„Die Geschichte mit dem Tiefpunkt, und nochmal ein Tiefpunkt. Und noch ein niedrigerer Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören.“ (Rudolf Völler)

Nicht nur der neue DFB-Sportdirektor hätte seine helle Freude an der aktuellen Borussia, die sich seit mittlerweile über zwei Jahren von einem Tiefpunkt zu noch einem niedrigeren Tiefpunkt mäandert. Besonders emotionale Tiefpunkte wurden zuletzt in den Derbys erreicht. 2021 bekam dies Marco Rose zu spüren, der durch das rotationsbedingte 1:2 gegen den Effzeh endgültig jeden Kredit bei den Fans verspielte. Adi Hütter musste in der darauffolgenden Saison gleich zwei bittere Derbyniederlagen einstecken. Das 1:3 im Borussia-Park im April 2022 war ein wesentlicher Grund dafür, dass er trotz einer ansonsten ordentlichen Rückrundenbilanz den Fans nicht mehr vermittelbar war und vorzeitig seinen Hut nehmen musste.

Auch wenn Daniel Farke in dieser Spielzeit immerhin 4 Derby-Punkte herausholen konnte - darunter ein beachtliches 5:2 im Heimspiel – wird ihm das 0:0 aus der vergangenen Woche noch länger nachhängen. Anders als es den Fußball-Fans oft nachgesagt wird, sind es nicht immer nur die Ergebnisse, die ihre Stimmungslage beeinflussen. Nach dem 2:2 gegen Bremen war das SEITENWAHL-Urteil („ordentliches bis gutes Spiel, auch nach dem Ausgleich nicht eingebrochen, unglücklicher Punktverlust“) relativ positiv ausgefallen. Der „verdammt glückliche“ Punktgewinn beim effzeh muss dagegen wie eine Niederlage bewertet werden. Gerade in einem Derby ist es unentschuldbar, wenn die Fans das Gefühl haben, dass die Mannschaft nicht alles für den Erfolg gegeben hat.

Auf den ersten Blick fällt die Diagnose leicht: Die Mannschaft hat keinen Charakter und ist mit den Gedanken bereits bei anderen Vereinen. Das Spielsystem ist gegen die vielen limitierten Bundesligavereine mit ihrem permanenten Pressing ungeeignet. Der Trainer setzt viel zu sehr auf die verwöhnten Alt“stars“, wechselt viel zu spät aus und gibt den Ersatzspielern keine faire Chance. Er sollte vielmehr auf die echten Borussen setzen, die mit dem Herzen dabei sind oder gleich auf die U23, die jede Woche zeigt, was mit „Blut und Ehre“ machbar ist. Am besten sollte der Verein sowieso auf Erfolgstrainer Eugen Polanski setzen. Denn wenn Borussia so weiter macht, wird sie bald wieder da landen, wo sie laut Daniel Farke bereits letztes Jahr war. Daher braucht es jetzt einen vollständigen Umbruch, angefangen beim gescheiterten Trainer, über den überforderten Sportdirektor, das eingerostete Scouting bis hin zum überalterten Präsidium.

Viele Borussen-Fans werden sich – zumindest in weiten Teilen – in dieser Analyse wiederfinden. Und so bitter es ist: In vielen Punkten ist sie vermutlich gar nicht so verkehrt. Wie so oft im Leben steckt der Teufel aber im Detail und die reale Welt ist nicht immer ganz so eindeutig wie es scheint. Gehen wir die oben genannten Sätze daher mal im Einzelnen durch:

Die Mannschaft hat keinen Charakter und ist mit den Gedanken bereits bei anderen Vereinen.

Ja, der Auftritt in Köln hat erneut unterstrichen, dass die Borussen-Elf ein Charakterproblem hat. Selbst wohlgesonnene Borussen-Freunde sind mittlerweile zunehmend unzufrieden mit dem „Scheißdreck“, der ihnen seit Monaten regelmäßig vorgesetzt wird. Immer wieder, wenn man ansatzweise Hoffnung bekommt, es könne sich was bessern, folgen Spiele wie in Köln, in denen die Fohlenelf sofort in sich zusammenbricht, sobald der Gegner anfängt, aggressiv und kämpferisch aufzutreten.

