Die Borussia konnte an diesem 30. Spieltag einen entscheidenden Schritt Richtung Championsleague machen und den Vorsprung auf den Verfolger aus Leverkusen auf beruhigende 5 Tore ausbauen. Einzig der unerwartete Punktgewinn Leipzigs gegen den SC Paderborn trübte die Stimmung an diesem erfolgreichen Wochenende ein wenig…  Nun ja, wenn in der heutigen Zeit jedermann – allen voran die Staatschefs der USA und Großbritanniens -  sich die Welt mit alternativen Fakten machen kann widde-widde-wie sie ihm gefällt, dann können wir das erst recht. Dumm nur, dass ähnlich wie britische und amerikanische Bürger keineswegs den Bestnoten, die sich die Herren Johnson oder Trump für den Umgang mit der Corona-Krise geben, zustimmen, auch die Gemeinschaft der Gladbach-Anhänger an diesem Wochenende eine gänzlich andere Realität wahrnahm als sie unser Eröffnungssatz wie auch die Tabelle vorgaukeln will. Die Enttäuschung über die erneute Niederlage in Freiburg sitzt auch Tage danach noch tief. Dass man dabei eigentlich über weite Phasen ein sehr gutes Spiel geliefert hatte, mag für manchen ein Trost sein aber für andere macht es den Ausgang umso ärgerlicher.

Dabei sah es zunächst so aus, als könne die Fohlenelf nahtlos an das 4:1 gegen Union Berlin anknüpfen. Nicht nur ging man mit identischem Startpersonal ins Spiel, sondern der Ball lief auch ähnlich gut in den eigenen Reihen. Außer zweier Freiburger Chancen durch Waldschmidt bzw Höler, welche die erste Hälfte einrahmten, war es ausschließlich die Borussia die das Spiel bestimmte. Frühes Pressing, schnelles Umschalten, hohe Ballsicherheit, es machte Spaß zuzuschauen, aber diverse Chancen u.a. für Plea und Neuhaus konnten nicht genutzt werden. Hinzu kamen jene Chancen auf Chancen, das Gladbacher Lieblingstor dieser Saison mal wieder zu erzielen wo Bensebaini, Herrmann oder Lainer von außen fast bis zur Grundlinie gehen und den Ball dann scharf an den Fünfmeterraum ziehen. Im Idealfall hält dort Marcus Thuram dann nur noch den Fuß hin, aber in diesem Spiel schafften es die Freiburger immer irgendwie noch einen Fuß dazwischen zu bekommen. Damit ist die Leistung der Streichtruppe in Hälfte Eins auch schon zusammengefasst: man hatte absolut keinen Zugriff aufs Spiel, schaffte es aber mit viel Leidenschaft und hoher Konzentration das schlimmste zu verhindert. Die Borussia hingegen, bei der Florian Neuhaus immer mehr in die Rolle des Taktgebers und Spiellenkers wächst, wusste bei Pausenpfiff nicht so recht, ob man zufrieden mit der eigenen Leistung oder eher frustriert ob des fehlenden Torerfolges sein sollte.

Während der Pause entschied man sich offensichtlich dafür, dass Frust die geeignete Reaktion war, während die Freiburger in jenen 15 Minuten realisierten, dass sie bis dahin sehr zufrieden sein konnten. Auf jeden Fall war die Borussia auch zu Beginn der zweiten Halbzeit weiterhin überlegen, aber nicht mehr so souverän, während der Gegner erheblich frecher auftrat. Drei Szenen entschieden dann das Spiel: In der 53. Minute gab es noch einmal eine dieser scharfen Hereingaben direkt vors Tor, Lienerts last minute Rettung vor Thuram war riskant und hätte gut und gern zum Eigentor führen können, aber der Freiburger konnte klären. Es blieb die letzte Großchance für den VFL. Szene 2 war der Führungstreffer. Selbstverständlich musste es Grifo sein, der die scharfe Freistoßflanke von der rechten Seite in Gladbacher Strafraum gab. Gut geschossen sind solche Hereingaben brandgefährlich; schon die kleinste Berührung irgendeines (manchmal gar des eigenen) Spielers können das Leder unhaltbar für den Torwart ablenken. Aber hier können wir dann auch schon übergangslos mit dem Fazit des Spieles beginnen: Eine Mannschaft, die in der Champions-League spielen möchte, muss in der Lage sein solch einen ruhenden Ball, der sich lang genug in der Luft befindet, besser verteidigen zu können. „Richtig schlecht“ fand auch Marco Rose das nach dem Spiel, zumal der Union-Treffer in der Vorwoche schon aus einer ähnlichen Situation gefallen war.

