Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von den Fußballgöttern ausging, dass alle Gladbach-Spiele 2:1 in der Nachspielzeit enden sollten (für wen auch immer). Die Borussenspieler aber behielten alle diese Worte und bewegten sie in ihren Herzen… äh ja, ein schöner dritter Advent war das! Sollte die Hauptfrage des Wochenendes gewesen sein, ob das EL-Ausscheiden sich auf die Bundesligapartie des VFL in Wolfsburg auswirken würde, so können wir das knapp mit “Jaha!” beantworten und den Artikel damit beenden. Auf der anderen Seite ist natürlich nichts jemals so einfach wie es erscheint, sodass wir – auch wenn dies nicht annähernd so viel Spass macht wie in der Vorwoche – etwas genauer auf das Spiel der Borussia an diesem Sonntag eingehen müssen.

Aufstellungstechnisch rückten Bensebaini und Benes erwartungsgemäß (zumindest wenn man die Rotationstrategien Marco Roses in den vergangenen Wochen verfolgt hat) für Wendt und Neuhaus ins Team zurück. Etwas überraschend hingegen, dass Christoph Kramer trotz der Gelbsperre Zakarias nicht in der Startelf stand, sondern dafür Tobias Strobl von Beginn an ran durfte. Auch die Aufstellung Jonas Hofmanns wird bei manch einem ein Stirnrunzel verursacht haben. Die Heimmannschaft zollten dem (Ex-)Tabellenführer durchaus Respekt, in dem sie den Borussen zumindest in der ersten Halbzeit oft den Ballbesitz überließen, aber die zielstrebigeren direkteren Angriffe und damit auch verbundene Chance gab es von Beginn an auf Wolfsburger Seite. Joao Victor traff den Pfosten, Xaver Schlager(star) (der Volkswagen - Bernd Clüver) erzielte dann die Führung für die Heimmannschaft. Wenn man etwas Positives über die Borussia an diesem Nachmittag sagen will, dann dass sie diesen Rückschlag schnell wegsteckte und mit dem wachsten und dynamischsten Moment des Nachmittags sofort den Ausgleich erzielte. Embolos gekonnte Volley-Verwertung von Pleas langer Flanke war sicher eines der schönsten Gladbacher Tore in dieser Saison.

Leider bewirkte das nicht einen Ruck in der Mannschaft, sondern das Spiel ging danach im wesentlichen so weiter wie zuvor: Viele Nickligkeiten, Borussia mehr Ballbesitz, Wolfsburg mehr Zug zum Tor und die besseren Chancen. Wenn man nicht so genau hinschaute, hätte man meinen können ein Spiel der Ära Hecking oder ein schwächeres Spiel unter Favre zu beobachten. Es sah zwar zeitweilig gefällig aus, was der VFL bot, aber es fehlte an Tempo, Kreativität, Spritzigkeit, jenen 10%, die den Unterschied machen.

Wenn sich nach der Halbzeitpause etwas änderte dann höchstens, dass die Wolfsburger nun vollauf verstanden hatte, dass ihnen kein übermächtiger Tabellenführer, sondern eine höchst schlagbare Mannschaft gegenüberstand. Das Heimteam legte jeglichen Respekt ab, griff früher an, womit der Borussia noch nicht mal mehr die Scheinüberlegenheit der ersten Halbzeit übrig blieb. Immerhin ermöglichte die offensivere Ausrichtung des Gegners den Gästen Kontermöglichkeiten und in der 54. Minute hatte Thuram die wohl beste Gladbacher Chance des Spiels als er allein vor Casteels auftauchte, aber scheiterte. Es war nicht so richtig der Tag des Weltmeister-Sohns, der solch fantastische Wochen hinter sich hat. Noch weniger war es der Tag seines Landsmannes Plea, der seit seiner Verletzung noch nicht wieder die Form der ersten Saisonphase zurück erlangt hat und abgesehen von der Torvorbereitung in Wolfsburg eher durch behäbige Schlampigkeit in seinem Spiel auffiel.

So dominierte dann Wolfsburg und die Gladbacher Abwehr schwamm zeitweise bedrohlich. Das Unentschieden war zum diesem Zeitpunkt schmeichelhaft und nur der mangelnden Chancenverwertung der Niedersachsen zu verdanken.

In den letzten 20 Minuten gelang es der Borussia sich wieder etwas zu befreien und man begann sich mit Gedanken an einen hart umkämpften Punkt anzufreuen, als dann Arnolds Volleyschuss in der Nachspielzeit doch noch den verdienten Siegtreffer für die Glasner-Elf erzielte.