Aber wie passt diese Bestandsaufnahme damit zusammen, dass in der Mannschaft unbestreitbar positive Charaktere wie Itakura, Omlin, Stindl, Kramer oder Hofmann stehen, denen bestimmt nicht fehlendes Herzblut vorgeworfen werden kann? Machen wir es uns nicht etwas sehr einfach, die gesamte Problematik auf die „faulen Äpfel“ zurückzuführen, deren Abgang zum Saisonende feststeht und die sich daher als Sündenböcke für die aktuelle Situation geradezu aufdrängen?

Ja, Marcus Thuram ist ein launischer Charakter, der offensichtlich nur dann in der Lage ist, seine Leistung abzurufen, wenn er sich vollauf wohl fühlt. In der Hinrunde war es Farke gelungen, diese positive Stimmung bei ihm abzurufen – zu einem Zeitpunkt, als auch schon klar war, dass er seinen Vertrag nicht verlängern wird.

Aber der Franzose hat z. B. in der vergangenen Saison schon einmal eine längere Schwächephase gehabt, in der er ähnlich unmotiviert wirkte wie aktuell. Ramy Bensebaini wiederum ist aktuell nicht wirklich der größte Schwachpunkt in Borussias Defensive. Die ganz große Motivation, zum Abschluss seiner Zeit bei der echten Borussia noch einmal alles aus sich herauszuholen, ist fraglos nicht zu erkennen. Dennoch liegt die aktuelle Krise der Mannschaft ganz bestimmt nicht nur allein oder primär an Thuram und Bensebaini. Das viel größere Problem ist vielmehr der Charakter-Mix bei der Zusammensetzung der Mannschaft. Ein Ko Itakura z. B. ist ein überragender Kämpfer, der in jedem Spiel 1900 % Einsatz gibt. Mit 10 Itakuras auf dem Feld wird aber keine Mannschaft allzu großen Erfolg haben können. Hierzu bedarf es verschiedener Typen, die zusammen eine eingespielte Einheit ergeben. Borussias Kader ist insgesamt zu brav-bieder aufgestellt und spielt daher sehr oft genau so.

Ja, Itakura, Elvedi, Kramer, Stindl, Neuhaus oder Scally sind allesamt sympathische Charaktere.

Aber ein Typ „Leitwolf“, der in schwierigen Situationen das Heft an sich reißt und die Kollegen aufrüttelt, ist unter ihnen nicht zu finden. Es ist bezeichnend genug, dass einzig Borussias neuer Torhüter sichtbare Signale in diese Richtung aussendet. Er ist aber schon allein aufgrund seiner Position auf dem Feld nur bedingt in der Lage, direkten Einfluss auf das Spiel seiner Vorderleute zu nehmen.

Das Spielsystem ist gegen die vielen limitierten Bundesligavereine mit ihrem permanenten Pressing ungeeignet.

Ja, eine der spannendsten Frage ist, ob es überhaupt möglich wäre, aus dem vorhandenen Spielermaterial eine echte Mannschaft zu formen, die in ihrer Gesamtheit zumindest so gut auftritt, wie es die einzelnen Teile mit ihrer hohen individuellen Qualität versprechen lassen. Marco Rose war es in seiner ersten Saison als Borussen-Trainer gelungen, aber schon im zweiten Jahr scheiterte auch er an diesem Versuch. Dies setzte sich unter Hütter und jetzt unter Farke fort. Insgesamt haben es also drei renommierte und zuvor höchst erfolgreiche Trainer nicht geschafft, diese Mannschaft nachhaltig in den Griff zu bekommen. Was zu der Annahme verleitet, dass es vielleicht doch nicht primär am Trainer liegen mag.