Auch sollte eine Mannschaft mit den Ambitionen des VFL in der Lage sein, nach solch einem Rückstand den Schalter noch einmal umlegen zu können. Das war nicht der Fall. Für den Rest der Partie war das Angriffspiel ungenau und fahrig: Die zahlreichen leicht zu verteidigenden Flanken aus dem Halbfeld waren nur ein Indiz für die Hilflosigkeit der Borussia. Freiburg hatte nun wenig Mühe, Bälle zu erobern und selbst zu Chancen zu kommen. Dass noch mehr nach der dritten entscheidenden Szene, der gelbroten Karte gegen Alassane Plea.  Man muss nicht darüber diskutieren, dass diese im Verbund mit der ersten Gelben Karte wegen Ball Wegschießens ebenso nach den Regeln vertretbar wie aber auch komplett übertrieben und lächerlich war. Einem Thomas Müller hätte Schiri Schmidt vermutlich nur ein „Das lässt du aber beim nächsten Mal sein, Du Lausbub“ mitgegeben. Trotzdem war es in der Summe auch dämlich vom Gladbacher Stürmer, sowas kann man sich auf dem Niveau eben nicht leisten.

Auch wenn der Platzverweis von Plea (dem auch noch eine rote Karte gegen Max Eberl folgte) in den sozialen Netzwerken gleich wieder Verschwörungstheorien gegen die Borussia aufkommen ließ, so ergibt eine nüchterne Analyse des Spiels doch eher, dass die Mannschaft sich selbst um den Erfolg gebracht hat. Dass man schönen, manchmal sogar spektakulären Fußball spielen kann, hat man auch am Freitag bewiesen. Aber Chancenverwertung, das Vermeiden von Disziplinlosigkeit, das konsequente Verteidigen von Standards sowie das kühlen-Kopf-bewahren bei Rückstand gehören eben auch zum Anforderungsprofil eines Champions-League-Teilnehmers.

Auch wenn der VFL weiterhin auf dem vierten Platz steht, muss man angesichts es anstehenden Spiels in München konstatieren, dass Bayer Leverkusen auf der Zielgeraden vermutlich gute Karten hat den Gladbachern wie im Vorjahr den Champions-League-Platz wegzuschnappen. Entschieden ist aber noch lange nichts und es wäre fatal, wenn man nach diesem Rückschlag die Flinte vorzeitig ins Korn wirft. Sollte es letztendlich doch „nur“ der fünfte Platz werden, wird es zweifelsohne miesepetrige Stimmen geben die von einer wieder mal verkorksten Rückrunde und einem schnell verpufften Trainerwechsel faseln. Mal abgesehen davon, dass man erst zum Ende abrechnen sollte, fordere ich solche Kritiker heraus, irgendeine Halbzeit der Rückrunde 2018/19 her auszukramen, die fußballerisch auch nur annähernd so überzeugend war wie die erste Hälfte in Freiburg am Freitag. Auch wenn der Fortschritt sich nicht in allen Zahlen sofort widerspiegelt, ist er trotzdem nicht übersehbar und noch hat die Borussia es in der eigenen Hand ihre Weiterentwicklung aus eigener Hand zu krönen.

Die Stimmen der SW-Redaktion:

Christian Spoo: Ich hatte Recht.

Mike Lukanz: Ich auch.

Michael Heinen: Ich schliesse mich den bisherigen Redaktionskommentaren an.