schalke neu

“Schluck bloß nicht das Kaugummi runter, das verklebt den Magen!” Mit dieser Mahnung versah mich meine Mutter als ich noch klein war und so war ich dann verblüfft, dass jegliche negativen Effekte ausblieben, als ich es dann doch einmal heruntergeschluckt hatte. Irgendwie ähnlich müssen sich Borussias Spieler am Mittwochabend beim Spiel gegen Donezk gefühlt haben. "Schachtar wird völlig anders auftreten und versuchen, das Ganze wieder zu drehen" hatte Marco Rose vor dem Spiel gewarnt, Routinier Kramer hatte der Rheinischen Post verkündet „"Es sollte keiner meinen, dass das ein Spaziergang wird " und auch Kapitän Stindl hatte mit dem Satz „Es wird ein ganz anderes Spiel werden“ jeglichen Übermut drosseln wollen.

Copyright: Ulrich Hufnagel/Hufnagel PR

  

Nun, es war definitiv eine andere Donezk-Mannschaft, die im Borussia-Park anfing. Nur 5 Spieler der Startelf vom 0:6 vor 3 Wochen waren übriggeblieben, wobei Trainer Castro anscheinend mehr Erfahrung auf den Platz bringen wollte, z.B. indem er im Tor dem Routinier Pyatov den Vorzug vorm 19-jährigen Trubin gab. Der einzig erkennbare positive Effekt all dieser Wechsel war jedoch, dass die Ukrainer/Brasilianer diesmal nicht ganz so wirkten, als wollten sie jeden Moment Rotz und Wasser heulen, auch wenn es dafür erneut genug Grund gegeben hätte. Wie im Hinspiel war es lediglich die bedeutungslose Ballbesitzstatistik, welche die Gäste gewinnen konnten, ansonsten hatte Gladbach von Beginn an das Heft in der Hand. Dirigiert vom erneut starken Sechser-Duo Kramer-Neuhaus, spielte man eine fast fehlerlose erste Halbzeit. Einziger Wermutstropfen vielleicht, dass trotz vieler schöner Spielzüge alle Tore nach Standardsituationen fielen. Aber bekannter Weise werden solche Treffer zumindest offiziell auch gezählt und es ist beruhigend zu wissen, dass Marcus Thuram eigentlich jederzeit einen Elfmeter herausholen kann, wenn der Ball anders nicht ins Netz will.

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So waren es dann Stindls Elfmeter und  Elvedis unbedrängter Kopfball nach Ecke, die Borussia auf die Erfolgsstraße brachten. Kurz vor der Pause bekam dann Embolo im Anschluss an einen Freistoß endlich auch sein Tor und das dann gleich mit einem spektakulären Fallrückzieher. Man kann nur hoffen, dass der Schweizer daraus Selbstbewusstsein schöpfen kann, denn er war auf dem besten Wege in Teilen der Fanszene unfairer Weise zum Sündenbock abgestempelt zu werden. Embolo wird nie ein Robert Lewandowski werden, aber seine Torquote der Vorsaison mit 8 Treffern in 28 Spielen war durchaus ordentlich. Auch muss man sich erstmal die Chancen erarbeiten, die man dann versemmelt und Embolos Läufe in die Tiefe rissen am Mittwoch immer wieder schmerzliche Löcher in die Donezker Abwehr. Sein Hauptproblem in Gladbach ist vielleicht, dass nicht so ganz klar was jetzt eigentlich die optimale Rolle für ihn ist. Als zentraler Stürmer kann er zwar seine Schnelligkeit und Körperlichkeit zur Geltung bringen, hat aber nicht die Technik und Torjägerqualität von Plea; als Mann hinter den Spitzen ist er gut im Pressing und im Festmachen von Bällen aus der Abwehr, aber kommt nicht an die Übersicht und das Spielverständnis von Stindl ran. Und trotzdem ist es in beiden Positionen gut, einen Embolo als Alternative zu haben und vielleicht kann er ja seine Torquote gegen seinen Ex-Verein (zu dem wir gleich noch kommen) am Samstag aufbessern.

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Wenn man am Auftritt gegen Donezk irgendwas kritisieren will, dann vielleicht die 2. Halbzeit, in der man teilweise etwas zu passiv und unkonzentriert agierte, genau das, was man im Hinspiel so eindrucksvoll vermieden hatte. Eine bessere Mannschaft als Donezk an diesem Tage, hätte es vielleicht nochmal geschafft ins Spiel zurückzukommen, aber Schachtar war dazu anscheinend zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

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Nun steht die Borussia also weiterhin an der Spitze der Championsleague-Gruppe B und kann nächste Woche gegen Inter den Einzug in die KO-Runde festmachen. Gehen wir kurz die Szenarien durch: Platz 3 in der Gruppe ist auf jeden Fall sicher, da Inter und Donezk noch gegeneinander spielen und somit nicht beide noch 6 Punkte erreichen können. Platz 2 ist sicher falls Borussia gegen Inter gewinnt oder aber in Madrid zumindest einen Punkt holt. Bei einem Unentschieden gegen Inter und einer Niederlage in Madrid, darf Donezk nicht beide Spiele noch gewinnen (was angesichts der Leistungen gegen Gladbach unwahrscheinlich wirkt). Selbst bei zwei Niederlagen kann es reichen, wenn z.B. Inter und Donezk sich am letzten Spieltag unentschieden trennen. Es sieht also durchaus gut aus, aber noch ist nichts sicher, außer dass Borussia 2021 mindestens in der EL weiterspielen darf.