Aber dies ist kein Freibrief für Daniel Farke und seine Arbeit. Ein Trainer darf gerne ein bevorzugtes Spielsystem haben. Es ist aber seine verdammte Pflicht, dabei das vorhandene Spielermaterial zu berücksichtigen und im Zweifel seine Spielweise anzupassen. Wenn der von Farke propagierte Ballbesitzfußball selbst von fußballerisch maximal zweitklassigen Mannschaften derart leicht ausgehebelt werden kann wie vergangenen Sonntag, hat er wenig Wert. Ballbesitz ist nur dann gut und hilfreich, wenn er zielgerichtet genutzt wird. In der zweiten Halbzeit gegen Bremen konnte sich die Mannschaft auf diese Weise eine Vielzahl von Chancen herausspielen. Gegen kampfbetonte Vereine wie Augsburg, Union oder Köln stößt das System aber regelmäßig an seine Grenzen. Richtet man den Fokus auf den eigenen Ballbesitz, so ist in der Defensive hohe Konzentration und eine geringe Fehlerquote erforderlich. In der Offensive dagegen sollte die Mannschaft in der Lage sein, geduldig zu agieren, um im richtigen Moment mit schnellen und überraschenden Angriffen die gegnerische Abwehr auszuhebeln.

Ja, wer Borussia in dieser Saison verfolgt hat, dem wird schnell auffallen, dass diese Voraussetzungen weder in der Defensive noch in der Offensive gegeben sind.

Aber es gehört ebenfalls zur Wahrheit, dass Borussia in den letzten Jahren mit anderer Ausrichtung nicht wirklich erfolgreicher unterwegs war.

Der Trainer setzt viel zu sehr auf die verwöhnten Alt“stars“, wechselt viel zu spät aus und gibt den Ersatzspielern keine faire Chance.

Ja, es kann in Einzelfällen hinterfragt werden, ob der Trainer einem bestimmten Spieler mehr Einsatzzeit bieten sollte. Angesichts des feststehenden Abgangs von Ramy Bensebaini und der ohnehin verschenkten Saison wäre es eine sinnvolle Option, seinem designierten Nachfolger Luca Netz mehr Spielzeit zu überlassen.

Aber Daniel Farke hat ein berechtigtes Anliegen, auch in dieser Saison noch so viele Punkte wie möglich zu sammeln und daher die Mannschaft aufzustellen, die den größtmöglichen Erfolg verspricht. Netz hat bei seinen 24 Spielen für Borussia (über mehr als 30 Minuten) bislang noch nicht nachhaltig nachweisen können, dass er bereits auf Augenhöhe selbst mit einem nur noch mäßig motivierten Bensebaini ist. Noch weniger trifft dies auf Spieler wie Wolf, Herrmann oder Ngoumou zu, die bei ihren Einsätzen wenig Hoffnung darauf gemacht haben, dass sie die Spieler aus der Stammelf auch nur ansatzweise gleichwertig ersetzen könnten.

Ja, wenn es in einer Mannschaft nicht läuft, werden stets die Rufe nach den Spielern laut, die gerade nicht spielen. Zumindest solange bis der Trainer ihnen eine Chance gibt und sie dann zumeist noch schlechter spielen.

Aber wenn Daniel Farke so spät oder teilweise gar nicht wechselt, dann liegt dies in allererster Linie daran, dass die Qualität auf der Ersatzbank erschreckend ist. Während bei Marcus Thuram – bei aller Formschwäche – zumindest immer noch die Chance besteht, dass seine individuelle Klasse in einzelnen Szenen aufblitzt, hat z. B. Nathan Ngoumou bis auf seine Schnelligkeit bisher noch überhaupt nicht erkennen lassen, warum der Verein bereit war, für ihn 8 Mio. Euro auszugeben. Es mag sein, dass sich dies in den kommenden Jahren irgendwann noch zeigen wird. Aktuell ist es aber allzu optimistisch anzunehmen, dass eine frühere Einwechselung des jungen Franzosen irgendetwas verbessern könnte.

