Es passt irgendwie, dass Borussia ausgerechnet in dieser Woche bei der TSG Hoffenheim antreten muss. Der Verein, der wie kein zweiter in der Bundesliga seit Jahren den finanziellen Wettbewerbsnachteilen trotzt und beständig um die Plätze in Europa kämpft, trifft auf den Klub, der allein dank der gönnerhaften Spenden eines einzelnen Superreichen in der Bundesliga mitspielen darf. Tradition trifft Kommerz. Blickt man auf die Entwicklungen der vergangenen Tage, so hat letzteres im Profifußball leider gesiegt, was auf den ersten Blick wenig Hoffnung auf einen Auswärtssieg der Fohlenelf macht.

Für die vermeintliche Superliga wird es für sie unabhängig vom Ausgang dieses Duells niemals reichen. Diese ist ausschließlich dem internationalen Geldadel vorbehalten, der sich die Mitgliedschaft erkaufen kann und somit endlich nicht mehr mit so etwas lästigem wie sportlichen Wettbewerb beschäftigen müsste. Das peinliche Drohszenario der vergangenen Nacht hat gewirkt: Die tatsächlichen Reformen der Champions League, die am heutigen Tag bekannt gegeben wurden, hören sich im Vergleich nur noch halb so bedrohlich an und wurden daher von vielen schon fast erleichtert aufgenommen. Sie sind aber nicht minder gefährlich für die Konkurrenz im europäischen Vereinsfußball. Indem ab 2024 erstmals einige Vereine ohne direkte Qualifikation an der Champions League teilnehmen können, wird den Top-Klubs des Kontinents beinahe jegliche Unsicherheit genommen, jemals ein Jahr ohne die überlebenswichtigen Einnahmen aus der Königsklasse auskommen zu müssen. Die Vereine, die eh schon über die besten Bedingungen verfügen, werden mit jeder Reform des Europapokals immer bessergestellt und können damit ihren ohnehin schon kaum noch aufzuholenden Vorsprung auf die (einstige) „Konkurrenz“ weiter ausbauen. Das ist in etwa so sinnvoll, als würden die Sieger der Vorläufe im olympischen 100-Meter-Lauf zur Belohnung im Finale 10 Meter Vorsprung bekommen.

Das Gegenteil dieser Entwicklung wäre dringend erforderlich, damit es in Deutschland wieder ernsthaft so etwas wie einen „Meisterkampf“ geben kann. Von einer perfekten Welt, in der JEDER Bundesligist durch konstant gute Arbeit eine Chance auf den Titelgewinn hat, wagen wir schon lange nicht mehr zu träumen. Dabei sollte genau dies der Anspruch eines jeden sportlichen Wettbewerbs sein, der aber schon lange den Renditeerwartungen einiger Superreicher geopfert worden ist.

Dennoch besteht Hoffnung, dass sich die Tradition im direkten Duell am kommenden Mittwochabend noch einmal gegen den Kommerz sportlich wird durchsetzen können. Mit einem Auswärtssieg in Sinsheim könnte Borussia zudem die inzwischen wieder ordentlichen Ambitionen auf internationale Pflichtspiele im kommenden Jahr untermauern.

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Grund für Optimismus gibt nicht nur das hohe Resultat, sondern auch das Auftreten gegen die Frankfurter Eintracht. Während die sieben Punkte aus den drei vorherigen Partien noch mit den Gegnern (Schalke, Hertha) oder den teils indiskutablen Leistungen (1. Halbzeit Freiburg) relativiert werden konnten, gab es am 4:0 vom Samstag überhaupt nichts zu bemängeln. Die zukünftige Mannschaft von Adi Hütter besiegte die aktuelle auch in dieser Höhe hoch verdient und hätte bei genauerer Regelauslegung von Schiedsrichter Aytekin sogar noch häufiger treffen können.