Vor dem wichtigen Spiel gegen Inter Mailand gibt es aber erst noch ein Bundesligaspiel gegen Schalke 04. Und dieser vorangegangene Satz umfasst vermutlich schon das größte Problem für die Borussia am Samstag: wie kann man sich auf ein Spiel gegen den Tabellenletzten konzentrieren, wenn man vier Tage später Vereinsgeschichte schreiben kann?

Ich kann mich nicht erinnern, ob der S04 jemals als solch krasser Außenseiter an den Niederrhein angereist ist. Man hat die wenigsten Tore geschossen, die meisten Gegentore kassiert, hat so lange nicht gewonnen, dass inzwischen Kinder im Dezember für jedes sieglose Schalke-Spiel in der Bundesliga ein Türchen im Adventskalender aufmachen können. Zusätzlich zur sportlichen Krise gibt’s auch jede Menge Chaos im Umfeld: Kaderplaner Reschke wurde gefeuert, Ibisevics Vertrag zum Jahresende gekündigt, Harit und Bentaleb aus dem Kader geworfen und jetzt gibt’s auch noch einen Coronafall unter den Spielern. Das wirkt alles so dermaßen desolat, dass man selbst in Hamburg und Köln leise über Schalke kichert.

Trotzdem tut man in Mönchengladbach gut daran sich von all diesen Nebengeschichten nicht ablenken zu lassen. Immerhin war die Borussia das letzte Team,  gegen das Schalke in der Liga gewinnen konnte und Favorit war Gladbach auch in den Heimspielen gegen Union Berlin, Wolfsburg und dem FCA. Auch hat Schalke zumindest auf dem Papier durchaus ein paar Spieler von Format aufzubieten: Raman, Serdar oder Uth z. B. sind ja als solches keine schlechten Kicker, haben aber das Pech in einer momentan dysfunktionalen Mannschaft spielen zu müssen. Aber gerade für solche Mannschaften sind Spiele gegen „die Großen“ manchmal einfacher, da man sich erstmal nur aufs Verteidigen konzentrieren muss und nichts zu verlieren hat.

Für die Borussia ist dieses Spiel auf jeden Fall ein absoluter Pflichtsieg. Fünf Punkte beträgt der Abstand auf die CL-Plätze bereits, fünf Punkte, die man bei den 3 Heim-Unentschieden und in Leverkusen leichtfertig hat liegen lassen. Mehr Geschenke wie gegen Augsburg am letzten Samstag, darf die Borussia nicht machen, wenn sie ihre Saisonziele in der Liga nicht frühzeitig aufgeben will. Wie so häufig in dieser Saison, wird Marco Rose die Balance zwischen Rotation und der bestmöglichen Elf finden müssen. Möglich, dass das zuletzt starke Duo Kramer-Neuhaus gesprengt wird und entweder Zakaria oder auch Benes mal in die Startelf wandern. Vorn könnte Plea auch wieder eine Option sein, es ist schwer vorherzusagen. Klar ist aber, dass wer auch immer dort spielt, haushoher Favorit ist, ein Punktverlust oder gar eine Niederlage gegen Schalke wäre zu diesem Zeitpunkt blamabel.

Seitenwahl-Prognose:

Claus-Dieter Mayer: Nein, es darf nicht wahr sein, aber es passiert trotzdem: In der 93. Minute des Spiels rutscht Yann Sommer beim Abwurf aus und wirft das Leder ins eigene Tor zu einem angesichts des Spielverlaufs (87% Ballbesitz, 71% Zweikampfquote, 23:0 Torschüsse für Borussia) absurden 1:1. Das Wort von den „Heimdeppen“ macht die Runde.

Uwe Pirl: Es ist gefährlich, wenn vor einem Bundesligaspiel nur die Höhe des Sieges diskutiert wird. Und wir kennen ja die Qualitäten unserer Borussia als Aufbaugegner für Krisenvereine. Trotzdem: Gegen Schalke in der aktuellen Verfassung, gegen diese absurde Ansammlung von überbezahlten Unmotivierten, muss einfach gewonnen werden. Borussia macht das auch, selbst wenn das Spiel länger als 80 Minuten dauert: 2:0.

Mike Lukanz: Ich habe meine Tipps in den letzten Spielen so zuverlässig danebengehauen wie Embolo seine Torchancen. Da Letztgenannter gegen Donezk aber hoffentlich den (nun ja, etwas komplizierten) Weg gefunden hat, bleibe ich mal optimistisch, dass ich mit meinem 3:1-Tipp für Borussia richtig liege.

Michael Heinen: Wenn Borussia Normalform abruft, sollte es zu einem ungefährdeten Heimsieg kommen: Borussia gewinnt 4:1.

Thomas Häcki: Bundesliga, Favoritenrolle, Theater beim Gegner.... Ooohoh. In der Vergangenheit war das immer eine Einladung zum Prädikat Aufbaugegner. Aber im Ernst, es ist Schalke. Wir gewinnen 2:0.

Christian Spoo: Ein klassisches „Das kann man gar nicht verlieren und darum verlieren wir“-Spiel. Aber nein, diesmal ist Borussia nicht zu blöd und schlägt Schalke mit 3:1.