Innerhalb von drei Tagen zweimal so kurz vor Schluss zu verlieren ist extrem bitter. Es liegt nahe, den etwas müden Auftritt gestern mit dem EL-Ausscheiden am Donnerstag in Verbindung zu bringen. Ganz so einfach lässt sich solch eine Enttäuschung dann doch nicht wegstecken. Womöglich hat aber auch das Spiel gegen die Bayern in der Vorwoche einiges damit zu tun: Die Energieleistung in jenem hochgehypeten Spiel, gefolgt von dem emotionalen Ausbruch danach hatten Mönchengladbach in einen Ausnahmezustand versetzt. Es ist nicht so einfach, sich danach wieder auf den Alltag und die Pflicht zu konzentrieren. Es ist erstaunlich wie häufig Bayern-Besieger in den letzten Jahren ihr nächstes Bundesligaspiel verloren haben. Prominentes Beispiel in dieser Saison ist die Frankfurter Eintracht, die nach dem grandiosen 5:1 gegen den Rekordmeister in der Liga fast gar nichts mehr zu Stande gebracht hat. 

Vielleicht übertreibt man es aber auch damit, immer gleich psychologische Gründe finden zu wollen. Im Vorjahr trennten die beiden VFLs am Ende genau ein Tor in der Tabelle. Auch wenn die Borussia seit dem sicher mehr Fortschritte aufzuweisen hat, ist der Abstand zwischen beiden Teams kleiner, als die 9 Tabellenplätze vor dem Spiel einem weismachen wollten. Wenn dann Wolfsburg noch die beste Saisonleistung zeigt (aus irgendeinem Grund machen sie das häufig gegen Gladbach) und die Borussia einen mittelmäβigen Tag erwischt, verliert man so ein Spiel auch schon mal.

Nun ist sie also weg, die Tabellenführung. Die vom Seitenwahl Twitter-Account vor einiger Zeit in üblicher Schlüpfrigkeit prognostizierten “9 ½ Wochen” hat man um 3.5 Tage noch übertreffen können. Man verpürt eine gewisse Ernüchterung rund um den Borussiapark nach den beiden Niederlagen der letzten Tage. Es ist ein bisschen so, wie wenn man aus dem Traumurlaub in der Karibik an einem nasskalten Tag wieder daheim ankommt und weiβ dass am nächsten Tag jede Menge angehäufte Arbeit wartet. Aber in beiden Fällen gilt, dass die einem die Erinnerung niemand mehr nehmen kann. Diese 8 Spieltage als Tabellenführer waren für Borussiafans sicher eine der schönsten Erfahrungen der letzten 30 Jahre. Natürlich haben sie auch Sehnsüchte und Begehrlichkeiten geweckt und warum auch nicht? Der Verein hätte nicht den Trainer nach einem fünften Platz gewechselt, wenn es nicht höhere Ambitionen gäbe. Dass sich alle Wünsche gleich auf Anhieb erfüllen wäre aber selbst für einen Weihnachtsfilm etwas zu kitschig. Für die Borussia gilt es nun, gegen Paderborn und Hertha zu verhindern, dass man nach einer sehr guten Hinrunde mit einem negativen Gefühl in die Winterpause geht (und wer weiβ, noch ist die Herbsmeisterschaft möglich!) Man sollte allerdings nicht allzuviel abhängig machen davon, welchen Platz und wieviel Punkte Gladbach unter dem Weihnachtsbaum hat. Tolle Hinrunden gab es auch schon unter Schubert und Hecking, gefolgt von sehr ernüchternden Phasen. Wieviel mehr Marco Rose der Borussia gebracht hat, wird sich so richtig erst in der Rückrunde zeigen. Und unsere grössten Konkurrenten werden dann nicht Bayern, Leizpig und Dortmund sondern vermutlich Leverkusen und Schalke heiβen.

Seitenwahl-Einordnungen:

Michael Heinen: Siege über die Bayern sind immer wunderschön, tuen langfristig aber oft weh. Innerhalb von vier Tagen musste Borussia das jetzt erneut bitter erfahren. Die unglückliche, aber verdiente Niederlage in Wolfsburg sollte die Mannschaft aber nicht umwerfen. Wenn sie gegen Paderborn und Berlin selbstbewusst und konzentriert aber nicht arrogant antreten, wird es in der kommenden Woche einen versöhnlichen Abschluss einer überragenden Hinrunde geben.

Christian Spoo: Von himmelhoch jauchzend zu todesbetrübt innerhalb von vier Tagen. Borussia ist wieder Borussia. Der Rest der Saison beginnt in dieser noch früher als in der davor. Aber die Wochen an der Tabellenspitze waren eine schöne Zeit.


Mike Lukanz: Ich bin immer noch viel zu genervt, um etwas sachlich Vernünftiges zum Spiel schreiben zu können. In Wolfsburg wird nicht nur verloren, sondern immer auf eine unfassbar nervige Art. Die Batterien scheinen leer. Jetzt noch irgendwie vier Punkte ergattern, dann kann Weihnachten kommen. Sagte ich, dass ich genervt bin?

Thomas Häcki: Sehen wir die positiven Dinge. Das unsägliche Gelaber vom Meisterschaftsaspiranten hat ein Ende. Borussia zeigt, dass sie eben keine Spitzenmannschaft ist. Gegen Paderborn wird sie das erneut bestätigen und sich damit sogar aus der Spitzengruppe verabschieden. Was nicht bedeutet, dass ich in 2020 einen Einbruch sehe.