Er sollte vielmehr auf die echten Borussen setzen, die mit dem Herzen dabei sind oder gleich auf die U23, die jede Woche zeigt, was mit „Blut und Ehre“ machbar ist.

Ja, vor den Leistungen der U23 in dieser Saison können wir nur den Hut ziehen. Sehr schade, dass mit Preussen Münster ein anderes Team noch überlegener agiert. Ansonsten wäre dieser Mannschaft sogar der Aufstieg in die 3. Liga zuzutrauen. Auch die Moral, mit der viele Partien in der Schlussphase herumgebogen werden, steht im starken Kontrast zum Auftritt der ersten Mannschaft. Von daher ist der Ruf nach den charakterstarken Spielern aus der U23 allzu verständlich.

Aber dann muss man sich leider immer wieder klar machen, dass zwischen erster und zweiter Mannschaft ganze drei Ligen stehen. Der Sprung von der Regionalliga West in die Bundesliga ist gewaltig und wird daher nur von den wenigsten Spielern erfolgreich gemeistert.

Ja, Daniel Farke wird mit Sicherheit ganz genau hinschauen, ob einzelne Spieler aus der U23 eine realistische Option für die Zukunft darstellen können.

Aber es ist nicht verwunderlich, wenn er zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht das Gefühl hat, dass ein Fraulo, Borges Sanches oder Telalovic der ersten Mannschaft weiterhelfen würden.

Am besten sollte der Verein sowieso auf Erfolgstrainer Eugen Polanski setzen.

Ja, Eugen Polanski hat aus der zuvor im Mittelmaß dümpelnden U23 ein Erfolgsteam geformt und damit erstmals angedeutet, dass ihm eine große Trainerkarriere bevorstehen könnte.

Aber eine starke Saison in der Regionalliga ist noch etwas wenig, um dies bereits als gesichert vorauszusetzen. Fernab davon, dass Polanski zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht einmal eine Trainer A-Lizenz besitzt, sollte er noch ein paar Erfahrungen mehr sammeln bevor er irgendwann evtl. einmal Farke beerben könnte. Die aktuelle Borussen-A-Elf in ihrer ungesunden Zusammenstellung wäre zudem nicht unbedingt die dankbarste Aufgabe für den Profistart eines solchen Trainer-Talents.

Denn wenn Borussia so weiter macht, wird sie bald wieder da landen, wo sie laut Daniel Farke bereits letztes Jahr war.

Ja, die Gefahr, dass sich Borussias Negativtrend weiter fortsetzt und irgendwann unausweichlich im Abstiegskampf endet, ist groß. Wenn Borussia nicht diesen Sommer die richtigen Weichen stellt und einen echten Umbruch bewältigt, kann die kommende Spielzeit richtig bitter werden.

Aber unsinnig ist natürlich die Behauptung, Borussia habe im Vorjahr lange Zeit im Abstiegskampf festgehangen. Auch ständige Wiederholungen des Trainers machen diese Aussage nicht korrekter. Richtig ist, dass Borussia am 21. Spieltag der Vorsaison nur noch einen Punkt vor dem Relegationsplatz lag. Anfang Februar bestand für sehr kurze Zeit so etwas wie „Abstiegskampf“. Schon eine Woche später wurde der Vorsprung durch den 3:2-Sieg über Augsburg auf 4 Punkte ausgebaut. Weniger Abstand gab es anschließend die ganze Saison nicht mehr. Ab dem 26. Spieltag Anfang März waren es sogar stets mindestens 7 Punkte. Daniel Farke tut sich zudem keinen Gefallen damit, wenn er sein Abschneiden so sehr mit dem aus der Vorsaison verknüpft. Zur Erinnerung: Adi Hütter schloss die Saison 2021/22 mit immerhin 45 Punkten auf Platz 10 ab. Es liegt noch einige Arbeit vor Farke und seinen Spielern, um selbst dieses mäßige Ergebnis in dieser Spielzeit noch zu reproduzieren.

