bremen neu

Wenn der Zehnte auf den Elften trifft und beide Teams 10 Punkte Rückstand auf eine sichere internationale Teilnahme und 10 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz haben, fällt es nicht so leicht, dem Spiel künstlich eine größere Bedeutung zuzuschreiben. Das soll uns aber natürlich nicht davon abhalten, dies trotzdem zu versuchen. Denn noch ist dies nicht das Spiel um die goldene Ananas, sondern lediglich die Qualifikationsrunde dazu. Und sowohl in Bremen als auch in Mönchengladbach ist es eher der Blick nach unten, der für die verbleibende Spannung sorgt als die Hoffnung vielleicht doch noch einen Platz für die Conference League zu ergattern (läuft im Pokal alles normal, sollte dafür ja Platz 7 schon reichen). Vieles hat dabei mit der Bremer Saison 2020/21 zu tun. Da hatte Werder nämlich auch exakt 30 Punkte nach 24 Spieltagen und sogar 11 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und wähnte sich schon gänzlich sorgenfrei. Es sollte aber nur noch ein Punkt hinzukommen und am Ende stieg man direkt in die zweite Liga ab.

Eine Wiederholung eines solch dramatischen Absturzes mag zwar eher unwahrscheinlich erscheinen, aber fast alle Abstiegskandidaten auf den Plätzen 14-18 haben in den letzten Wochen teilweise überraschend gepunktet und die eine sieglose Mannschaft (Hoffenheim), hat im Prinzip das größte Potenzial dies zu tun. Sowohl die Borussia als auch Werder hingegen konnten jeweils nur eines ihrer letzten 5 Spiele gewinnen, die Borussia wartet sogar seit 3 Spielen nun auf einen Torerfolg. Auf den Verlierer der Partie am Freitagabend könnten also nochmal ein paar unruhige Wochen zu kommen. Kann es noch spannendere und dramatischere Voraussetzungen für ein Fußballspiel geben? (Ähmm, ja natürlich kann es das, aber wie soll ich Motivation für so einen Vorbericht finden, wenn ich mir nicht zumindest selbst einreden kann, dass dies ein hochwichtiger Kick ist?)

Nicht zuletzt für die Stimmung in beiden Lagern wird der Ausgang des Spiels wichtig sein. In Gladbach ist man sich nämlich ein wenig unsicher, was man mit den letzten Spielen so anfangen soll. Nach dem katastrophalen 0:4 in Mainz waren die Leistungen gegen Freiburg und Leipzig um einiges verbessert. In beiden Spielen hatte man gute Möglichkeiten zu gewinnen, aber gleichzeitig machte man sich nicht nur durch mangelnde Chancenverwertung, sondern auch durch einiges an eigener Dummheit (unnötige Rote Karte, schwach geschossener Elfmeter) die Spiele selbst kaputt und nahm somit nur einen Punkt und keine Tore aus den Partien gegen diese CL-Anwärter. Höchste Zeit also neben ansprechender Leistung auch mal wieder einen Sieg zu liefern. Bis auf den Dauerverletzten Julian Weigel und den Fluch-gesperrten Bensebaini stehen Daniel Farke dabei eigentlich alle relevanten Feldspieler zur Verfügung.  Das bedeutet auch, dass wieder einer der renommierten Offensivspieler auf der Bank starten wird. In Leipzig war das Lars Stindl, gegen Freiburg Florian Neuhaus, in Mainz Marcus Thuram, während zu Jahresbeginn Alassane Plea mehrfach nicht in der Startelf war. Einzig Jonas Hoffmann scheint seinen Stammplatz in der Offensive absolut sicher zu haben (der Nico Elvedi des Sturms, sozusagen). Defensives Mittelfeld und die Abwehr werden wohl so wie im Leipzig-Spiel aussehen, wohingegen es noch etwas an Unsicherheit gibt, wer denn nun am Freitag bei der Borussia im Tor stehen wird. Tobias Sippel hat sich zuletzt stabilisiert, musste aber zu Wochenbeginn das Training wegen einer Prellung verpassen. Jan Olschowsky hat nach seiner Magen-Darm-Erkrankung erst wieder eine kurze Trainingseinheit absolviert und auch Jonas Omlin konnte nach seiner Muskelverletzung erst am Mittwoch ins Training einsteigen, wird aber wohl am Freitag zurück ins Tor der Gladbacher kehren.