Bester Feldspieler war wieder einmal Jonas Hofmann, der sich in dieser Saison endgültig zu einem Führungsspieler entwickelt hat. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, wie sehr man inzwischen bei seiner verletzungsbedingten Auswechselung um seinen Einsatz in den nächsten Spielen bangen würde? Zum Glück gab es mittlerweile Entwarnung von Borussias medizinischer Abteilung, sodass Borussias derzeit wichtigster Spieler in Hoffenheim wird auflaufen können.

Aufgrund der nicht mehr bestehenden Doppelbelastung gibt es für den Vorgänger von Adi Hütter keine zwingende Veranlassung, weiter zu rotieren. Die Rückkehr von Christoph Kramer nach Gelbsperre könnte aber angesichts der letzten englischen Woche der Saison zumindest eine Mini-Rotation auslösen, der z. B. Denis Zakaria zum Opfer fallen könnte. Auch im Angriff ist denkbar, dass an ein oder zwei Stellen umgebaut wird und Embolo und/oder Wolf für Thuram, Plea oder Lazaro in die Startelf rücken.  

Im Tor wird aber in jeden Fall Tobias Sippel stehen, der gegen Frankfurt einige Paraden ablieferte, die bei Manuel Neuer vom kicker als „Weltklasse“ abgefeiert worden wären. Während Deutschlands Nr. 1 aber tatsächlich zuletzt das Aus der Bayern in der Champions League begünstigte, wartete die beste Nr. 2 der Bundesliga ohne Murren auf ihre Chance und nutzte diese direkt im ersten Versuch auf beeindruckende Weise. In Hoffenheim wird Sippel noch ein weiteres Mal Yann Sommer gleichwertig vertreten dürfen.

Gut möglich, dass er dabei erneut ohne Gegentor bleiben wird, denn die TSG zeichnete sich zuletzt weniger durch unbändigen Offensivfußball aus. Stattdessen erkämpfte sie sich gegen Leverkusen und in Leipzig durch solide Abwehrarbeit ein 0:0 und konnten sich so etwas Luft im Abstiegskampf verschaffen. Gerettet ist die Elf von Dietmar Hopp aber noch nicht bei lediglich fünf Punkten Vorsprung vor der Arminia aus Bielefeld. Es wird also kein kampfloser Sieg zu erwarten sein. Mut macht immerhin die Statistik: Nachdem Borussia bei den ersten acht Auftritten im Kraichgau zwischen 2008 und 2014 ohne Sieg geblieben war, wurde der Bann im April 2015 mit einem 4:1 gebrochen. Seitdem verloren die Fohlen nur noch eine von sechs weiteren Partien und siegten noch im Vorjahr deutlich mit 3:0. Sollte dies am Mittwoch erneut gelingen, könnte sogar wieder von mehr geträumt werden, als lediglich über Platz 7 an der neuen European Conference League teilnehmen zu dürfen.

Hoffenheim: Baumann – Kaderabek, Posch, Richards, Sessegnon – Grillitsch, Samassekou – Skov, Kramaric, Baumgartner – Bebou

Borussia: Sippel – Lainer, Ginter, Elvedi, Bensebaini – Kramer, Neuhaus – Wolf, Plea, Hofmann – Embolo

SEITENWAHL-Tipps

Michael Heinen: Ins Sinheim wird es für Borussia schwerer als erhofft und es reicht am langen Ende leider nur zu einem 1:1.

Claus-Dieter Mayer: Der 3:1-Sieg in Sinsheim erhält der Borussia die Hoffnung auf das itnernationale Geschäft und der TSG die Option auf Abstiegskampf. Alles gut!

Thomas Häcki: Der Borussia gelingt es, ihren Schwung auch im Kraichgau beizubehalten und revanchiert sich für die Hinspielpleite. 2:1 für die Fohlen.

Christian Spoo: Borussia fährt selbstbewusst und mit Rückenwind nach Sinheim und ist deswegen mit dem 2:2 am Ende nur sehr bedingt zufrieden.

Uwe Pirl: Der sympathische Traditionsverein aus dem Kraichgau mit seinem selbstlosen Mäzen hat Gladbach wenig entgegenzusetzen. 3:1 für Borussia.