Daher braucht es jetzt einen vollständigen Umbruch, angefangen beim gescheiterten Trainer, über den überforderten Sportdirektor, das eingerostete Scouting bis hin zum überalterten Präsidium.

Ja, der Borussen-Fisch stinkt vom Kopf bis zu den Flossen. Die Fehler sind nicht nur bei einer Person zu suchen, sondern in der gesamten Struktur des Vereins. Das Ziel kann und darf es nicht sein, den Verein zu einer Red Bull-Kopie zu verunstalten. Borussia muss selbstverständlich seinen eigenen Weg auf Basis seiner eigenen Identität finden.

Aber es ist verheerend, wenn der viel beschworene „Borussen-Weg“ ausschließlich in einem „Weiter so“ besteht. Die Sehnsucht nach den Erfolgsjahren ab 2011 ist verständlich. Borussia hat in den Jahren darauf sehr vieles richtig gemacht. Sie haben auf ein eingespieltes Duo Favre/Eberl gesetzt, ein erfolgreiches Scouting unter Leitung von Steffen Korell aufgebaut, Ruhe in der Führungsetage bewahrt und finanziell in Person von Stephan Schippers solide gewirtschaftet.

Ja, mit Ausnahme des ersten Punktes sind alle weiteren noch immer gegeben.

Aber dies verleitet nicht wenige im Verein zu der These, man müsse einfach nur so weitermachen, dann müsse sich der Erfolg von selbst wieder einstellen. Dies ist ein recht naiver Trugschluss – fernab davon, dass das Duo „Farke/Virkus“ erst noch beweisen muss, ob es an seine erfolgreichen Vorgänger heranreichen kann. Der Fußball entwickelt sich immer weiter und andere Mannschaften lernen ebenfalls dazu. Eintracht Frankfurt z. B. hat mittlerweile sehr viel Geld in ein professionelles Scouting investiert und Borussia diesbezüglich weit überholt. Dies gilt gleichermaßen für viele andere Bundesligisten, die in diesem Bereich ihre Strukturen zunehmend professionalisiert haben. Borussia hat es dadurch zunehmend schwerer auf dem Transfermarkt. Um sich dennoch durchzusetzen, müssten sich Scouting und Management ebenfalls ständig weiterentwickeln, um noch schnellere und geschicktere Transfers zu ermöglichen. Es wirkt schon ein wenig fahrlässig, sich vornehmlich auf den französischen Markt und die dortigen Talente zu verlassen. Wo ist z. B. Borussias historische Expertise in Skandinavien? Was sagt es über den Verein eines Allan Simonsen, Patrick Andersson oder Peter Nielsen aus, wenn die wenigen skandinavischen Transfers der letzten Jahre Andreas Poulsen und Oscar Fraulo heißen?

Ja, das Triumvirat aus Rolf Königs, Hans Meyer und Rainer Bonhof kann für seine Verdienste um den Verein nicht genug gelobt werden.

Aber es weist inzwischen einen Altersschnitt von über 77 Jahren auf. Die Hinzunahme des 59 Jahre alten Stephan Stegemann kann da nicht ernsthaft als „Verjüngung“ ausreichen. Borussia braucht auch in der Vereinsführung neue Leute mit frischen Ideen und einer positiven Vision. Wenn es dem Präsidium nicht gelingt, hierfür die Weichen zu stellen, droht über kurz oder lang eine neue „Initiative“, die im schlimmsten Fall mit populistischen Sprüchen den ganz großen Umsturz anstrebt. Die zweifelsohne verdienten Kräfte im Verein sollten daher alles unternehmen, um aus sich heraus Reformen und einen echten Verjüngungsprozess anzustrengen. Vom Präsidenten bis hin zum Busfahrer sollte dabei jede Position hinterfragt werden.

Ja, die Vertragsverlängerung von „Fußballgott“ Tony Jantschke kann man aus nostalgischer Fansicht gern bejubeln.

