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Wäre man Dramatiker und wollte ein Beziehungsdrama auf die Bühne bringen, hätte man sich die Entwicklungen im Vorfeld der samstäglichen Partie von Borussia Mönchengladbach gegen die Vertriebsabteilung aus Fuschl am See kaum besser ausdenken können, um gezielt auf einen Kulminationspunkt hinzuarbeiten. Zuerst wächst mit der Ich-AG Rose (das Probstheida lassen wir an dieser Stelle mal weg, wir wollen ja Probstheida nicht über Gebühr beleidigen) und Ex- und Wiederarbeitgeber Mateschitz zusammen, was zusammengehört, nämlich eine Kombination von Blendern, von denen der eine in erster Linie an lässiger Selbstdarstellung und der andere ausschließlich an PR für eine übelschmeckende Brühe interessiert ist. Zudem werden die Meldungen dichter, dass Max Eberl in absehbarer Zeit als Geschäftsführer Sport die Geschicke in der deutschen Vertriebsabteilung des Herrn Mateschitz lenken könnte. Begleitet wird das von – mehr oder weniger fundierten – Spekulationen über die Höhe der Ablösesumme und einem überflüssigen, weil mit Spekulationen ohne Beleg gespickten Brief des Fanprojekts, in dem die Pressekonferenz anlässlich des Abgangs von Max Eberl als „Schauspiel“ bezeichnet wird.

Um Fußball geht es also wenig in diesen Tagen, was einerseits nicht verwunderlich ist, wenn der bevorstehende Gegner mit Fußball eigentlich gar nichts am Hut hat und andererseits schade, weil am Samstag grundsätzlich gegensätzliche Vorstellungen von Fußball aufeinandertreffen.

Da ist zum einen der Ansatz des neuen Fuscheler Übungsleiters, der aus RB wieder RB machen und defensive Stabilität dadurch herstellen möchte, dass vorne mehr Druck auf den Ball ausgeübt wird. Das mag kurzfristig Erfolg haben (hatte es jedenfalls gegen die falsche Borussia), wird aber langfristig zu denselben Problemen führen, die Herrn Rose (den wir anders als Daniel Farke nicht für einen „Top-Trainer“ halten) schon bei seinen Stationen in Mönchengladbach und Dortmund begleitet haben. Auf den absehbaren Verlust jeglicher defensiver Ordnung werden sich gut organisierte, ball- und passsichere Teams mit der Fähigkeit zu schnell und zielstrebig vorgetragenen Angriffen jedenfalls freuen.

Ob diese Attribute am Samstag schon auf Borussia Mönchengladbach zutreffen, ist eine offene Frage. Zwar strahlt die Mannschaft in den ersten Spielen unter der Leitung von Daniel Farke deutlich mehr Stabilität aus. Das liegt nicht nur am fußballerischen Ansatz, sondern auch daran, dass Farke wieder auf Personal mit strategischen Fähigkeiten setzt. Neben dem Neuzugang Weigl ist hier vor allem Christoph Kramer zu nennen, der im letzten Jahr – mutmaßlich auch wegen diverser Äußerungen, die zu sehr den Finger in bekannte Wunden legten – nahezu nur im absoluten Notfall eingesetzt wurde, unter dem neuen Trainer aber regelrecht aufblüht und sogar in der ungewohnten Rolle als Innenverteidiger glänzen konnte. Andererseits ist „schnell und zielstrebig“ nicht gerade das, was Borussia Mönchengladbach in den letzten Spielen auszeichnete. So kursierte gerade eine Grafik, der man entnehmen konnte, dass keine Mannschaft in der Bundesliga den Ball so gemächlich nach vorne treibt wie die Fohlenelf. Auch den offiziellen Statistiken der Bundesliga kann man entnehmen, dass Borussia in den Disziplinen Laufleistungen, Sprints und intensive Läufe jeweils Platz 18 belegt, dafür aber die wenigsten Fouls am Gegner begangen hat sowie bei Passquote und Ballbesitz Spitzenplätze belegt. Das und die Ankündigung von Daniel Farke, man wolle gut absichern und möglichst vermeiden in Konter zu laufen spricht eher für eine Partie Rasenschach als für ein wildes Offensivspektakel.