Was es weder in diesem Spiel noch in den Folge-Partien bei der Borussia geben wird, ist eine frühe Vorbereitung auf die nächste Saison, bei der ziemlich sichere Abgänge (Thuram, Bensebaini, Koné) jungen unerfahrenen Spielern Platz machen. Dies wird zwar angesichts der geringen Chancen noch in den Europapokal zu kommen von einigen Fans immer wieder gefordert, wurde aber auf der Pressekonferenz vor dem Spiel vom Trainer eindeutig abgelehnt. Es würde immer die Mannschaft spielen, die die maximale Chance auf Erfolg habe, man wolle keine Punkte oder Plätze verschenken. Die jungen Spieler müssten sich die Einsätze erarbeiten und sie nicht geschenkt bekommen. Das etwas deprimierende Fazit aus diesen Aussagen ist, dass die junge Garde (Noβ, Borges Sanchez, Telalovic) vielleicht viel Talent hat (Farke betont das gern), aber letztendlich (noch) nicht gut genug für die Bundesliga ist.

Die Tatsache, dass nur ein paar Tore zwischen den beiden Vereinen liegt, wird sicher in Bremen erheblich positiver bewertet als in Mönchengladbach. Auch wenn man inzwischen den Kontakt zu oberen Tabellendrittel hat abreißen lassen (am 14. Spieltag war man noch Siebter) müssen, spielen die Hanseaten als Aufsteiger eine sehr solide Saison. Star ist natürlich Bundesliga-Top-Torjäger Zahnlücken-Niclas im Sturm mit bereits 15 Saisontoren. Zusammen mit Marvin Ducksch (immerhin auch schon 13 Scorerpunkte) bildet er ein Sturmduo, das in diesen Zeiten der falschen Neunen fast schon ein wenig retro wirkt und Erinnerung an die 90er-Jahre-Partnerschaften wie Klinsmann-Völler auf nationaler oder Dahlin-Herrlich auf Vereinsebene weckt. Das Bremer Spiel ist darauf zugeschnitten den Ball ziemlich schnell und direkt (oft auch mit langen Bällen) auf dieses Duo zu leiten, womit die Borussia im Hinspiel überhaupt nicht klarkam.  Auch wenn Ducksch und Füllkrug nicht klassische Konterfussballer sind und der Bremer Stil eher für eine Heim-Mannschaft geeignet scheint, haben die Hanseaten im Schnitt in der Ferne diese Saison marginal besser gepunktet als daheim (1.27 vs 1.23 Punkteschnitt). Neben der spektakulären Lastminute 3:2 beim BVB, gab es dabei noch 3 Auswärtssiege bei den Abstiegskandidaten Hoffenheim, Schalke und Stuttgart. Bei Spielen in Mönchengladbach hat Werder in den letzten Jahren allerdings nicht viel mitnehmen können. Den letzten Bundesliga-Sieg bei den Fohlen erzielten die Bremer im Oktober 2010 gegen die Viererkette  Daems - Anderson - Levels – Wissing (ja, genau!). Seitdem gab es in 10 Spielen 7 Niederlagen und drei Unentschieden bei einem Torverhältnis von 32:9 für die Borussia, welches andeutet, dass so manch deutliches Ergebnis darunter war.

Auch wenn die Vergangenheit für Borussia spricht, sieht die Gegenwart beide Teams  auf Augenhöhe. Wie eingangs gesagt, drohen dem Verlierer eventuell ein paar unruhige Wochen. Gerade vor dem anstehenden Derby in Köln wäre es daher extrem wichtig für die Borussia, mit einem Sieg möglich Abstiegsgespenster ein für alle Mal zu vertreiben. Das Hinspiel war ein gewisser Knackpunkt in dieser Saison. Davor hatte Borussia einen Punkteschnitt von 1.71 bei einem Gegentorschnitt von 0.71. Die entsprechenden Daten in den 17 Spielen seitdem (inklusive des Bremenspiels) sind 1.06 und 2.18. Bleibt nur zu hoffen, dass die Partie am Freitag erneut ein Wendepunkt sein kann, diesmal zum Positiven.

 

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Borussia ist engagiert, aber glücklos und verliert letztendlich mit 1:2.

Christian Spoo: Mit viel Mühe ringt Borussia die Bremer nieder. Diesmal gibt es keinen Einbruch nach dem Gegentor. Das 2:1 vertreibt die eventuell noch vorhandenen leisen Zweifel an einem angstfreien Saisonende.

Michael Heinen: Gegen Bremen gibt es mal wieder einen souveränen Heimsieg. Borussia siegt mit 4:1.

Michael Oehm: Ein Unentschieden schon wieder, und wieder eines, bei dem mehr drin gewesen wäre. Wie die Saison, so der Spieltag. 1:1.

Thomas Häcki: Lange Zeit sieht es nach einem 0:0 aus. Dann zeigt Werder das ganze Gladbacher Leid auf. 0:1.