur wenig hat beeindrucken lassen. Im abschließenden Spiel gegen Istanbul Basaksehir FK reicht der Borussia nun ein Punkt, um im Borussia Park auch 2020 Europapokal zu präsentieren. Mit einem Sieg winkt sogar die Tabellenführung. Nach dem Fehlstart mit einem Punkt aus den ersten beiden Begegnungen ist dies ein klares Zeichen der neuen aktuellen Stärke des Rose-Teams.

Die Geschichte des gestrigen Spiels ist schnell erzählt. In einer fahrigen, an Höhepunkten armen Begegnungen tat sich die Borussia lange Zeit schwer mit der aggressiven, von frühem Anlaufen geprägten Spielweise der Gastgeber. So hatte man in der ersten Halbzeit Glück, als Bensebaini allzu lässig den Ball an Schmid verlor und im Zentrum der sträflich freigelassene Niangbo den Ball erst nicht kontrollieren konnte und Strobl schließlich für den bereits geschlagenen Sommer auf der Linie rettete. Glücklich konnte man sich auch schätzen, dass direkt nach Wiederanpfiff Schiedsrichter Gözübüyük Strobls Einsteigen gegen Schmid nicht mit Elfmeter ahndete. Borussias Führung fiel mit dem ersten ernstzunehmenden Angriff praktisch aus dem Nichts. Wendt bediente nach einem Konter den völlig allein gelassenen Stindl, welcher trocken zum 0:1 einnetzte. Dieser Treffer brach den bis dahin dominanteren Österreichern faktisch das Genick. In der Folge plätscherte die Partie ihrem Ende entgegen und die Fohlen hatten durchaus Chancen, das 2:0 nachzulegen. Am Ende erzählt das 1:0 aber in etwa die „Dramatik“ der Begegnung.

Viel interessanter gestaltete sich aber der Umgang mit der personellen Situation im Vorfeld. Als die Borussia im Jahr 2018 mit einer desaströsen Rückrunde Europa auf der Zielgrade verspielte, redete der damalige Trainer Dieter Hecking seine Rolle hieran klein und verwies auf die Verletztenmisere. Wenn der Kader halbwegs verletzungsfrei wäre, möge man ihn an diesem Ergebnis messen. Vor dem Spiel beim WAC sah sich Marco Rose mit der Situation konfrontiert, nicht nur sein Innenverteidiger-Duo ersetzen zu müssen, sondern auch auf die Back-Ups Jantschke und Beyer zu verzichten. Die Reaktion war ein erfrischendes Schulterzucken mit dem lapidaren Kommentar „Wir haben Ideen“. Zwar war die neu kombinierte Innenverteidigung mit Strobl und Bensebaini nicht immer sattelfest, doch die Botschaft war klar. Borussia 2019 lamentiert nicht über die schwierigen Umweltbedingungen sondern kreiert aktiv Antworten. Und das mit Erfolg. Ein wenig fühlte man sich an die Situation nach der peinlichen Heimpleite gegen den WAC erinnert. Damals schüttelte man sich merklich und biss sich bei aller Verunsicherung in die Partie gegen Fortuna Düsseldorf, welche man letztlich knapp zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Auch gestern war zu merken, dass die Pleite bei Union Berlin nicht grade für Selbstbewusstsein gesorgt hatte. Letztendlich nahm man aber das Spiel an und gewann im Verlauf des Spiels deutlich an Sicherheit, bis man es schließlich souverän zu Ende brachte.

Diese Art des Umgangs führt zu einem Selbstbewusstsein, das den Fohlen deutlich hilft und auch deren Außendarstellung beeinflusst. Nach der gleichwohl verdienten Niederlage in Berlin, feierten deren Anhänger ihr Team minutenlang als „Tabellenführer-Besieger“. Und genauso wird Gladbach von Außen derzeit gesehen. Nicht mehr als das hochtalentierte, schön spielende Team, das stets gefährlich ist, sondern vielmehr als ein Spitzenteam, welches nicht ganz zu Unrecht derzeit die Bundesliga anführt. Auch wenn es realistisch betrachtet noch viel zu früh ist, sich Seite an Seite mit Bayern, Dortmund oder Leipzig zu sehen, macht man unter Marco Rose den von Max Eberl erhofften Schritt nach vorn und orientiert sich mittlerweile deutlich mehr nach oben als nach unten, bereit auf die Schwächen der Konkurrenz zu lauern. Diese Aktion ruft aber auch Reaktionen hervor. Man muss den Gegner nicht mehr motivieren und man weiß, dass man die Borussia nicht zur Entfaltung kommen lassen darf. Die Spielweisen der technisch limitierten Mannschaften von Union und WAC haben bereits einen Vorgeschmack darauf gegeben, was kommt und auch gegen Freiburg dürfte den Tabellenführer ein heißer Tanz erwarten.

