Wir alle wollen Sicherheit. Wir wollen aber auch planen. Wir wollen nach vorne schauen und etwas sehen. Wir sehnen uns nach Normalität und suchen den Himmel nach einem Silberstreif ab. Allein: Da ist im Moment nichts. In der Corona-Krise lautet die Antwort auf fast alle Fragen: Weiß man im Moment noch nicht. Das trifft auch den Fußball. Der kommt damit aber nicht klar. Und so hält man in der Liga und bei den Vereinen unverdrossen daran fest: Die Saison muss weitergehen. Und am besten am 30. Juni halbwegs regulär ausgespielt sein.

Eine Debatte über eine Exit-Strategie aus dem umfassenden Lockdown ist in der Politik tabu, so nötig es wäre, sie zu führen. Da es zur Zeit keine belastbare Prognose gibt, wann man irgendetwas wird lockern können, scheuen Politiker auch die Diskussion darüber, in welcher Reihenfolge und unter welchen Bedingungen man denn irgendwann mal irgendetwas wird lockern können. Die Sorge, bei den Menschen Hoffnung zu wecken, die man dann enttäuschen muss, ist übergroß. Man kann nur hoffen, dass die Diskussion unter Ausschluss der Öffentlichkeit trotzdem seriös geführt wird. Man braucht keine Zeitpunkte festzulegen, um sich zu überlegen, wie das Leben denn eines Tages sinnvoll wieder anlaufen könnte.

Der Fußball macht es anders. Er führt seit Wochen eine sehr öffentliche Diskussion darüber, was am besten möglichst bald wieder gehen können muss. So wurde an diesem Dienstag zwar die Bundesliga-Pause auch offiziell bis zum 30. April ausgedehnt, verbunden aber mit dem erneuten Bekenntnis dazu, die Saison aber nun wirklich und am liebsten im Mai weiterzuspielen. Von der Vorstellung, Spiele mit Publikum austragen zu könne, hat man sich dabei immerhin verabschiedet. Stattdessen will man nun ausloten, unter welchen Bedingungen man Geisterspiele abhalten und ins Fernsehen bringen kann. Angesicht der eingangs erwähnten kompletten Unsicherheit, was alle Entwicklungen angeht, die weiter als vier Tage in der Zukunft liegen, ist dieses Vorgehen kaum ernst zu nehmen. Aber sollen sie mal planen, mit irgendetwas müssen sich die Fußball-Funktionäre ja beschäftigen. Man muss kein Fachmann sein, um zu prognostizieren, dass jeder Plan, der dabei herauskommt, eine Haltbarkeit vergleichbar mit der eines Pfundes frischen Rinderhacks haben wird. Einfach abzuwarten, weil es nicht anders geht, wäre die ehrlichere Vorgehensweise. Dass das nicht funktioniert, weil für die Menschen im System viel auf dem Spiel steht und weil sie sich gegenseitig permanent Handlungsfähigkeit und -willen beweisen müssen, geschenkt. Wir sind im Moment fast alle in einem Modus unterwegs, der einen gewissen Schuss Irrationalität beinhaltet.

Dass die Wirtschaftsunternehmen, die wir Fußballvereine nennen, von der Corona-Krise gebeutelt sind, stellt niemand in Abrede. Die Existenzen, die dabei gefährdet sind, sind vor allem alle diejenigen Rädchen im System, deren Namen wir in der Regel gar nicht kennen. Schon jetzt haben einige Vereine – darunter Borussia Mönchengladbach – Kurzarbeit angezeigt. Ohnehin geht Borussia mit der Lage transparent um und Max Eberl und sein Team scheinen eine realistische Sicht auf die Dinge zu haben. So sollten künftig auch Appelle an die Fans unterbleiben, auf die Rückerstattung ihrer Dauerkarten-Ausgaben zu verzichten. Wer sich das leisten kann, wird sich das vermutlich selbst überlegen. Oder entscheiden, das Dauerkarten-Geld nach der Krise irgendwo anders auszugeben – vielleicht beim Buchhändler oder im Plattenladen um die Ecke, denen der Lockdown das Genick zu brechen droht. Borussia spürt die Krise, keine Frage. Aber die Existenz des Vereins ist nicht gefährdet. Das weiß man sicher auch in der Geschäftsstelle. Denn Max Eberl gehört erfreulicherweise zu den bisher eher wenigen Fußballfunktionären, die offen einräumen, dass die Probleme des Profifußballs nicht zu den gravierendsten gehören, mit denen sich die Gesellschaft im Angesicht der Corona-Krise konfrontiert sieht. Alles in Allem nimmt sich der Fußball in diesen Zeiten aber immer noch sehr wichtig und vermutlich nimmt er sich wichtiger, als er ist. Die Frage, ob und wann es weitergeht, ob es einen Deutschen Meister 2020 geben wird, ob Spieler X bei Verein Y bleibt oder zu Verein Z wechselt – es scheint einer großen Mehrheit auch derjenigen, die sich über solche Fragen sonst viele und ausgiebige Gedanken machen im Moment vollständig egal zu sein. Die großartige Ablenkung, die ein Haufen Geisterspiele irgendwo in leeren Stadien in Deutschland einem von Einschränkung und Verbot gebeutelten Volk angeblich bringt, dürfte nicht viel mehr als Fiktion sein. Dass die Menschen Brot und Spiele wollen, diese schon sehr alte Weisheit ist im Angesicht des Corona-Phänomens hinfällig. Die Menschen wollen vielmehr Brot und Klopapier. Und gesund bleiben.