Copyright: Ulrich Hufnagel/Hufnagel PR

 

Trotz der drückenden Corona-Stimmung herrschte in Mönchengladbach vor dem Saisonstart eine für niederrheinische Verhältnisse fast schon euphorische Grundstimmung. Die Champions League erreicht dank eines modernen Erfolgstrainers, des besten Managers der Liga und eines homogen funktionierenden Teams, aus dem kein einziger Leistungsträger verkauft werden musste. Stattdessen sogar mit Wolf und Lazaro zwei ergänzende Verstärkungen für die Offensive sowie mit Beyer und Doucouré zwei entwicklungsfähige „Neuzugänge“ für die Defensive hinzugewonnen. Manch ein Optimist träumte da schon von noch viel höheren Zielen, sofern die „Über-Bayern“ im Jahr nach dem Triple eine Auszeit nehmen sollten.

Das standesgemäße 8:0 beim Fünftligisten Oberneuland bestärkte diese Gefühle, war aber natürlich ein Muster ohne Wert angesichts des chancenlos unterlegenen Gegners. Die erste halbe Stunde im ersten Bundesliga-Spiel hatte da schon mehr Aussagekraft, denn in dieser Zeit hielt die Mannschaft in Dortmund auf Augenhöhe mit und knüpfte an ihre Vorstellungen aus der Vorsaison an. Leider setzte sich dies nach dem unglücklichen 0:1-Rückstand nicht fort, sodass am Ende ein verdientes, wenngleich zu hoch ausgefallenes 0:3 stand. Im ersten Heimspiel gegen Union Berlin sollte dieses Ergebnis nun durch einen souveränen Heimsieg ausgeglichen werden.

 

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Marco Rose hatte die noch erst halbfitten Marcus Thuram und Alassane Plea in die Startformation berufen, um die in Dortmund allzu offenkundige Angriffsflaute zu beheben. Dies gelang allerdings nur bedingt, denn beiden Stürmern merkte man ihre fehlende Spielpraxis deutlich an. Daran ändert auch wenig, dass Thuram zwischenzeitlich das 1:0 markierte. Dass die beiden wissen, wo das Tor steht, daran ändert auch eine Verletzungspause nichts. Diese bemerkte man eher im Zusammenspiel mit ihren Kollegen, das nicht annähernd so flüssig verlief wie in der letzten Spielzeit.

Borussia wirkte über 90 Minuten behäbig und einfallslos und konnte zu keiner Zeit die Qualitätsvorteile gegenüber den Gästen aufzeigen. Union hielt kämpferisch dagegen und verdiente sich damit einen Punktgewinn, der für sie wie ein Sieg – für Borussia aber wie eine Niederlage wirkte.

Die Auftritte von Dortmund und Bayern am selben Wochenende zeigen, dass Anlaufschwierigkeiten kein Gladbacher Exklusivmerkmal sind. Mit Zakaria fehlt weiterhin der beste und wichtigste Spieler im Kader, der Sturm ist mit Embolo, Plea und Thuram entweder noch verletzt oder nur bedingt spielfit. Neuzugang Wolf ist noch nicht integriert, sein Pendant Lazaro sogar verletzt. Zwar sollte auch der verbleibende Restkader über ausreichend Qualität verfügen, um einen Gegner wie Union Berlin zuhause zu besiegen. Aber zumindest lässt sich durch die Umstände erklären, warum die Mannschaft zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht in Bestform ist. Und an einem schlechten Tag kann es dann für einen ersatzgeschwächten Borussen-Kader eben zu solchen unverhofften Ergebnissen kommen. Die gute Nachricht: In früheren Jahren hätte die Mannschaft solche Spiele dann sogar verloren. Mittlerweile sind sie immerhin so stark, dass ein 1:1 bereits als gefühlte Niederlage herhalten muss.

 

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Allzu große Lehren sollten aus diesem Saisonstart noch nicht gezogen werden und es besteht keinen Grund die Saisonziele in irgendeiner Form zu revidieren. Optimisten mögen einwenden, dass der Rückstand auf die beiden Top-Meisterschaftsfavoriten an diesem Wochenende sogar verkürzt werden konnte. Für Europa und bei gutem Saisonverlauf evtl. die Champions League sollte die Qualität des Kaders aber in jedem Fall reichen. Nur: Ein Selbstläufer wird dies nicht und es kann immer Umstände und Saisonverläufe geben, die derlei Ziele bitter durchkreuzen.

Vor dem großen Derby in Köln hat sich die Mannschaft durch den Holperstart jedenfalls erstmals in dieser Saison so richtig unter Druck gesetzt. Eine weitere Niederlage – ob gefühlt oder real – sollte sich die Mannschaft besser nicht erlauben, da sonst die Stimmung kippen und ungemütlich werden dürfte. Bis Samstag ist aber noch etwas Zeit, um Borussias Stürmer hoffentlich wieder etwas näher an ihre Topform heranzubringen. Bei Normalform beider Teams sollte es keinen Zweifel darüber geben, wer die Nr. 1 am Rhein ist. Mit einem Auswärtssieg im Derby und einer überzeugenden Leistung wird die kleine Union-Delle schnell wieder vergessen sein und selbst die nüchternsten Niederrheiner werden - zumindest an diesem Derbywochenende - wieder zur alten Euphorie zurückfinden.