Aber es ist kein gutes Zeichen, dass im April 2023 noch immer wenig auf einen echten Umbruch hindeutet – weder in den Gremien noch in der Mannschaft. Wichtig wären Transfers oder Vertragsverlängerungen, die einen echten sportlichen Wert für die Zukunft der Mannschaft aufweisen. In den letzten beiden Transferperioden – zugleich den ersten beiden der Nach-Eberl-Ära – wurde es bereits versäumt, den Kader zumindest in Teilen neu aufzustellen. In diesem Sommer wird dies durch die bestehenden Vertragssituationen vieler Spieler unvermeidlich sein und dadurch wird der Umbruch umso größer ausfallen müssen. Mit Bensebaini, Thuram und Stindl werden drei weitere Leistungsträger den Verein ziemlich sicher verlassen. Da dies dem Verein kein Geld einbringt, wird vermutlich Manu Koné wechseln müssen, damit von der zu erwartenden Ablöse eine neue Mannschaft aufgebaut werden kann. Nicht zu vergessen ist zudem, dass auch 2024 eine Reihe weiterer Verträge auslaufen. Bei Neuhaus, Elvedi, Lainer und Wolf wird der Verein entweder auf eine Verlängerung oder einen sofortigen Verkauf drängen müssen – in der Hoffnung, dass die Spieler sich darauf – anders als zuletzt Thuram oder Bensebaini – einlassen und es überhaupt nennenswerte Angebote für die zuletzt nicht gerade überragenden Akteure geben wird.

Ja, die Zukunft der Borussia ist nach aktuellem Stand sehr ungewiss und es gibt gute Gründe, sich um den Verein große Sorgen zu machen.

Aber der Verein hat noch immer alle Möglichkeiten, durch kluge und weitsichtige Entscheidungen die Weichen auf eine bessere Zukunft zu stellen und eine neue Ära einzuleiten, die zumindest nachhaltigen Erstligafußball im Borussia-Park ermöglicht – mit einem runderneuerten Verein, mit dem sich die Fans wieder mehr identifizieren können. Dazu bedarf es aber echter Veränderungen und der Einsicht, dass die bewährten Rezepte aus der Vergangenheit nicht unbedingt die richtigen für die Zukunft sein müssen.

Ja, kurzfristig werden acht weitere Bundesliga-Partien im alten Trott zu überstehen sein – so wie am kommenden Ostersonntag die Partie gegen den Tabellennachbarn aus Wolfsburg.

Aber dies alles könnten die bewährt leidensfähigen Borussen-Fans ertragen, wenn ihnen der Verein dafür in der kommenden Saison endlich wieder eine Mannschaft präsentiert, die mit Herz und Leidenschaft auftritt und dem Verein eine echte Perspektive auf eine nachhaltige Zukunft bietet.

 

Mögliche Aufstellungen

Borussia: Omlin – Scally, Itakura, Elvedi, Bensebaini – Kramer, Neuhaus – Hofmann, Stindl, Plea – Thuram

Wolfsburg: Casteels – Bornauw, Lacroix, van de Ven, Otavio – Arnold, F. Nmecha, Gerhardt – Paredes, Kaminski - Marmoush

 

SEITENWAHL-TIPPS

Michael Heinen: „Borussia krümelt sich mühsam über die Ziellinie. Gegen Wolfsburg folgt mit einem 2:2 das nächste Unentschieden.“

Christian Spoo: „Feuer unter dem Hintern nach dem Derby und angesichts eines zunehmend unzufriedenen Umfelds? Nicht mit dieser Mannschaft. 1:2.“

Michael Oehm: „Apropos Feuer und Hintern. Maximilian Arnold hat zur Zeit alleine mehr Power im Allerwertesten als die gesamten zehn Feldspieler vor Wochenfrist in Köln zeigten. Das 0-1 ist noch sehr schmeichelhaft.“

Thomas Häcki: „Auf der Suche nach Eiern möchte man der Mannschaft nach dem trostlosen 0:2 gerne welche zuwerfen. Frohe Ostern.“