Borussia Mönchengladbach hat mal wieder ein Heimspiel verloren. Das vermag nicht wirklich zu überraschen, und auch die Art des Zustandekommens wird bei den wenigsten Schnappatmung ob der Unvorhersehbarkeit des Geschehens verursachen. Borussia verliert ein Spiel, weil man nicht dagegengehalten hat, weil man einem biederen Gegner sein Spiel gestattet und kein eigenes aufzuziehen wusste. Gästetrainer Urs Fischer wird nicht müde, von seiner Mannschaft “Kompaktheit” zu fordern (das jetzt bitte laut aussprechen und mit dem ein oder anderen wahllos eingebauten “ch” für diesen drolligen eidgenössischen Duktus sorgen). Seine Mannschaft lieferte auch heute Kompaktheit, und die Borussia wusste kein Mittel gegen Kompaktheit. Außerdem ließ man Union einmal unbedrängt flanken und Sheraldo Becker in der Mitte ungestört einnetzen. Das reicht dann im April 2023 für drei Punkte im Borussia-Park. 

Grundsätzlich wäre damit schon alles Wissenswerte zum Spiel mitgeteilt, aber wir wollen der Chronistenpflicht Genüge tun und haben noch ein bisschen genauer hingeschaut. Die erste Merkwürdigkeit gab es schon lange vor dem Anpfiff zu bestaunen: der die Spieler des Nachmittages übertragende Sender DAZN wies im Ankündigungstext zum Spiel Freiburg gegen den S04 darauf hin, dass die armen Schalker zum dritten Mal in den Spieltagen 26 bis 29 (warum eigentlich ausgerechnet diese Spieltage?) nicht am Samstag um 15:30 Uhr antreten dürfte. Die Schalker seien überhaupt die Mannschaft in der Bundesliga, die das am seltensten dürfte. Wie gepeinigte Borussen wissen, ist das eine glatte Lüge, aber immerhin verwies man im Ankündigungstext zum Spiel in Mönchengladbach darauf, dass es für Borussia das 5. Spiel in Folge nicht am Samstagnachmittag sei. Was man sich fragt: Woher kommt bei DAZN plötzlich diese Obsession für die Anstoßzeiten? Wer hält das für eine launige Ankündigung, wenn man den derart übel mitgespielten Vereinen und ihren Anhängern das als lustiges Kuriosum verkauft, während doch in Wirklichkeit keiner mehr Interesse an solchen Gängelungen hat als die übertragenden Fernsehsender? 

Auch im Stadion war die Sicht auf das Spiel zunächst getrübt. Kurz vor Spielbeginn tat die Nordkurve mit ein paar Rauchtöpfen alles dafür, das folgende Elend nicht allzu klar sehen zu müssen. Als sich der Rauch gelichtet hatte, konnte man den immer gleichen Versuch der Borussia bestaunen, die Kompaktheit des Gegners zu entzerren. Der Ball wanderte von Bensebaini über Elvedi mit einer kleinen Zwischenstation Koné oder Weigl zu Itakura und von dort zu Scally. Entweder spielte der den wieder zurück (Ballstaffette in umgekehrter Reihenfolge) oder er geriet ob der Anlaufversuche Unions in Panik und drosch den Ball sinnfrei nach vorn, wo er meist leichte Beute des Unioner Abwehrverbunds wurde. Keine Tiefe, kein Tempo, nirgends, und da Union auch wenig Konstruktives beizutragen wusste, war es eine bemerkenswert langweilige erste Halbzeit.  

Zumindest Union wusste im zweiten Spielabschnitt etwas zuzulegen und kam dadurch auch vermehrt zu Chancen und schließlich zum bereits geschilderten Treffer. Daniel Farke tat im Nachgang etwas höchst ungewöhnliches: Er wechselte vor der 70. Minute, und das gleich vierfach. Denn in der 69. Minute betraten Ngoumou, Netz, Lainer und Plea den Platz. Bensebaini, der für Netz herausgenommen wurde, musste sich die üblichen Pfiffe anhören, was Stadionsprecher Knippertz dazu veranlasste, gleich zweimal zu betonen, dass er wirklich alles reingehauen habe. Es war gut, dass er das sagte, weil das mit bloßem Auge gar nicht so gut zu erkennen gewesen war. Die Wechsel auf dem Platz sorgten jedenfalls noch einmal für einen Bruch im Spiel. Nach dem ersten energischen Einsatz von Ngoumou erwachte der Park aus seiner Lethargie. Die Borussia zeigte eine veränderte Herangehensweise und viel mehr Zug zum Tor. Und weil man plötzlich so verrückte Dinge tat, wie den Ball direkt auf die Außen zu spielen, statt erst den Umweg über beide Innenverteidiger zu gehen, gelang es die Berliner Kompaktheit auch etwas aufzulösen und zumindest den Ansatz von Gefahr heraufzubeschwören. Ehrlicherweise gilt es aber auch festzuhalten: Ja, dem Wechsel auf dem Platz folgte auch ein Wechsel in der Einstellung der Mannschaft, die sich jetzt deutlich engagierter zeigte, aber es kam auch zur Fortsetzung der maximalen Ungefährlichkeit im Gladbacher Offensivspiel. Da verpuffte auch der letzte farksche Kniff, die Einwechslung von Friedrich als Sturmersatz für den wiederum völlig glücklosen Thuram.  

Die Borussia hat jetzt weniger Punkte als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison, als man ja laut Verein so lange im Abstiegskampf herumsumpfte. Zum Glück ist vom Abstiegskampf aber weiterhin keine Spur zu sehen. Den Kampf will man der Mannschaft zumindest in Teilen gar nicht absprechen, allein, ein spielerischer Ansatz, eine echte Spielidee ist weiterhin nicht auszumachen. Man will aber auch kaum noch hingucken. Soll die Nordkurve ruhig wieder ihre dämlichen Rauchtöpfe anschmeißen.