Der Tabellenvierte ist so etwas wie die Überraschungsmannschaft der laufenden Saison und könnte mit einem Sieg sogar die Borussia an der Tabellenspitze ablösen. Punktgewinne zuletzt in Leverkusen, Bremen und gegen Dortmund, dazu Siege in Hoffenheim und gegen Leipzig zeugen von der aktuellen Stärke der Streich-Elf. Probleme hatte man in der Vergangenheit vornehmlich gegen die „kleinen Mannschaften“ wie Köln und vor allem Union Berlin. Die Borussia ist hingegen nicht klein, das Kräftemessen mit den Breisgauern verlief in der Vergangenheit stets knapp. Wer Freiburg unterschätzt, wird mit ziemlicher Sicherheit ein böses Erwachen erleben. Zudem ist die personelle Situation bei Borussia noch nicht abschließend geklärt. Elvedi dürfte wohl wieder zurückkehren, hinter Ginter, Jantschke und Beyer stehen aber dicke Fragezeichen. Doch lamentieren war ja bekanntlich gestern, Antworten sind gefragt. Auch beim Gegner. Mit Schwolow, Grifo und Waldschmidt fallen dort ebenfalls immens wichtige Spieler aus, die den Unterschied machen können. Freiburgs Stärke liegt aber sowieso in der mannschaftlichen Geschlossenheit. 13 Gegentore zeigen, dass dieses Team schwer zu knacken sein wird und man geduldig auf Fehler der Borussia lauern wird. Ein unangenehmer Gegner also, der ein echter Prüfstein für die Verteidigung der Tabellenführung sein wird.

Vorausichtliche Aufstellung

Borussia: Sommer – Lainer, Strobl, Elvedi, Bensbaini – Kramer, Zakaria, Neuhaus – Thuram, Plea, Herrmann

Freiburg: Flekken - Lienhart, Koch, Heintz - Schmid, Haberer, Höfler, Günter - Höler, Sallai – Petersen

Einschätzungen Seitenwahl:

Mike Lukanz: Das 1:0 in Graz war sicher kein Spiel, das in die Ruhmeshalle der Gladbacher Europapokalgeschichte eingehen wird. Spielerisch ist zurzeit etwas der Wurm drin. Die kommenden drei Heimspiele sollten Chance genug sein, das zu korrigieren. Freiburg wird nicht mit offensivem Visier antreten, aber pflegt einen anderen Fußball als Union und Wolfsberg. Das sollte der Borussia entgegenkommen. Durch ein knappes 2:1 wird das Topspiel gegen Bayern als Tabellenführer bestritten.

Michael Heinen: Die Pflichtaufgabe Wolfsberg hat Borussia mit voel Mühe und ohne Glanz gemeistert. Gegen Freiburg in der Liga und Istanbul im Gruppenfinale der Europa League muss sich die Mannschaft aber deutlich steigern, um wieder in die Spur zu finden und in Europa zu überwintern. Am Sonntag reicht es zu einem mühsamen 2:1.

Thomas Häcki: Das Spiel in Wolfsberg war erwartungsgemäß unangenehm. Trotzdem wurde es am Ende souverän gemeistert. Freiburg wird deutlich unangenehmer. Es hat sich aber bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass die Borussia nach einer Führung deutlich souveräner auftritt. Da ich an eine Führung glaube, tippe ich auf ein 1:0. Glaube versetzt eben Berge.

Christian Spoo: So ein Spiel muss man erstmal gewinnen. In der ersten Halbzeit war es schon schwer zu ertragen, aber am Ende war der Sieg in Wolfsberg sogar verdient. Erkenntnisse für Freiburg: Wäre schön, wenn Elvedi und/oder Ginter wieder fit würden. So oder so wird es gegen den Sportclub aber zu einem 2:0-Sieg reichen, so dass Borussia die Tabellenführung erst am 07. Dezember abgeben muss.