Borussia geht mit einer etwas angespannten Personallage in die Partie, haben sich doch leider im letzten Spiel Florian Neuhaus und Ko Itakura schwerer verletzt, zudem fällt auch Alassane Plea immer noch aus. Bei Tobias Sippel führte ein Haushaltsunfall zu einer Schulterverletzung - spontane Gedanken an Peter Nielsen und Logan Bailly drängen sich auf, sollen aber hier nicht vertieft werden. Nico Elvedi und Stefan Lainer werden dagegen wieder dabei sein, ebenso wahrscheinlich Tony Jantschke, der auf der Bank Platz nehmen dürfte. Unterstellt, dass keine Systemänderungen angepeilt sind, ist mit Sommer im Tor, einer Vierkette aus Scally, Friedrich, Elvedi und Bensebaini zu rechnen. Im Mittelfeld werden wohl Weigl, Kramer und Koné stehen, davor Stindl, Hofmann und Thuram.

Auf der anderen Seite sind Dani Olmo, Konrad Laimer und Lukas Klostermann durch Verletzungen daran gehindert, als Werbeträger für Dosenlimonade zu fungieren. Ungewiss ist, ob der neue Fuscheler Übungsleiter den Auftritt in Gladbach für Rotationen nutzt, nachdem zuletzt gegen Dortmund und Madrid mehr oder weniger dieselbe Startelf beginnen durfte. In jedem Fall verfügt der Gegner über genügend gute Spieler, um eine mehr als konkurrenzfähige Mannschaft auf den Platz zu bringen.

Wichtig ist auf Gladbacher Seite, sich von den öffentlichen Nebenkriegsschauplätzen nicht ablenken zu lassen und mit dem Rückenwind einer wahrscheinlich giftigen Atmosphäre im Borussia-Park in eine konzentrierte Leistung zu präsentieren.

Der SEITENWAHL-Tipp:

Uwe Pirl: Der Ex-Trainer sorgt möglicherweise bei Einigen für eine Extraportion Motivation. Borussia gewinnt in hitziger Atmosphäre 2:1. Werner wird nach zwei Schwalben mit Gelbrot zum Duschen geschickt.

Volkhard Patten: Der Park kocht, Rose wird wie damals Matthäus erst kurz vor Anpfiff den Platz betreten. Angestachelt von der Stimmung im Park liefert Borussia eine tolle Leistung und gewinnt 2:0.

Thomas Häcki: Nach dem erwartungsgemäß herzlichen Empfang ist Rose derart gerührt, dass ihm die Tränen in die Augen schießen und er sich verwechselt. Aufgrund des 1:0 verzichtet die Borussia auf den grünen Tisch.

Christian Spoo: Rose, Eberl, Mateschitz - es gibt viele gute Gründe, warum Borussia dieses Spiel gewinnen muss. Leider sind das alles Gründe für uns Fans. Die Emotionalität fehlt den Männern in weiß völlig, weswegen schlicht die bessere Mannschaft gewinnen wird. Und die heißt Leipzig. 2:0 für das Konstrukt.

Michael Heinen: Es wird ein enges Spiel auf Augenhöhe, bei dem sich Borussia sehr gut verkauft. Am Ende setzt sich die zusammengekaufte individuelle Qualität der Gäste aber durch. Das Marketingkonstrukt siegt mit 1:0.

Michael Oehm: Das wird ein sehr turbulenter Abend am Samstag, sowohl auf den Rängen als auch auf dem Platz. Auf letzterem verliert die Borussia trotz ordentlicher Leistung mit 1-2. Die Rückkehr des Marco Rose wird aber sicherlich noch einmal anders zelebriert als beim letzten Mal. Man darf gespannt sein, wie sich das gestaltet.