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Trotz der vorherigen Bekundungen den Trostpreis Conference League unbedingt erreichen zu wollen, schenkt Borussia auch das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart nach Führung noch her. Es war ein Auftritt, der fast noch mehr über den Charakter der Mannschaft, als den kaum noch wahrnehmbaren Einfluss ihres scheidenden Trainers verrät.

Denn im Vorfeld hatte Marco Rose doch überraschend deutlich die Schwächen und Probleme angesprochen, mit denen sich Borussia seit Monaten herumplagt. Mit einer Mischung aus Eingeständnis eigener Ratlosigkeit und verklausulierter Generalkritik an der Mannschaft konstatierte er auf der PK vor dem Spiel, dass es zu oft in dieser Saison am nötigen Fokus und an Kommunikation gefehlt habe, um über 90 Minuten das (zweifellos vorhandene) Potenzial abzurufen. Stattdessen wurden unzählige Punkte nach Führung verschenkt und ganze Halbzeiten waren dominiert von allgemeiner Rat- und Hilflosigkeit.


Fast wie angekündigt

Gesagt – getan, könnte man sagen: Gegen den VfB war all das noch einmal für jeden offen zu beobachten. Von Beginn an versprühte die Mannschaft nicht den zuvor angekündigten unbedingten Siegeswillen, sondern versuchte es mit dem zuletzt gewohnt-bedächtigen Ballbesitzspiel. Gefahr kam wenig auf, nur gelegentliche Geistesblitze von Stindl sorgten für einige im Ansatz gefährliche Strafraumszenen. Trotz des gemächlichen Tempos kam es zu Lücken in der Rückwärtsbewegung, die der VfB jedoch nicht zu nutzen wusste. Die Schwaben spielten nach dem Erreichen des Saisonziels Klassenerhalt ihrerseits nicht am Limit und konnte zudem verletzungsbedingt nicht die erste Elf aufbieten, sodass auch Ergänzungsspieler wie Thommy eine Chance von Beginn an erhielten.

Insgesamt kein besonders aufregendes Spiel – und doch gelang Borussia praktisch mit dem Halbzeitpfiff fast aus dem Nichts die Führung. Nach einem Zusammenprall nutzte Vorbereiter Kramer die entstandenen Räume und flankte überlegt zu Stindl, der den Ball aus zentraler Position technisch anspruchsvoll ins rechte Eck bugsierte. Eine nahezu perfekte Ausgangsposition zur Halbzeit also. Wieder mal.

Wie man diese Führung noch verspielte, wurde direkt aus dem bereits bekannten Drehbuch der Saison übernommen. Bis zur 60. Minute war noch der Versuch zu erkennen, das Spiel durch aktiven Fußball zu kontrollieren und vielleicht sogar die Führung zu erhöhen, ohne allerdings die dafür nötige Konsequenz an den Tag zu legen. Und dann plätscherte es mal wieder dahin. Und der Gegner kam. Und kam. Und setzte die nun plötzlich wieder fußballerisch mittellos wirkenden Fohlen innerhalb weniger Minuten schachmatt. Mit Ausnahme einer Chance von Lazaro zwischen den Gegentoren kam bis Spielende von Borussia kaum noch was, die fünfte Heimniederlage der Saison war perfekt.

Wie es sein kann, dass sich diese talentierte, teure und im Bundesligavergleich auch erfahrene Mannschaft zum x-ten Mal in kürzester Zeit die Butter derart leicht vom Brot nehmen lässt? Aus den Aussagen von Christoph Kramer nach dem Spiel lässt sich jedenfalls ohne viel Phantasie heraushören, dass einige Kollegen in diversen Spielsituationen offenbar mit den Gedanken woanders waren. Warum? Das bleibt ein großes Rätsel.


Kein neues Gefühl

Ein Rätsel, dass auch nicht allein mit den schon seit Monaten eher kraftlos wirkenden Appellen des baldigen Ex-Trainers erklärt werden kann. Und sich fast schon regelmäßig in der entscheidenden Saisonphase wiederholen zu scheint. Schon in den zweieinhalb Spielzeiten unter Hecking krochen die Fohlen eher über die Ziellinie, sodass in Umfeld und Verein Forderungen nach einem Neuanfang laut wurden. Ende mit dem ballbesitzorientierten Verwalterfußball, hin zu mehr Intensität, Sprints und Mentalität. Das versuchte Hecking 2018 mit dem 4-3-3, dafür trat Rose 2019 explizit an und gab es in seiner ersten PK als primäres Ziel aus. Jetzt, 2021, sehnt man sich nach dem nächsten neuen Besen. Aber auch Adi Hütter wird sich (unabhängig von dem eigenen Paket, das er aus Frankfurt mitbringt) mit dieser Mannschaft früher oder später wieder schwertun – wenn sich an der kollektiven Mentalität nicht etwas grundsätzlich verändert.

Denn wir erinnern uns – der zuvor bereits teuerste Kader der Vereinsgeschichte und vielleicht beste seit den goldenen Siebzigern konnte vor der Saison komplett zusammengehalten und mit Lazaro und Wolf noch um zwei absolute Wunschspieler des Trainers erweitert werden. Das ist nicht mehr die Underdog-Borussia, die sich vor 10 Jahren geradezu heldenhaft gerettet und im Anschluss die Liga aufgewirbelt hat. Dank der großartigen Arbeit des Duos Eberl/Schippers verfügt man über ein finanzielles Budget und eine individuelle Klasse, die die Möglichkeiten von Konkurrenten wie Frankfurt, Stuttgart, Union oder Freiburg um ein Vielfaches übersteigt. Drei Wettbewerbe sind eine Belastung, aber der Kader wurde dafür gezielt aufgestellt und erlaubt auch durch die 5-Wechsel-Regelung mehr Möglichkeiten zur Belastungssteuerung. Was zudem mit Teamgeist und Erfolgswillen trotz höchster Belastung möglich ist, haben Hertha BSC und Holstein Kiel nach ihrer Zwangsquarantäne eindrucksvoll gezeigt. Diese Begründung reicht also insbesondere für die Schlussphase der Saison nicht aus.


Die Mannschaft im Fokus

Marco Rose mag als Trainer an den von ihm selbst und dem Verein gesetzten, fußballerisch-taktischen Zielen gescheitert sein (Borussia steht in den geforderten Kategorien heute da wie unter Hecking und hat sich beim Ballbesitz sogar verschlechtert), der Fokus muss nun aber auf der Analyse liegen, mit welchen Profifußballern Borussia die Ziele der Zukunft angehen möchte. Irgendwas ist faul im Staate Borussia-Park und es ist zu hoffen, dass Max Eberl diese Situation genauso knurrig und humorlos aufarbeiten wird, wie es sein Gesichtsausdruck nach den Spielen in München und gegen Stuttgart vermuten lässt.

Eine Restchance auf das Trostpflaster Conference League bleibt, aber es würde nicht wundern, wenn man in dieser Verfassung eher den Bremern als den Kölnern am letzten Spieltag Schützenhilfe leisten wird. Eine Saison ohne internationalen Wettbewerb wäre für diese insgesamt so stark aufgestellte Borussia sicher eine Enttäuschung, ob es nun Platz 8, 9 oder 10 wird. Aber auch wenn es noch mit dem Minimalziel klappt: die sich wiederholenden Probleme im Auftreten und vielleicht auch innerhalb der Mannschaft müssen offensiv angegangen werden. Dann lässt sich das große Rätsel vielleicht doch noch lösen.